Chinesische Umweltschützer attackieren Apple

Schwere Vorwürfe gegen Apple erhebt eine Gruppe von chinesischen Umweltschutzorganisationen. Demnach duldet Apple, das seine chinesischen Fertigungsstätten und Zulieferer massive Verstöße gegen Umweltauflagen begehen. Dadurch würden nicht nur Wasser und Luft verschmutzt und schädliche Abfälle unkontrolliert entsorgt, sondern auch die Gesundheit der Mitarbeiter und der Anwohner gefährdet.
Die Umweltschützer kritisieren daneben, Apple würde Anfragen abblocken und nicht einmal Auskunft über seine Zulieferer geben.
Ausführlich dargestellt werden all diese Vorwürfe in einem Report des Institute of Public & Environmental Affairs (IPE), einer Non-Profit-Organisation mit Sitz in Peking. In einem 46-seitigen PDF-Dokument »The Other Side Of Apple II« werden detailliert die angeblichen Umweltsünden von Apples Zulieferern aufgelistet.
Die Autoren des Reports lassen aber keinen Zweifel daran, dass ihrer Meinung nach Apple der eigentlich Verantwortliche für die aufgezählten Umweltsünden ist.
Auch die iPad-Produktion ist betroffen
Die Liste der Verfehlungen reicht vom Austritt schädlicher Gase aus Fertigungsstätten über die Einleitung von Giftstoffen in Flüsse bis hin zur unkontrollierten Entsorgung von schwermetallhaltigen Abfallstoffen und anderes mehr. Betroffen ist auch die Fertigung von Apples derzeitigem Verkaufsschlager iPad.
Weiter kritisiert die IPE in ihrem Report, dass Apple in seiner Informationspolitik mauere. So blieben angeblich alle Hinweise und Anfragen der IPE oder anderer Umweltorganisationen nicht oder nur ausweichend beantwortet. Vor allem die Namen der Zulieferer will der Nobelhersteller aus Cupertino nicht offenlegen. Meistens beschränke sich der auf den lapidaren Hinweis: »Es ist unsere langfristige Politik keine Informationen über Zulieferer zu geben«.

So bleibt eine Schwachstelle des Reports, dass die Autoren bei der Nennung der Zulieferer vielfach auf Vermutungen angewiesen sind. Sie sind dann nicht hundertprozentig sicher, ob die jeweiligen Fertigungsstätten wirklich für Apple arbeiten. Dementsprechend ist oft vom »mutmaßlichen Zulieferer« die Rede.
Schwermetalle im See
Trotzdem ist die Fülle der Beispiele und Details beeindruckend oder besser gesagt: schockierend.
So wirft IPE beispielsweise dem Hersteller Meiko Electronics vor, dieser würde über einen 150 Meter langen Wasserkanal Giftstoffe heimlich in den See Nantaizi leiten.
Eine Gruppe von Umweltschützern sei dorthin gefahren und habe bei einer Bootsfahrt über den See bemerkt, dass die Farbe des Wassers grau sei, mit weißen Blasen darauf. Über den Kanal fließe eine milchige Flüssigkeit hinein. Eine spätere Analyse von Wasserproben habe ergeben, dass das Wasser hohe Konzentrationen von Schwermetallen wie Kupfer und Nickel enthalte.
Ätzende Gase im Kindergarten
Als weiteres Beispiel werden die Unternehmen Kaedar Electronics und Unimicron Electronics in der Provinz Kunshan, Jiangsu genannt. Die seien vermutlich für den Austritt von säurehaltigen Gasen verantwortlich. Anwohner des nahe gelegenen Dorfes Tongxin hätten sich seit Jahren über die unangenehme Gerüche in der Nähe der Fabriken beschwert und seien deswegen auch bei den lokalen Behörden vorstellig geworden.
Doch bis Mai 2011 hätte dies keinerlei Erfolg gezeitigt. Auch Anfragen der IPE an die Unternehmen seien unbeantwortet geblieben. Viele Anwohner klagten immer noch über Kopfweh und Übelkeit. Laut IPE besteht sogar der Verdacht auf eine deutlich gestiegene Krebsrate.

Explosion von Metallstaub bei Foxconn
Bei Foxconn, dem Unternehmen, das in den letzten Monaten durch eine Reihe von Selbstmorden unter den Arbeitern in die Schlagzeilen gelangt war, seien ebenfalls schädliche Gase entwichen. Diese seien in einer Lackiererei entstanden. Zudem hätte es am 20. Mai in der iPad-Fertigung eine Explosion gegeben. Dabei seien drei Arbeiter gestorben und 18 weitere verletzt worden. Ursache des Unglücks sei eine Verdichtung von Aluminium-Staub in der Luft gewesen, der dann durch einen elektrischen Impuls explodiert sei.
Verbleib von Giftmüll ungeklärt
Bei Ibiden, laut IPE einer der größten Hersteller von Platinen, würden täglich mehrere Tonnen Abfallstoffe mit Schwermetall wie Nickel und Kupfer entstehen. Eigentlich müsse jedes Unternehmen über die Entsorgung des Abfalls Buch führen und ausgefüllte Formulare bei den Behörden einreichen. Doch die entsprechenden Spalten in den Formularen über den Verbleib der Abfallstoffe seien bei Ibiden unausgefüllt geblieben, die Entsorgung damit ungeklärt.
Übelkeit im Kindergarten
Die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen. In dem Report scheut sich IPE auch nicht, geradezu rührselig wirkende Geschichten zu erzählen. Etwa die von dem kleinen Jungen, dessen Kindergarten an das Grundstück von Kaedar Electronics grenzt. Von der anderen Seite der Mauer komme immer ein unangenehmer Geruch rüber, erzählte er den Umweltschützern. Seine Mutter berichtet von Übelkeit, Benommenheit und Nasenbluten bei ihrem Sohn. Sie habe ihn aus Sorge um seine Gesundheit zu ihren Eltern schicken müssen.
Fünf Monate Recherche
Der IPE-Report hat eine Vorgeschichte. Schon im Januar 2011 hatten die Umweltschützer eine Studie mit dem Titel »The Other Side Of Apple« veröffentlicht. Apple hatte aber eine Stellungnahme abgelehnt und alle Anfragen zu den darin geschilderten Problemen unbeantwortet gelassen.
Deshalb hätten sich die Umweltschutzorganisationen entschlossen, die Untersuchungen noch einmal zu vertiefen und dann fünf Monate lang bei Zulieferern recherchiert.

Allerdings hatte Apple kurz nach der Veröffentlichung des ersten Berichts einen »Social Responsibility Report« veröffentlicht. Doch auch an dem lässt IPE kein gutes Haar. Der Report ist nach Meinung der chinesischen Umweltschützer nur der Versuch, Verantwortung auf die Zulieferer abzuschieben und sich ansonsten als »grünes« Unternehmen ins beste Licht zu setzen.
Lob für Siemens
Die IPE hat nicht nur die Zulieferkette von Apple, sondern auch die anderer Unternehmen unter die Lupe genommen. Lobend äußert sich IPE über Siemens, Vodafone oder Nokia. So achtet Siemens beispielsweise darauf, dass seine Zulieferer die Umweltauflagen auch tatsächlich einhalten. Betriebe, die durch Umweltsünden aufgefallen sind, werden daraufhin überprüft, ob sie inzwischen etwas geändert haben.
Insgesamt hätten Unternehmen wie Siemens, Vodafone oder Nokia wichtige Fortschritte hin zu einem verantwortungsvollen Management der Lieferkette gemacht.
Blamabel für Apple: Von den 29 untersuchten Unternehmen und ihren Zulieferern, die IPE unter die Lupe genommen hat, landet Apple auf dem 29. Platz.

Polemik und böse Kritik
Erklärt wird diese für die Umwelt ruinöse Politik einerseits mit der enorm hohen Nachfrage nach Produkten wie dem iPad. Diese setzt die Zulieferer massiv unter Druck. Sie müssen in sehr kurzer Zeit sehr viele Produkte produzieren. Kostspielige Maßnahmen wie die kontrollierte Entsorgung des Mülls geraten da unter die Räder. Angeblich wurde bei Foxconn eine Fertigungsstätte für das iPad sogar in der Rekordzeit von 76 Tagen hochgezogen. Noch während des Baus sei die Fertigung angelaufen.
Hinzu kommen die legendär hohen Gewinnmargen bei Apple, die nur durch niedrige Preise bei den Zulieferern erreichbar sind. Angeblich verdient Apple an einem iPhone 4 bis zu 360 US-Dollar, Zulieferer wie Foxconn erhielten pro Stück dagegen nur 6,54 Dollar. Auch dies nicht unbedingt eine gute Voraussetzung für nachhaltige Umweltpolitik.
Die Autoren des Umweltberichts sparen nicht mit harten Worten. So seien Apples »Social Responsibility Report« und die Selbstdarstellung im Web letztlich nur »heiße Luft«. Und ein Versuch die Verbraucher »in die Irre zu führen«. Auch die Audits, die der IT-Hersteller bei den Zulieferern durchführt, seien nichts weiter als der Versuch, die eigene Firmenpolitik »grün zu färben«. An andere Stelle ist von »blutbefleckten« Profiten die Rede.
Zudem werden die Kunden und Verbraucher aufgefordert, Apples Ökosünden nicht zu akzeptieren und Druck auf den Konzern auszuüben, damit dieser seine Umweltpolitik ändert.
Unfaire Kritik an Apple?
Genau dieser polemische Tonfall ist es aber auch, der nach der Lektüre einen Rest Skepsis lässt. So formulieren die Autoren teilweise sehr polemisch. Der scharfe Tonfall passt nicht unbedingt zu einem neutralen Bericht und lässt stellenweise auch leise Zweifel an den Intention der Autoren aufkommen.
Keine Kritik an Behörden
Auffallend ist auch, dass die in dem Report immer wieder erwähnten chinesischen Behörden ausgesprochen gut wegkommen und nirgendwo kritisiert werden. Diese, auch das geht aus dem Bericht hervor, sind offenbar seit Jahren über die angeblichen Zustände in den Fertigung im Bilde. Da heißt es immer wieder, Behördenvertreter oder Inspektoren wären erschienen, um mit der Firmenleitung die Umweltprobleme zu diskutieren. Sie hätten Geldstrafen auferlegt und eine sofortige Korrektur der Verstöße verlangt.
Doch noch härtere Maßnahmen wie zum Beispiel eine vorübergehende Betriebsschließung, bei akuter Gesundheitsgefährdung der Anwohner ja durchaus eine naheliegende Option, werden offensichtlich nicht ins Auge gefasst. Trotzdem üben die Umweltschützer keine Kritik an den chinesischen Behörden.

Apple gibt keine Stellungnahme ab
Wer als Verbraucher die Webseiten Apples zum Thema Ökologie und Nachhaltigkeit studiert, bekommt logischerweise einen gänzlich anderen Eindruck als bei der Lektüre des chinesischen Umweltreports. Glaubt man Apple, dann ist es dem Unternehmen ernst damit, die Umwelt in allen Phasen der Produktion zu schützen und die Rechte der Mitarbeiter zu schützen. Das gelte auch für die Zulieferer.
ITespresso hat Apple um eine Stellungnahme zu den Vorwürfen gebeten. Die Antwort kam schnell und bündig: »Apple gibt dazu keine Stellungnahme«, heißt es in einer E-Mail des Pressesprechers von Apple in Deutschland. Die Spekulationen und Vorwürfe lässt Apple anscheinend ungerührt an sich abprallen. Auch nicht unbedingt eine empfohlene Taktik aus dem Handbuch der Krisen-PR.
Der komplette IPE-Bericht ist ins Englische übersetzt auf den Seiten der IPE als PDF-Dokument nachzulesen. Apples CSR-Bericht ist ebenfalls als PDF-Dokument auf der Apple-Seite erhältlich.