Nokia Lumia 800 im Test

Der angeschlagene Handy-Experte wagt sich, gestärkt durch die Partnerschaft mit Microsoft, erneut in den Smartphone-Markt und erhofft sich, Platzhirschen wie Apple, HTC und Samsung Parole bieten zu können.
Mit Ecken und Kanten
IIn Sachen Design geht Nokia komplett neue Wege: Das Lumia 800 hat scharfe, nicht abgerundete Ecken. Damit schwimmt das Unternehmen gegen den derzeitigen Strom, denn die aktuellen Marktführer versuchen ihre Geräte so rund wie möglich zu gestalten. Die Vorderseite präsentiert sich minimalistisch – drei Windows Phone-typische, berührungsempfindliche Tasten, der Bildschirm sowie ein kleiner Schlitz, hinter dem sich der Lautsprecher verbirgt. Auf der Rückseite ist die 8-Megapixel-Kamera mit Carl-Zeiss-Objektiv angebracht, dazu zwei LED-Leuchten. Seitlich befinden sich die Lautstärke-Regler, die Kamerataste und der Ein-/Ausschalter. Einen besonders smarten Mechanismus hat sich Nokia für USB-Port und Micro-SIM-Kartenslot ausgedacht: Eine Wippe neben der 3,5mm Klinke gewährt Zugriff auf Micro-USB, schiebt man dann eine anliegende Klappe zur Seite, lässt sich die SIM-Karte im neuartigen Micro Format auswechseln.
Leider zeigen sich hier schon nach kurzer Zeit erste Ermüdungserscheinungen des Materials. Bei häufiger Betätigung des Mechanismus, und die ist nötig, denn das Lumia 800 muss fast täglich an die Steckdose, verzieht sich das weiche Plastik und weist eine deutliche Wölbung im geschlossenen Zustand auf. Auch vom restlichen Material kommt Nokia nicht an Mitbewerber wie HTC heran. Das neuartige Carbonat, aus dem das Gehäuse besteht, fühlt sich zwar angenehm weich an, ist aber schnell mit kleinen Kratzern übersäht, die deutlicher zu sehen sind als auf Aluminium.
Technik: Alles schon gesehen
Schon bei der Ankündigung hatte es das Lumia 800 schwer, die Android-verwöhnte Presse zu begeistern. Veraltete Hardware entwickelt sich langsam aber sicher zum Markenzeichen von Windows Phone. Im Nokia-Smartphone stecken ein 1,4 GHz Qualcomm Prozessor, 512 MB Arbeitsspeicher und ein 16 GByte großer, fest eingebauter Speicher. Auch der 1450 mAH starke Akku, der im Test knapp 22 Stunden hielt, lässt sich nicht auswechseln.
Der 3,7 Zoll kleine AMOLED-Bildschirm hingegen überzeugt. Die Farben sind kraftvoll und das Schwarz kommt, anders als es bei LCD der Fall ist, ohne Grauschleier aus. Beeindruckend: Nokia hat es geschafft, das schützende Glas fast nahtlos in die Front des Smartphones zu integrieren, was besonders der alltäglichen Nutzung zugute kommt. Bei Spielen ist der Bildschirm aber zu klein, ein Problem mit dem auch das iPhone zu kämpfen hat. Der monotone Lautsprecher enttäuscht auf ganzer Linie.
Ganz anders sieht es bei der Kamera aus. Das Carl Zeiss Objektiv macht tolle Fotos mit optimaler Farbsättigung, zumindest bei natürlicher Beleuchtung. Künstliches Bürolicht mag das Objektiv weniger. Die Auslösezeit der Kamera ist sehr gut, kommt aber nicht ganz an die neuen Smartphones von HTC heran.
Exklusive Inhalte sollen das Handy verkaufen
Da viele Mitbewerber bessere Hardware bieten, lockt Nokia Käufer mit exklusivem Content. Nokia Navigation, Nokia Karten und Nokia Musik bilden eine Suite an Apps und Diensten, die vorerst exklusiv für Käufer des Nokia Windows Phones bereitstehen. Nokia Navigation bringt eine kostenlose und, wie der Test gezeigt hat, zuverlässige Lösung. Die Sprachausgabe ist verständlich und deutlich, wenn auch ein wenig mechanisch.
Nokia Maps ist neben Bing eine weitere Karten-Lösung, um seinen Standort zu bestimmen oder eine Adresse zu suchen. Hierzu ist, anders als bei Nokia Navigation, eine permanente Internetverbindung nötig. Drei Darstellungen stehen dem Nutzer zur Verfügung: Satellit, eine von Google Maps bekannte, gezeichnete Karte und eine gezeichnete Karte mit Hinweisen zu öffentlichen Verkehrsmitteln. Ziele können auch als Kacheln auf dem Startbildschirm abgelegt werden, um bei wiederholter Benutzung noch einfacher aufgerufen zu werden.
Für Nokia Musik hat sich das Unternehmen etwas ganz besonderes ausgedacht. Kunden, die bereits bei Nokia Alben oder einzelne Songs gekauft haben, können die Musik auf das neue Windows Phone übertragen. Natürlich lassen sich auch neue MP3 Titel erwerben. Die Preise für einzelne Songs betragen 99 Cent und liegen damit auf dem Niveau von iTunes. Vor dem Kauf kann man einige Sekunden in jeden Titel hineinhören. Zusätzlich zeigt Nokia Musik kommende Konzerte samt Datum an. Die Daten werden durch GPS –Tracking auf die nähere Umgebung beschränkt.
Spendabler Lieferumfang
Spendabel zeigt sich Nokia beim Lieferumfang. Neben vielen Broschüren zum Gebrauch des Smartphones und Garantieleistungen befindet sich in der Box auch ein kabelgebundenes Headset von mittelmäßiger Qualität sowie ein Daten- und Ladekabel mit entsprechendem Adapter. Das Highlight stellt eine Silikonhülle dar, die sich eng um das Gerät schließt und Öffnungen für die wichtigsten Komponenten bietet.
Fazit
Das Nokia Lumia 800 sieht schick aus, wird es aber schwer haben, da der Preis von 500 Euro nicht gerade niedrig ist und für die gebotene Hardware recht hoch erscheint. Ob die exklusiven Nokia-Anwendungen als Kaufargument ausreichen, muss jeder für sich entscheiden. Fakt ist: das Lumia 800 enttäuscht nicht, bräuchte aber bessere Hardware oder einen niedrigeren Preis, um komplett zu überzeugen.