Kabelnetzbetreiber: Tele Columbus kauft Primacom

Deutschlands drittgrößter Kabelnetzbetreiber übernimmt damit für 711 Millionen Euro den viertgrößten. Dessen Finanzchef hatte erst kürzlich noch großspurig Übernahmepläne anderer Firmen angekündigt. Jetzt geht sein Unternehmen schon am 31. Juli in dem größeren Wettbewerber auf.
Primacom wird vom Wettbewerber Tele Columbus aufgekauft. Der bezahlt dafür 711 Millionen Euro. Damit geht Deutschlands bisher viertgrößter Kabelnetzbetreiber in den Besitz des drittgrößten über. Die Transaktion soll schon am 31. Juli abgeschlossen sein.
Peinlich ist die Transaktion für Jens Müller, den Finanzchef von Primacom: Vor gut fünf Wochen tönte er im Interview noch “Wir sind der aktive Marktkonsolidierer” und kündigte weitere Zukäufe seines Unternehmens an. Größte Akquisition für Primacom war im April 2014 der Kauf der DTK-Gruppe, damals der sechstgrößte Anbieter von Breitbandinternet, HD-Fernsehen und Festnetztelefonie in Deutschland, letzter Aufkauf der des kleinen Anbieters TV Service GmbH mit lediglich 2700 versorgten Wohneinheiten in Halle an der Saale. Die Frage, was sich Müller bei seinem Interview gedacht hat oder ob er schlichtweg ahnungslos war, bleibt offen.
Ronny Verhelst, CEO von Tele Columbus, bezeichnet die Übernahme nun jedenfalls als “zukunftsweisende Transaktion für Tele Columbus”. Die Netze von Tele Columbus und Primacom ergänzen sich seiner Ansicht nach hervorragend und die Ausrichtung der Unternehmen auf die wohnungswirtschaftliche Kundenbasis sei vergleichbar. Daher besitze “diese Zusammenführung eine große strategische und wirtschaftliche Logik”, erklärt Verhelst in einer Pressemitteilung.
Primacom bedient derzeit rund 1,2 Millionen Haushalte. 2014, erwirtschaftete das Unternehmen mit 450 Beschäftigten und Sitz in Leipzig einen Umsatz von 132 Millionen Euro und erreichte ein EBITDA von 55 Millionen Euro. Tele Columbus, das bislang 1,7 Millionen Haushalte bedient, kann seine Kundenbasis damit also nahezu verdoppeln.
Da die Übernahme keiner Zustimmung der Kartellbehörden bedarf, ist ein Scheitern unwahrscheinlich. Dieses Schicksal ereilte nämlich die geplante Übernahme von Tele Columbus durch Kabel Deutschland vor gut drei Jahren. Kabel Deutschland wollte damals rund 618 Millionen Euro bezahlen. Dass jetzt die deutlich kleinere Primacom 711 Millionen Euro wert ist, zeigt den gestiegenen Wert eines einzelnen Kunden in den vergangenen drei Jahren. Rein rechnerisch sind das im Fall von Primacom rund 593 Euro.
Die Entwicklung der erst seit Juni im SDAX notierten Tele-Columbus-Aktie zeigt ebenfalls, dass der Preis nicht zu hoch ist: Sie schnellte zunächst um über 7,7 Prozent auf 13,60 Euro nach oben. Der SDAX insgesamt kletterte um 1,34 Prozent.
Offen bleibt die Frage, wie es jetzt im Markt der Kabelnetzbetreiber weitergeht. Interesse an Tele Columbus wird seit einiger Zeit schon Liberty Global nachgesagt, das in Deutschland bereits mit Unitymedia vertreten ist. Und im Sommer vergangenen Jahres erklärte Niek Jan van Damme, Deutschlandchef der Deutschen Telekom, dass er es sich durchaus vorstellen könne, dass die Telekom im Zuge des Netzausbaus kleinere Kabelanbieter wie Tele Columbus oder Primacom kauft. Für beide Konzerne dürfte der nun größere Brocken zwar attraktiver, aus regulatorischer Sicht aber auch schwieriger zu schlucken sein.
Beobachter rechnen daher eher damit, dass sich Tele Columbus durch Zukäufe noch vergrößert. Als heißester Kandidat gilt dabei Pepcom, ein Verbund aus zwölf regionalen Kabelnetzbetreiber. Auch hier liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf der Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft. Pepcom beschäftigt über 250 Mitarbeiter und versorgt rund 850.000 Haushalte. Nimmt man einen ähnlichen Wert pro Haushalt wie bei Primacom an, kommt man auf einen Unternehmenswert von gut 503 Millionen Euro – was aber natürlich nur eine theoretische Überlegung ist, da nicht nur die Zahl der Kunden, sondern auch die Struktur des Unternehmens zu berücksichtigen ist.
Ungewiss ist zudem, was aus dem von Primacom im Mai angekündigten Aufbau eines Geschäftskundenbereichs wird. Damit sollten speziell kleine und mittelständische Gewerbetriebe, Büros, Ladengeschäfte und Praxen angesprochen werden. Dieser Aspekt wird in der Übernahmeankündigung nicht erwähnt. Der dort betonte Schwerpunkt auf der Zusammenarbeit mit der Wohnungswirtschaft lässt aber befürchten, dass die Pläne nicht weiterverfolgt werden. Aus Sicht der potenziellen Kunden ist das bedauerlich, da Breitbandzugänge via Kabelnetz für viele von ihnen sicher in Hinblick auf Preis und Leistung sicher eine interessante Alternative gewesen wären.