IT-Websites: viel Lärm, wenig Nutzen

Hightech-Anbieter modernisieren regelmäßig ihren Internetauftritt. Dazu gehören meistens neues Design und schicke Multimedia-Elemente. Doch dabei geht genau das verloren, was Internetnutzer suchen: klare Infos und Nutzwert. ITespresso-Autor Mehmet Toprak ärgert sich über läppische Videoclips und wildgewordene Menüleisten.
Es gibt Aufgaben, die sehen einfach aus, sind aber überraschend schwierig. Und je länger man sie macht, desto schwieriger werden sie. Dazu gehört zum Beispiel der Aufbau einer übersichtlichen und bedienfreundlichen Website. Gerade für die großen IT-Konzerne sollte das eigentlich eine leichte Übung sein, schließlich sind sie hier sozusagen auf heimischem Terrain. Sie müssen im Prinzip nur festlegen, welche Inhalte auf die Webseite sollen, diese in eine Struktur bringen, eine bedienfreundliche Navigation bauen und das Ganze in ein Design verpacken. Das Design sollte zum Image des Unternehmens und zum Zeitgeist passen, aber die Funktionalität nicht beeinträchtigen.
Aber wer sich die Internetseiten von Hightech-Unternehmen ansieht merkt schnell, dass diese Aufgabe für viele Konzerne eine fast unlösbare Herausforderung darstellt. Denn der Informationsgehalt der Seiten verschwindet seit einiger Zeit immer mehr unter einem Wust von Multimedia-Elementen und optischen Spielereien. Und je länger es diese Websites schon gibt, desto schlimmer wird es. Für den Besucher solcher Homepages sieht das aus wie Pfusch am Bau.
Design schlägt Information
Ein Beispiel hierfür ist der Internetauftritt von Sony. Die kantige Optik sieht auf den ersten Blick gut aus. Sie erinnert an die Kacheln von Windows 8. Riesige Bilder, dazwischen oft große Leerflächen, manche Schriften dazwischen sind wiederum sehr klein. Man scrollt eine Zeitlang, bis man unten angelangt ist. Die Seiten orientieren sich am Design, nicht am Nutzwert. Und durch die überdimensionierten Bilder fällt dem Betrachter die Orientierung schwer.
Wer geht auf eine Hightech-Website, um sich an der schönen Optik zu laben? Die meisten Nutzer suchen Infos über Technik oder Produkte. Und die sind bei Sony im neuen Design schwerer zu finden als früher.
Wenig Übersicht bei Lenovo
Viele Webseiten sehen ähnlich aus. Beispielsweise bei Lenovo. Riesige Bildflächen zwingen zum langen Scrollen und der Anwender benötigt viele Klicks, bis er zu den interessanten Infos vorstößt. Dazwischen natürlich die unvermeidlichen Videoclips. Wer sich für ein Produkt interessiert, möchte sicher auch Fotos oder Videos betrachten. Das sollten aber aussagekräftige Fotos und informative Videos sein. Zum Beispiel Detailfotos, die einen Eindruck vermitteln, wie sich das Produkt wirklich anfühlt. Hochglanzfotos und Werbevideos ohne Aussagekraft will im Internet keiner, dafür gibt es ja das Fernsehen.

Zugestanden sei den Herstellern, dass sie ihre Produkte im besten Licht darstellen wollen. Das ist völlig legitim. Aber wenn all der Hochglanz den Informationsgehalt überstrahlt, ist das ein Schritt zuviel.
Insgesamt verströmt der Webauftritt von Lenovo zwar jede Menge zeitgeistiges Flair, er wirkt bei genauerer Betrachtung aber unübersichtlich. Ist man endlich bei den Produktseiten angelangt, erblickt man eine verwirrend strukturierte Seite im Kraut-und-Rüben-Stil.

Eines des besseren Beispiele ist der Webauftritt von Panasonic. Die Seiten für Consumer-Produkte, also etwa für Digicams und Camcorder, sind einigermaßen übersichtlich. Fotos, technische Daten, Preise – alles da. Allerdings sind die Elemente oft noch etwas verschachtelt, was wiederum eine Menge Herumgeklicke erfordert. Scrollt man beispielsweise bei einer Produktseite nach unten, folgen Posten wie “Kundenbewertung” und “Gesamtbewertung”, die aber zumeist leer sind und nur Platz wegnehmen.
Etwas besser auch die Seiten von Intel. Hat man sich erst mal aus der mit Werbung volltapezierten Startseite in die Rubriken hineingeklickt, kommt man eigentlich ganz gut klar. Allerdings trifft man auch bei Intel auf die weitverbreitete Unsitte, bestimmte Seiten direkt von der englischsprachigen US-Seite zu übernehmen. Hat Intel vielleicht nicht genügend Geld, um diese Texte ins Deutsche zu übersetzen?

Anwender als Website-Dompteur
Sehr beliebt bei Website-Machern sind die autoaktiven Menüleisten am oberen Rand. Nähert sich eine Maus, klappt die Leiste auf und zeigt alle Unterkategorien. Just in dem Moment, in dem man auf eine Kategorie klicken will, geht die Menüleiste wieder zu. Das nervt.
Immer wieder schön auch die Fotos, die sich unaufgefordert öffnen, wenn man mit der Maus versehentlich drüberfährt, und die dann den Text verdecken. Oder die kastenförmigen Info-Elemente, die unaufgefordert ins Bild rutschen. Nein, danke, ich will auch nicht an einer Umfrage zur Qualität dieser Website teilnehmen. Ich hoffe, Sie wissen selbst, wie eine handwerklich ordentlich gebaute Website aussieht.
Man kommt mit dem Wegklicken und Beiseiteschieben gar nicht mehr nach, so schnell tauchen diese Störaktionen auf. Der Website-Besucher wird zum Multimedia-Dompteur, der aggressive Web-Skripte unter Kontrolle halten muss.

Verbesserungswürdig: HP, Cisco und Dell
Solche Internetauftritte sind auf den ersten Blick schön anzusehen, aber letztlich ein Albtraum für alle, die nach Informationen suchen und dabei nicht von hyperaktiven Videoclips oder wildgewordenen Menüleisten abgelenkt werden wollen.
Doch weiter im Rundgang durch die Welt der gescheiterten Websites. Nächste Station: HP. Hier fallen beispielsweise die kryptischen Produktbezeichnungen auf. “HP ENVY 13-j001ng x2 Detachable-PC”. Ein anderer typischer Fehler: Fährt man mit der Maus über das Produktfoto, erscheint plötzlich ein großes Foto, das den Produkttext daneben verdeckt.

Nicht viel besser macht es Cisco. Klickt man hier auf eine Produktkategorie, erscheinen die weiteren Produktinfos auf Englisch. Will Cisco kein Geld für ordentliche Übersetzer ausgeben? Oder ist der deutsche Markt einfach nicht wichtig genug?

Das Prädikat “Gar nicht mal so schlecht” würde ich Dell verleihen. Aber auch hier klickt der Besucher ganz schön herum, bis er wirklich alle Infos beisammen hat. Für meinen Geschmack sind das immer noch ein paar Mausklicks zuviel.

Apple macht es richtig
Deutlich besser macht es wieder mal Apple. Klar, bedienerunfreundlichen Murks wie bei der IT-Konkurrenz aus der Windows-Welt kann sich Apple nicht leisten. Da hat der Hersteller von iPhone und iPad einen Ruf zu verlieren. Außerdem hat Apple deutlich weniger Produkte als Dell, Cisco oder Microsoft, da fällt es leichter, übersichtlich zu bleiben.

Aber die Apples-Seite ist einfach gelungen. Sie ist zwar letztlich auch nur eine einzige Werbeveranstaltung, aber wenigstens übersichtlich und klar strukturiert. Außerdem macht Apple sich die Mühe, alles ins Deutsche zu übersetzen. Deutsch sprechen auch solche Seiten, die der Besucher erst nach einigen Klicks erreicht, etwa die Seiten, auf denen die Umweltaktivitäten dargestellt werden. Oder die Support-Seiten. Bei Microsoft hingegen landet der Nutzer ganz schnell auf englischsprachigen Support-Seiten.
Glücklich ist nur der Art Director
Woran liegt es, dass die wenigsten Hersteller es schaffen, einen Internetauftritt zu bauen, der bedienfreundlich, informativ und nutzwertig zugleich ist? Das wäre doch die beste Eigenwerbung.
Eine Ursache hierfür ist möglicherweise, dass die Hersteller oftmals den Webauftritt modernisieren, dabei Farben, Schriften, Grafikelemente überarbeiten, und neue Themen ergänzen, aber viele alte Seiten und Unterseiten einfach so belassen, wie sie sind. Am auffälligsten ist das bei HP: Da kann der Besucher mit ein paar Klicks Dekaden von Coporate Design nachvollziehen. Das ist auch interessant, aber eben meist nicht das Ziel.
Meist fehlt offenbar der Mut (oder das Budget?), gründlich auszuräumen und zu renovieren. Oder der Mut im Sinne der vielbeschworenen Kundenfreundlichkeit, die Priorität auf den Nutzwert zu legen und weniger auf spektakuläre Optik. Sowas macht in der Regel nur den Art Director der Agentur glücklich, die den neuen Webauftritt für viel Geld gestaltet hat.
Vielleicht sollten die IT-Konzerne einen Blick auf Amazon werfen. Einer der Ursachen für den Erfolg des Online-Versandhauses dürfte die klar strukturierte Website sein – und vor allem der Verzicht auf jeglichen Online-Schnickschnack.