Werden Cloud-Dienste aus Deutschland zum Exportschlager?

T-Systems erklärte vor Kurzem, so viele internationale Cloud-Verträge wie nie zuvor abgeschlossen zu haben. Die Telekom-Tochter, die als erste mit ihrem “Exportschlager” deutscher Cloud-Dienste an die Öffentlichkeit ging, vermeldet einen rasanten Zuwachs bei internationalen Cloud-Verträgen und “Millionenumsätze im Ausland”. Zudem habe man im Bereich Cloud jetzt den “langfristigsten Vertrag in der Unternehmensgeschichte abgeschlossen”.
Auch andere Anbieter fahren mit dem Verkauf ihrer Dienste nicht schlecht: Wegen der hohen Anforderungen an Datenschutz und Sicherheit in Deutschland weiß man offenbar im Ausland die hiesigen Provider und Hoster zu schätzen. “Immer mehr Unternehmen weltweit nutzen Anwendungen, Rechen- und Speicherleistung ihrem Bedarf entsprechend über das Netz und zahlen dafür nach Verbrauch. Bis 2015 will Telekom-Vorstand und T-Systems-Chef Reinhard Clemens rund eine Milliarde Euro allein mit Cloud-Geschäften erzielen”, so Telekom-Sprecherin Martina Weidmann.

Die von mehreren Ausfällen bei den Amazon Web Services verschreckten Kunden wenden sich in diesem Bereich nun offenbar lieber konservativeren Anbietern zu. So können die oft übervorsichtigen Deutschen mit ihren Argumenten den experimentierfreudigeren US-Amerikanern durchaus Kunden abspenstig machen.
“Die Cloud designed in Germany entwickelt sich zum Exportschlager” frohlockt die Telekom-Tochter über Aufträge unter anderem aus Brasilien, der Schweiz und Singapur. Der Slogan “Cloud designed in Germany” sei doch inzwischen sogar schon so etwas wie ein Markenzeichen, meint Weidmann.
Die Auslagerung von Software, Rechenpower und Speicher betreibe man nun in 91 Rechenzentren weltweit – eben da, wo der Kunde es will. Immerhin seien es eigene Rechenzentren unter Aufsicht deutscher Ingenieure. So gesehen kann mit Fug und Recht “made in Germany” vermarktet werden.
Nicht nur bei den Firmenkunden ist die Telekom mit T-Systems “wolken-präsent”: Auch die Hosting-Tochter Strato vermarktet ihren Online-Speicher HiDrive zunehmend im Ausland. Das Handelsblatt vermeldet in diesem Zusammenhang, dass das Misstrauen gegenüber den vielleicht nicht ganz so sicheren Cloud-Speichern aus den USA für die Deutschen ein ziemlich gutes Verkaufsargument ist.

Dass die IT-Germanen wirklich so viel besser sind, bezweifelt Bernd Becker. Der Vorstandsvorsitzende von EuroCloud Deutschland, einer Cloud-spezifischen Tochter-Organisation des eco-Verbandes der Internetwirtschaft, erklärt in seinem Jahresrückblick 2012, dass der Cloud-Umsatzsprung wohl vor allem daran liege, dass das gewachsene Angebot “attraktiver und hochwertiger Cloud Services” aus Deutschland geholfen habe, Hürden in Unternehmen abzubauen und “die Chancen der Cloud” in die Realität umzusetzen.
“Die Cloud kennt keine Grenzen”
Doch Becker meint, man solle beim Abschluss von Cloud-Verträgen vorsichtig bleiben. Nicht alles, was deutsch aussieht, muss deutsch sein: “Die Cloud kennt keine Grenzen”. Der Trend gehe eher zu einer Vermischung der Dienstleister – da die Services häufig in länderübergreifenden Partnerschaften angeboten würden, arbeite der Kunde oft mit einer “wabernden Masse”, könne also nicht mehr abgrenzen, wo in der Wolke die Daten wirklich lägen.
So könnte ein deutscher Anbieter die Informationen des Kunden auch bei Amazon in den USA abgelegt haben – und damit lokales Recht umgehen. Für seine Daten ist aber der Kunde selbst verantwortlich. Da helfe nur, einen Auftragsdatenverarbeitungsvertrag mit dem Anbieter abzuschließen – dieser regelt dann, dass der Anbieter die Daten verwahrt und damit dafür verantwortlich ist, ergänzt Becker.

Ist der “Trend” zum deutschen Cloud-Anbieter also nur Makulatur? Nicht ganz, denn auch die internationalen “Cloud Awards” geben den Deutschen gute Noten für Daten- und Ausfallsicherheit. Sie zeichneten etwa nun die HOB GmbH & Co. KG in der Kategorie “Cloud Access” aus. Das Unternehmen bietet Lösungen für Unternehmen und Cloud-Provider, die sicheren VPN-Zugang auf Cloud-Dienste auch ohne Administratorrechte und technische Spielereien erlauben – Verschlüsselung, Compliance-Checks und Authentifizierung inklusive. Was noch weniger bekannt ist: HOB emuliert auch Großrechnerlösungen für IBMs Mainframe 3270 unter Windows 8, erlaubt das Benutzen virtueller und echter PCs im Firmennetz über das Internet (ein Browser genügt) oder gestattet sicheren Remote-Zugriff auf Macintosh-Computer, Windows-Rechner und das ganze Firmennetz.
Doch immer noch mahnt Becker trotz derartig guter Beispiele: Die deutsche Gründlichkeit als Argument für Cloud-Dienste aus Deutschland sollte mit Vorsicht verwenden. Zwar höre er in den europaweiten Eurocloud-Treffen häufig “wenn es in Deutschland passt, passt es auch bei uns”, doch Werbesprüche wie “Made and secured in Germany”, wie sie die Telekom noch vergangenes Jahr nutzte, seien irreführend.
Platz 3 für Deutschland bei “Cloud Readiness”
Die Mahnung hat genutzt: Inzwischen verwendet das Unternehmen nur noch “Cloud designed in Germany” als Wahlspruch. Über die Ausführung des Designs schweigt man sich lieber aus. Womit man letztendlich wieder am Kritikpunkt von Eurocloud-Mann Becker hängenbleibt, dass alles recht “vermengt” ist und die Cloud keine Grenzen kennnt.
Immerhin stehen deutsche Anbieter im internationalen Vergleich gut da: In einer Studie der Business Software Alliance zum Thema “Cloud Readiness” steht Deutschland im Ländervergleich direkt hinter Japan und den USA auf dem dritten Platz. Und da spielen professionelle Hilfen wie die von Eurocloud durchaus eine Rolle.

Eines will Becker deshalb noch anfügen: “So, wie der TÜV Autos auf ihre tatsächliche Fahrtüchtigkeit testet, muss das gleiche mit Cloud-Diensten stattfinden”. Dazu gibt es eine Lösung: Das “Eurocloud Star Audit”, eine Zertifizierung, die auf Vorgaben der europäischen Sicherheitsbehörde ENISA beruht.
Das “zuverlässige Deutsche” an den Cloud-Angeboten sollte also mit den passenden Audit-Labels abgesichert sein und mit Verträgen für die Daten-Verantwortung juristisch abgedichtet werden. Erst wenn sich mehr Cloud-Anbieter dafür entscheiden, beides anzubieten, ist die Tür frei für den wahren Export-Boom für die “deutsche Cloud”.
Da aber müssten wir schnell sein, hört man aus Beckers Know-how über das internationale Cloud-Geschäft heraus: Die Asiaten investieren moment massiv ins Cloud Computing, kaufen weltweit Cloud-Unternehmen und bauen derzeit nahe Peking das größte Rechenzentrum der Welt. Auch IBM baut bei den Chinesen mit. “Da dürfen Sie sich noch auf Einiges gefasst machen!”, so Becker.
Doch womöglich könnte die Angst vor dem chinesischen Überwachungstaat und die Sorge um den laxen Umgang der Amerikaner mit der Technik die deutschen Cloud-Dienstleister letztendlich noch einmal voranbringen. Um den “Exportschlager” Cloud aus Deutschland muss sich also niemand Sorgen machen.
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