NFC-Pioniere erhalten Europäischen Erfinderpreis 2015

Ihn teilen sich der Österreicher Franz Amtmann und der Franzose Philippe Maugars von der niederländischen Firma NXP Semiconductors. Der Preis wird vom Europäischen Patentamt vergeben. Dessen Präsident Benoît Battistelli lobt NFC als die Technologie, die Smartphones zu multifunktionalen Tools mache, in denen zahlreiche Funktionen miteinander verschmelzen. Außerdem gehört Kornelis Schouhamer Immink, der “Vater der CD”, zu den Finalisten.
Der Österreicher Franz Amtmann und der Franzose Philippe Maugars haben gestern den vom Europäischen Patentamt vergebenen Europäischen Erfinderpreis 2015 in der Kategorie Industrie erhalten. Beide Preisträger arbeiten bei der niederländischen Firma NXP Semiconductors und haben im Rahmen ihrer Tätigkeit dort im NFC-Umfeld insgesamt sechs Patente angemeldet.

Mit dem Europäischen Erfinderpreis sollen Erfinder geehrt werden, deren Innovationen einen herausragenden Nutzen für die Menschheit haben. Den sieht Patentamtspräsident Benoît Battistelli durch die Entwicklungen von Amtmann und Maugars durchaus gegeben: “NFC eröffnet eine Vielzahl neuer Nutzungsoptionen für Smartphones, Tablets und andere mobile Endgeräte. Zahlreiche Funktionen verschmelzen in einem einzigen, multifunktionalen Gerät. NFC birgt einen immensen gesellschaftlichen Nutzen: Die Technologie eröffnet vielseitige Perspektiven, direkt mit der Umwelt zu interagieren – und revolutioniert damit die moderne Welt der Kommunikation.”
NFC-Chips gehören heute zumindest in Mittelklasse-Smartphones zur Standardausrüstung. Sie sind inzwischen in jedem dritten Mobiltelefon verbaut, das auf dem Markt erhältlich ist. Sie eröffnen dem Besitzer überall dort, wo Daten zwischen Mobilgeräten oder von Mobilgeräten zu fest installierten Geräten, wie Kassenterminals oder Steuerungssystemen, etwa bei Smart-Home-Szenarien, neue Anwendungsfelder. Smartphones werden damit auch zur digitalen Geldbörse, zum Zugangstool zu gesicherten Bereichen oder in absehbarer Zeit auch im Zusammenhang mit dem Internet der Dinge und Industrie 4.0 zur Steuerung, Zertifizierung und Erkennung genutzt werden können. Mittelfristig werden NFC-Tags aber auch in andere Geräten Einzug halten – und vielleicht sogar in Produkten, etwa Kleidungsstücken, die bislang ohne Technik auskamen.
Grundlage für NFC sind etablierte Verbindungstechnologien. Dazu zählen RFID und MIFARE. Letzteres ist eine kontaktlose Chipkartentechnik, die ein Team um Franz Amtmann in den 1990er Jahren entwickelte. Die Übertragung der stets verschlüsselten Daten setzt lediglich ein schwaches elektromagnetisches Feld voraus. Da der Maximalabstand für einen erfolgreichen Datentransfer zehn Zentimeter beträgt sind NFC-Verbindung auch ziemlich abhörsicher. Ein weiterer Vorteil ist, dass nur eines der beiden kommunizierenden Geräten mit Energie versorgt sein muss, um die Interaktion zu gewährleisten. Das ist bei WiFi oder Bluetooth anders.
Der Europäische Erfinderpreis wurde dieses Jahr in 15 Kategorien vergeben. Ein deutscher Preisträger war nicht dabei. Weitere Finalisten sind der Schwede Gunnar Asplund für seinen Beitrag zur Übertragung von Hochspannungsgleichstrom über weite Strecken unterirdisch und ohne nennenswerte Verluste (das dürfte insbesondere die Bayerische Staatsregierung interessieren) sowie mit John Elvesjö und Mårten Skogö ebenfalls zwei Schweden. Sie habn es durch die Erfindung des Eyetracking, das in Produkten der Firma Tobii Technology zum Einsatz kommt, geschafft.
Der Niederländer Kornelis Schouhamer Immink in der Kategorie “Lebenswerk” nominiert. Das von ihm erfundene EFM-Verfahren ermöglichte die Entwicklung der ersten CD 1982 und darauf aufbauend auch von DVDs und der Blu-ray Disc im Jahr 2006. Insgesamt basieren auf der Erfindung des heute 68-Jährigen aus Rotterdam über tausend Patente.

Kornelis Schouhamer Immink begann seine Karriere 1967 in der Forschungsabteilung von Philips, die damals mit einer Technologie für Laser-Discs experimentierte, die 1966 vom Amerikaner James T. Russel patentiert worden war. Die darauf basierende Videodisc in Schallplattengröße war jedoch ein kommerzieller Misserfolg. Immink arbeitete 1974 daran, das Prinzip auf eine kleinere Platte zu übertragen.
Das größte Problem war dabei die Codierung: Da Laser statt Nadel zum Einsatz kamen, mussten die mechanischen Schwingungen durch einen binären Code ausgedrückt werden. Die Oberfläche der CD stellt den durch Erhebungen und ebene Flächen dar. Allerdings konnte das damals nur schwer ausgelesen werden und waren Staub, Fingerabdrücke und Kratzer auf der Oberfläche ein enormes Problem.
Das löste Immink durch das EFM-Verfahren (Eight-to-Fourteenth Modulation). Dabei werden jeweils 8 Bit in ein Bitmuster mit 14 Bit umgesetzt. Indem der binäre Code in kürzere Abschnitte unterteilt wird, lässt er sich leichter und fehlerfreier auslesen. Zweiter Geniestreich von Immink: Die Steuerkomponente (Digital Sum Value). Damit erkennt das Lesegerät, an welcher Stelle es gerade arbeitet und kann von einem zum anderen Titel springen.

Den europäischen Erfinderpreis für sein Lebenswerk erhielt mit Andreas Manz allerdings ein Schweizer. Ihm verdanken wir die Chiplabortechnologie. Damit lassen sich komplexe medizinische, biologische und chemische Analysen auf Mikrochips schnell und effizient durchführen. Der Laudatio zufolge hat der “Pionier auf dem Forschungsgebiet der Mikrofluidik damit den Weg für eine Point-of-Care-Diagnostik geebnet, die heute weltweit zur Anwendung kommt.” Eine bahnbrechende Variante des Chiplabors von Manz sei zum Beispiel die Nutzung als DNA-Schnelltest zur Prävention von Erbkrankheiten.
Europäischer Erfinderpreis 2015: Finalisten und Gewinner

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