Boxcryptor: Wie ein Augsburger Start-up die Cloud sicherer macht

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Die Bedingungen, ein eigenes Unternehmen zu gründen, haben sich in den vergangenen Jahren in Deutschland wesentlich verbessert. Nach jüngsten Angaben des Branchenverbands Bitkom flossen 2013 insgesamt 254,8 Millionen Euro in neue Geschäftsideen aus der IT- und Internetbranche. Das sind über sechs Prozent mehr als im Jahr zuvor. Gerade für die erste Phase bis ein erstes Produkt auf den Markt kommt, stehen staatliche und private Geldgeber zur Verfügung. Voraussetzung für den Zuschlag ist eine originelle, visionäre und nicht völlig realitätsferne Idee.

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Augsburg gilt nicht gerade als Talentschmiede für Start-ups der IT-Branche wie beispielsweise Berlin, mit durchschnittlich fünf Neugründungen pro Tag. Doch über Erfolg oder Misserfolg entscheidet meist nicht der Standort. Entscheidend ist eine Idee zum richtigen Zeitpunkt.

Schon während ihres Studiums war Andrea Pfundmeier(26), und Robert Freudenreich (29) klar dass sie selbst ein Unternehmen aufbauen wollten. Wie bei vielen Geschäftsideen hatten die beiden Gründer ursprünglich etwas ganz anderes vor. Zunächst wollten sie den Prozess zur Überprüfung digitaler Dokumente automatisieren. Dabei stießen sie auf ein Problem, das immer wieder diskutiert wird, seit es Cloud-Anwendungen gibt: Wie sicher sind Dokumente, wenn sie in einem Cloud-Speicher wie Dropbox liegen? Kann ein Dritter mitlesen? Auf welchem Server liegen die Daten? “Wir haben geglaubt, dass sich das Thema Cloud und insbesondere das Thema Cloud-Speicher durchsetzen wird, aber erst, wenn die Frage nach der Sicherheit gelöst ist”, sagt Andrea Pfundmeier.

Es ist schon erstaunlich, dass zwei junge Menschen über diese Fragen stolpern und sich ernsthafte Gedanken machen, welche Antworten es darauf gibt. Manch gestandenem Geschäftsführer ist noch nicht einmal klar, wie dünn das Eis ist, auf dem er sich bewegt, wenn er Daten in der Dropbox ablegt. Dass sie damit in Konflikt mit dem Datenschutzgesetz kommen könnten, gemäß dem personengeschützte Informationen nicht außerhalb Deutschlands gespeichert werden dürfen, wissen die meisten nicht und wenn sie es wissen, dann interessiert es nur oft nur marginal.

Die Lösung schien auf den ersten Blick sehr einfach zu sein: Die Daten müssen verschlüsselt werden. Daten zu verschlüsseln, ist erst mal kein großes Problem. Dazu gibt es viele Lösungen. Weitaus komplizierter ist es, die Software so zu programmieren, dass die Verschlüsselung auch für unterschiedliche Plattformen, mit verschiedenen Anbietern und auf mobilen Endgeräten von Cloud-Speichern funktioniert. Aus einem kleinen Dropbox-Prototypen entwickelte sich dann eine Geschäftsidee, denn das Potenzial der Lösung zeigte sich schnell. Über 1000mal luden Dropbox-Nutzer in der ersten Woche das Sicherheitsprogramm auf ihre Rechner, das sie im Dropbox-Forum bereit gestellt hatten. Boxcryptor war geboren.

Für den Start ins Unternehmertum erhielt Boxcryptor beziehungsweise die hinter dem Produkt stehende Secomba GmbH, ein 100.000 Euro Exist-Gründerstipendium vom Bundeswirtschaftsministerium. Für den Anfang ganz ordentlich, doch um ein Produkt im Markt zu etablieren, das niemand kennt, ist das zu wenig. “Uns war schnell klar, dass wir nur erfolgreich sein werden, wenn das Produkt international verfügbar ist. Und um konkurrenzfähig zu sein, mussten wir sehr schnell wachsen”, erklärt Andrea Pfundmeier. Das wiederum bedeutete: Mehr Kapital.

Andrea Pfundmeier und Robert Freudenreich von Boxcryptor (Screenshot: ITespresso)

Ein halbes Jahr war die 26-jährige auf der Suche nach Geldgebern. Am Ende stand die Qual der Wahl aus sieben Sponsoren und einer Kaufoption. Letzteres kam allerdings nicht in Frage. “Wir wollten das selbst aufziehen und unsere Vision verwirklichen, Trustprovider zu werden, wenn man an die Cloud denkt”, sagt Pfundmeier selbstbewusst.

Die Entscheidung fiel auf Business Angels, ein deutsches Netzwerk aus Kapitalgebern, das vor allem in Start-ups investiert. Mit der 500.000 Euro Finanzspritze stockte man vor allem das Team auf. Mittlerweile arbeiten bei Boxcryptor 14 Angestellte. Die meisten davon sind Techniker, die das Produkt erweitern und verbessern.

Mitte vergangenen Jahres lancierte Boxcryptor die erste kostenpflichtige Business-Version im jährlichen Abonnement. Die private Nutzung ist nach wie vor kostenlos. Die Prognosen für weiteres Wachstum sind gut. Mittlerweile steht das Unternehmen knapp vor dem Break-Even-Punkt, der Anteil an Geschäftskunden beträgt 40 Prozent und umfasst sämtliche Wirtschaftsbereiche. 2012 räumte Boxcrytor zusätzlich einige Auszeichnungen ab, 2013 gewann man den Gründerpreis der Wirtschaftswoche. Für 2014 steht eine neue Sicherheitslösung für Software aus der Cloud an. Einen Prototypen gibt es bereits.

Die Geschichte liest sich wie eine makellose Bilderbuchkarriere, die ihren natürlichen, erfolgreichen Lauf nimmt. Doch selbstverständlich war der Aufstieg nicht. “Wir hatten ein neues, unbekanntes Produkt und keine Garantie, ob der Markt es annehmen wird”, sagt Pfundmeier. Insbesondere die Umstellung auf ein Lizenzmodell mit jährlichen Gebühren bereitete ihr Sorgen: “Das war ein kritischer Moment. Wir wussten nicht ob unsere Kunden dazu bereit waren. Doch jetzt haben wir die wildesten Zeiten überstanden.”

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Die Boxcryptor-Rechteverwaltung unter Mac OS X (Screenshot: Secomba GmbH).

Zudem half dem Unternehmen die öffentliche Aufmerksamkeit durch den Abhörskandal, den der amerikanische Whistleblower Edward Snowden aufdeckte. Sicherheit wurde plötzlich zu einem Problem, von dem jeder betroffen sein konnte. Nach einer aktuellen Bitkom-Trendumfrage ist Sicherheit 2014 das Top-Thema für Unternehmen. Es verdrängte damit Cloud Computing, den Dauerspitzenreiter der vergangenen Jahre. “Der Abhörskandal hat dass das Bewusstsein für Sicherheit deutlich gesteigert”, bestätigt auch Pfundmeier. Im Zuge dessen begannen auch die Medien vermehrt über die Probleme und Lösungen zu berichten, auch jene, die nicht zur Fachpresse zählen.

Für viele Start-ups, die wie Boxcryptor die ersten schwierigen Hürden genommen haben, steht der nächste Schritt an: Die Bekanntheit des Produkts zu steigern und Geld zu verdienen. Dazu ist meist ein größerer Kapitalbedarf nötig, der je nach Geschäftsmodel schnell in die Millionen geht. In internationalen Vergleich schneidet Deutschland hier nicht besonders gut ab. In anderen Ländern wie den USA oder Israel stehen jungen Unternehmen eine Vielfaches an Venture Capital zur Verfügung. Kapital ist sicherlich die Grundlage für Wachstum. Manchmal gehört einfach auch ein bisschen Glück dazu und das richtige Produkt zur richtigen Zeit zu haben.

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