Deutschlands Osten droht beim Breitbandausbau abgehängt zu werden

BreitbandNetzwerke
Router (Bild: Shutterstock / Zsolt Biczo)

Während in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen wenigstens noch knapp die Hälfte der Haushalte bis zu 50 MBit/s bekommt, sind es in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg deutlich unter 40 Prozent. Stefan Heng, Senior Economist bei Deutsche Bank Research, sieht darin einen deutlichen Standortnachteil und fürchtet, dass sich die digitale Spaltung der Bevölkerung verstärkt.

Bei den regelmäßigen Berichten von Akamai zum Stand der Breitbandversorgung sowie in Berichten von Organisation wie dem FTTH Council, einer Lobby-Gruppe für den Glasfaserausbau, schneidet Deutschland im internationalen Vergleich, was die Versorgung mit Breitbandanschlüssen angeht, seit Jahren regelmäßig bestenfalls mittelmäßig ab. Daran haben auch die ebenso regelmäßig wiederholten Absichtserklärungen der Politiker, den Breitbandausbau fördern zu wollen, nichts geändert.

Allerdings ist die Situation noch viel gravierender, als es diese, immer auf die gesamte Staatsfläche bezogenen Berichte vermuten lassen. Denn während einige Bundesländer, etwa Nordrhein-Westfalen, aber auch Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg, zumeist vergleichsweise gut versorgt sind, sieht es in anderen, insbesondere Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen besonders düster aus. Dort können derzeit nicht einmal 40 Prozent der Haushalte die von der Politik als künftige Untergrenze ausgegebenen 50 MBit/s bekommen.

“Bei der Überbrückung systemimmanenter Wirtschaftlichkeitslücken muss der Staat einspringen, wenn auch solche Projekte vorankommen sollen. Die zusätzlich über den Bundeshaushalt und die aktuellen Erlöse aus der Digitalen Dividende II bereitgestellten Fördergelder sollten Impulse für den Ausbau setzen”, fordert daher jetzt Stefan Heng, Senior Economist bei Deutsche Bank Research.

Heng gibt allerdings auch zu bedenken, dass trotz staatlicher Hilfen immer auch klar sein, müsse, “dass der Ausbau nur dann überhaupt profitabel sein kann, wenn zu den modernen Netzen auch die modernen Dienste hinzukommen.” Ihm zufolge liefert Deutschlands Mittelmäßigkeit bei der Breitbandversorgung “durchaus Anlass zur Sorge um das absehbare ökonomische Potenzial und damit auch um die gesellschaftlichen Entwicklungen der Volkswirtschaft.”

Im The State of the Internet Report von Akamai rangiert Deutschland in der Liste der Länder mit den schnellsten Internetzugängen lediglich auf Platz 31. Der Durchschnitt hierzulande liegt bei 8,7 MBit/s. An der Spitze stehen dort Südkorea (25,3 MBit/s) und Hong Kong (16,3 MBit/s). Aber auch in den Nachbarländern, etwa der Schweiz (14,5 MBit/s) den Niederlanden (14 MBit/s) und der Tschechischen Republik (12,3 MBit/s) gehen die Nutzer im Durchschnitt deutlich schneller ins Netz (Grafik: Statista).
Im “The State of the Internet Report” von Akamai rangierte Deutschland im Januar in der Liste der Länder mit den schnellsten Internetzugängen lediglich auf Platz 31. Der Durchschnitt hierzulande liegt bei 8,7 MBit/s. An der Spitze stehen dort Südkorea (25,3 MBit/s) und Hong Kong (16,3 MBit/s). Aber auch in den Nachbarländern, etwa der Schweiz (14,5 MBit/s) den Niederlanden (14 MBit/s) und der Tschechischen Republik (12,3 MBit/s) gehen die Nutzer im Durchschnitt deutlich schneller ins Netz (Grafik: Statista).

Die Politik hat zwar ambitionierte Ziele zum Breitbandausbau in der Fläche formuliert, allerdings sind Zweifel daran, ob die realistisch sind, durchaus angebracht. Die EU-Kommission will, dass bis 2020 alle Haushalte mindestens eine Downloadgeschwindigkeit von 30 MBit/s erhalten, mindestens die Hälfte soll sogar mit wenigstens 100 MBit/s surfen können. Die Bundesregierung hat als Ziel ausgegeben, dass in Deutschland bis 2018 alle Haushalte mit mindestens 50 MBit/s angeschlossen werden. Nach Schätzungen des TÜV Rheinland könnte dies, je nach technischer Ausführung, mehr als 90 Milliarden Euro kosten.

Geschickter Schachzug der Politik: Sie lastet die Kosten dafür überwiegend privatwirtschaftlichen Unternehmen auf. Fördermittel, wie sie jetzt aufgrund der Lizenzauktion nach der Digitalen Dividende II zur Verfügung stehen erscheinen nur auf den ersten Blick viel, relativieren sich aber angesichts der Gesamtkosten. Die logische Folge ist, dass der Ausbau in dicht besiedelten, wirtschaftlich starken Regionen durchaus vorankommt, da dort die Netzbetreiber ihren Ausgaben auch potenzielle Einnahmen gegenüberstellen können, was die Investitionen wirtschaftlich sinnvoll macht.

Bitkom Internetnutzung in Deutschland (Grafik: Bitkom)
Die Internetnutzung in Deutschland weist neben einem Stadt-Land-Gefälle – wohl nicht zuletzt wegen der schlechteren Datenübertragungsraten – auch eine West-Ost-Dispkrepanz auf (Grafik: Bitkom).

In den wirtschaftlich schwachen, ländlichen Regionen gibt es laut Heng dagegen “große systemimmanente Herausforderungen bezüglich der Profitabilität – speziell in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns, Brandenburgs oder auch der Oberpfalz.” Er fordert daher: “Bei der Überbrückung der Wirtschaftlichkeitslücke muss der Staat mittels Beteiligungen und Subventionen einspringen, wenn auch solche Projekte vorankommen sollen.”

Ganz entzieht sich der Staat dieser Verantwortung auch nicht. Allerdings werden die vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur über den Bundeshaushalt bereitgestellten Fördergelder im Rahmen der Förderprogramme der Bundesländer recht unterschiedlich eingesetzt. Laut Heng stellt beispielsweise Bayern im Rahmen seiner Breitbandpläne 1,5 Milliarden Euro an Landesmitteln bereit. Hessen hingegen will das gleiche Ziel, die flächendeckende Versorgung mit wenigstens 50 MBit/s, mit lediglich 350 Millionen Euro erreichen – und begründet das damit, dass die “hocheffizient” eingesetzt würden.

Heng sieht daher nicht nur Bedarf für mehr staatliche Impulse zum Breitbandausbau, sondern fordert auch, dass diese koordiniert und mit Augenmaß“ eingesetzt werden müssten, um “irreversible aktionistische Eingriffe zu vermeiden”. An die Adresse der Netzbetreiber richtet er die Aufforderung, bei der Diskussion künftig den Schwerpunkt nicht mehr auf Technik und Kabel, sondern auf moderne Dienste zu legen – “von der fortschreitenden Automatisierung bei Wertschöpfung und Gebäudeausstattung über Cloud Computing bis hin zu Augmented Reality und hochqualitativen Entertainment-Angeboten”, die auch für Kunden in den bislang wenig versorgten Gebieten attraktiv seien. Denn Kunden hätten immer weniger die Technik selbst, sondern immer stärker die Dienste im Blick, die die Technik ermöglichen soll.

ITU-Prognose zur weltweiten Entwicklung von Breitbandanschlüssen (Grafik: ITU/State of Broadband Report).
ITU-Prognose zur weltweiten Entwicklung von Breitbandanschlüssen (Grafik: ITU/State of Braodband Report).

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