Digitale Langzeitarchivierung – Wer welche Daten wie lange aufheben muss
Speicherpflichten und Strafen
Speicherung im eigenen Interesse
Digitale Langzeitarchivierung – Wer welche Daten wie lange aufheben muss
Bereits seit dem 1. Januar 2002 sind Unternehmen zur digitalen Archivierung steuerrechtlich relevanter Unterlagen verpflichtet. Das gilt nach § 146 Abs. 5 und § 147 Abs. 6 der Abgabenordnung (AO) zunächst für alle Gewerbetreibende, und zwar unabhängig von der Größe der Unternehmung. Betriebsprüfungen durch den Fiskus sollen auf Basis der geltenden Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen (GDPdU) deutlich schneller, genauer und kostensparender erfolgen.
Laut AvenDATA, Betreiber des GDPdU-Portals, besitzen aber lediglich drei bis fünf Prozent der kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) ein entsprechendes digitales Archivierungssystem. Große Firmen sind immerhin zu 70 bis 80 Prozent auf den Zug in Richtung digitaler Archivierung aufgesprungen.
Unternehmen mit digitalem Workflow müssen sich jedoch nicht nur um das Archivieren ihrer steuerrechtlich relevanten Informationen Gedanken machen. Denn im Grunde müssen alle geschäftskritischen Daten über lange Zeit revisions- und gegebenenfalls beweissicher aufbewahrt werden. Zu unterscheiden sind die Erfüllung gesetzlicher Anforderungen (Archivierungspflichten) und die Archivierung aus eigenem Geschäftsinteresse, etwa um mit Leistungsnachweisen möglichen Schadensersatzforderungen zu begegnen. In letzterem Fall kann das Interesse an langfristiger beweiskräftiger Speicherung deutlich über die gesetzlichen Fristen hinausreichen.
Tipp: Die Aufbewahrung bestimmter Datenbestände mag in vielen Fällen für das Unternehmen aus Eigeninteresse freiwillig erfolgen. Dennoch können für Mitarbeiter auch hierbei Archivierungspflichten bestehen. So müssen Geschäftsführer, Bereichs- und Betriebsleiter im Sinne des Unternehmens Daten archivieren, deren Fehlen sich nachteilig für das Unternehmen auswirken kann. Erleidet das Unternehmen aufgrund nicht vorhandener Dokumente einen wirtschaftlichen Schaden, so haftet unter Umständen der Mitarbeiter dafür.
Relevante Rechtsgrundlagen
Digitale Langzeitarchivierung – Wer welche Daten wie lange aufheben muss
Ein einheitliches Aufbewahrungs- und Archivierungsgesetz kennt das deutsche Recht nicht. Es gelten hingegen zahlreiche Bestimmungen, deren Relevanz für die eigene Geschäftspraxis jedes Unternehmen zunächst selbst feststellen muss. Eine Übersicht über die wichtigsten Aufbewahrungsvorschriften sortiert nach Geschäftsbereichen haben wir in einem PDF für Sie zusammengestellt. Anhand der Liste können Sie schnell feststellen, welche gesetzlichen Regelungen für Sie relevant sind.
Die wichtigsten Vorgaben finden sich zunächst im Handelsgesetzbuch. Die §§ 139, 238, 257 und 261 HGB verpflichten Kaufleute zur Aufbewahrung aller Unterlagen des Geschäftsverkehrs. Dazu gehören etwa die eingehende und ausgehende Geschäftskorrespondenz, Inventare, Bilanzen, Lageberichte, Buchungsbelege und zum Verständnis der Geschäftsprozesse erforderliche Arbeitsanweisungen und Organisationsunterlagen.
Steuerrechtliche Vorgaben finden sich in der Abgabenordnung, vor allem unter §§ 146, 147, 158 und 162 sowie im Einkommens-, Gewerbe-, Umsatz- und Körperschaftssteuergesetz. Danach müssen die elektronischen Daten in Bild und Inhalt mit den Originalen übereinstimmen. Sie müssen zudem während der laufenden Archivierungsfrist innerhalb angemessener Zeit abrufbar und maschinell auswertbar sein. Der elektronischen Buchführung spricht der Gesetzgeber eine Beweiskraft zu, wenn die digitale Archivierung den GDPdU (Grundsätze zum Datenzugriff und zur Prüfbarkeit digitaler Unterlagen) und den GOBS (Grundsätze ordnungsgemäßer DV-gestützter Buchführungssysteme) entspricht.
Weitere Vorgaben finden sich im Bereich des Zivilrechts. § 126a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) fordert für die elektronische Form etwa von Verträgen eine qualifizierte Signatur. In § 371a ZPO (Zivilprozessordnung) ist die Beweiskraft elektronischer Dokumente geregelt. Danach sind elektronische Dokumente, die mit einer qualifizierten Signatur versehen sind, Urkunden in ihrer Beweiskraft gleichgestellt. Das bedeutet jedoch nicht, dass digitale Daten ohne Signatur wertlos sind. Ihnen kann wenigstens ein Indizienwert zukommen. Dessen Würdigung ist jedoch im Streitfall vor Gericht dem verantwortlichen Richter überlassen.
Die Signaturverordnung sieht drei Arten von digitalen Signaturen vor, die einfache, die fortgeschrittene und die qualifizierte. Beweiskräftig ist jedoch nur die qualifizierte Signatur, die ausschließlich einem Signaturinhaber zuzuordnen ist und nachweislich sicher durch einen anerkannten Zertifikatsdienstanbieter (ZDA) ausgestellt wurde. Anforderungen an die Aktualisierung von Signaturen finden sich in § 17 SigV).
In der Regel ist davon auszugehen, dass die elektronischen Geschäftsdaten im Inland aufbewahrt werden. Doch in Zeiten des internationalen E-Commerce geht es auch anders: Die EU-Richtlinie 77/388/EWG in Verbindung mit 2001/115/EG fordert für die Aufbewahrung von elektronischen Rechnungen in EU-Mitgliedsstaaten, dass der Zugriff durch die Finanzbehörden gewährleistet sein muss (Art. 22a). Elektronische Rechnungen werden EU-weit akzeptiert, wenn Echtheit, Herkunft und Unversehrtheit des Inhalts (Art. 28) nachzuweisen sind.
Aufbewahrungsfristen und Säumnisstrafen
Digitale Langzeitarchivierung – Wer welche Daten wie lange aufheben muss
Wie lange Geschäftsdaten aufbewahrt werden müssen, ist je nach Berufsgruppe und Dokumentart zwar unterschiedlich, aber sehr konkret geregelt. Eine umfassende Übersicht der Aufbewahrungsfristen von A bis Z haben wir für Sie deshalb in einem PDF zusammengestellt. Abgabenordnung und Handelsgesetzbuch sehen für die meisten Dokumente eine Aufbewahrungsfrist von sechs oder zehn Jahren vor. Handels- und Geschäftsbriefe zum Beispiel müssen nach § 147 Abs. 3 AO sechs Jahre, Buchungsbelege zehn Jahre vorliegen. Nach § 14b UStG (Umsatzsteuergesetz) müssen Rechnungen über zehn Jahre lesbar aufbewahrt bleiben.
Auch das Medizinrecht fordert in § 10 Abs. 3 MBO-Ärzte eine Pflicht zur ärztlichen Dokumentation. Grundsätzlich ist nach gängiger Berufspraxis von einer Aufbewahrung von Patienten- und Behandlungsakten über zehn Jahre auszugehen, bei Röntgenberichten bis zu 30 Jahre (§ 28 Abs. 4 RöntgVO). Da Patienten zivilrechtliche Ansprüche gegen Ärzte zum Beispiel wegen Kunstfehlern auch 30 Jahre nach erfolgter Behandlung geltend machen können, sollten Mediziner alle Behandlungsakten beweiskräftig für 30 Jahre aufbewahren.
30jährige Aufbewahrung verlangt auch das Verwaltungsrecht für viele Dokumente. Sind etwa besonders langwierige Rechtsverhältnisse betroffen, wird eine noch längere Archivierung notwendig. Notarielle Urkunden müssen 100 Jahre vorgehalten werden, 50 Jahre durch den Notar und weitere 50 Jahre durch die Landesbehörde. Einträge bei Standesamts- und Grundstücksregistern müssen sogar ewig archiviert bleiben.
Wie weit die rechtlichen Verpflichtungen reichen können, zeigt ein Blick in das Gesetz zum Schutz der arbeitenden Jugend (JArbSchG). Nach § 41 sind Arbeitgeber, die Jugendliche zum Beispiel als Praktikanten beschäftigen, dazu verpflichtet, ärztliche Bescheinigungen bis zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres aufzubewahren und auf Verlangen vorzuzeigen. Scheidet der Jugendliche aus dem Betrieb aus, müssen die ärztlichen Bescheinigungen dem Jugendlichen ausgehändigt werden. Anders sieht es mit Unterlagen über das Beschäftigungsverhältnis aus. Gemäß § 50 JArbSchG zum Beispiel Akten mit Name, Beschäftigungsart und -zeiten
der Jugendlichen sowie Lohn- und Gehaltszahlungen bis zu zwei Jahre nach der letzten Eintragung aufbewahrt bleiben.
Risiken und Strafen
Digitale Langzeitarchivierung – Wer welche Daten wie lange aufheben muss
Unternehmer, die das Thema der digitalen Langzeitarchivierung bisher vernachlässigt haben, mögen die gesetzlichen Pflichten mitunter als Gängelung empfinden. Tatsächlich dienen sich jedoch vor allem dem Schutz des Geschäftslebens auf Seiten von Anbietern und Kunden gleichermaßen. Wer eine funktionierende und rechtskonforme Archivierung betreibt, schützt sich nicht nur vor straf- und berufsrechtlichen sowie prozessualen Konsequenzen, sondern minimiert auch finanzielle Risiken.
Das beginnt damit, dass die Finanzbehörde bei einer Verletzung der Aufbewahrungspflicht für Geschäftsunterlagen die Besteuerungsgrundlagen schätzen darf (§ 162 AO). Für die meisten Firmen erweist sich dies als steuerlich deutlich ungünstiger, als wenn alle erforderlichen Unterlagen etwa für Einkünfte und Abschreibungen vorliegen.
Für eine Verletzung der Buchführungspflicht sieht das Strafrecht zudem laut § 283b StGB eine Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder eine empfindliche Geldstrafe vor. Das trifft all diejenigen, die archivierungspflichtige Dokumente vor Ablauf der Aufbewahrungsfrist beiseite schaffen, verheimlichen, beschädigen oder zerstören und dadurch die Übersicht über den tatsächlichen Geschäftsstand erschweren.
Hinzu kommt die Gefahr durch Ansprüche von Kunden, Patienten und Geschäftspartnern. Nur wer seine Geschäftsdaten beweiskräftig und vollständig archiviert hat, ist für mögliche Rechtsstreitigkeiten gut gewappnet. Egal ob Kaufmann, Arzt, Rechtsanwalt, Steuerberater oder Handwerker – niemand ist vor unzufriedenen und klagewütigen Kunden gefeit. Da ein Arzt bis zu 30 Jahre nach einer Behandlung noch auf Kunstfehler verklagt werden kann, sollte er die relevanten auch solange beweiskräftig, also mit qualifizierter digitaler Signatur aufbewahren. Für die elektronische Buchführung reichen meist 10 Jahre. Sollten indes wichtige Belege fehlen, riskiert man, einen Gerichtsstreit zu verlieren.
Tipp: Auch wenn elektronische Dokumente ohne qualifizierte Signatur nach ZPO keinen urkundlichen Beweis darstellen, können sie als Indizien die Position vor Gericht stärken. Die Würdigung ist dem Richter jedoch freigestellt.
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