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Was steckt wirklich hinter dem BPM-Hype?

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BPM – Wofür ist das gut?

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Cath Everett untersuchte die Anbieter-Propaganda einmal genau, um die wahre Bedeutung des Business Process Management (BPM) herauszufinden.

BPM scheint eine der verwirrendsten Erscheinungen zu sein, mit denen die IT-Industrie ihre viel geprüften Kunden konfrontiert. Es wird gepriesen als das neueste Allheilmittel für Organisationen, die verzweifelt ihre Produktivität und Effizienz zu steigern versuchen. Doch bringt es dem durchschnittlichen IT-Chef wirklich mehr als frischer Putz auf alten Mauern?

Während diese Frage erst noch geklärt werden muss, versuchen die BPM-Anbieter eifrig, der neuen Technologie ihren jeweils eigenen Anstrich zu geben.

Was also ist BPM? Und warum gieren so viele Anbieter nach einem Stück von diesem Kuchen?

Nach Meinung von Ian Charlesworth, einem der Chefanalysten der Butler Group, ist BPM in der Lage, alle Elemente und Teilbereiche, die in jedem beliebigen Geschäftsprozess auftauchen, miteinander zu verbinden, um einen nahtlosen und deshalb effektiveren Ablauf sicherzustellen.

Der Technologie liegt ein Business Process Layer zugrunde, eine Schicht also, auf der die Elemente des eigentlichen Geschäftsablaufs zusammengefasst sind und die jederzeit neu organisiert werden kann. Sie ist die Plattform, auf der alle Mitarbeiter, Anwendungen und Systemkomponenten in Einklang gebracht werden, die es für eine effektive Zusammenarbeit braucht.

BPM-Produkte beinhalten daher vier Hauptelemente, erklärt Eric Austvold, einer der Chefs bei AMR Research. Das erste dient der Erzeugung eines Modellentwurfs zur Analyse und zur Festlegung des Geschäftsprozesses. Der Entwurf wird in einem Speicher hinterlegt. Mit dem zweiten werden die Vorgänge ausgearbeitet, die die Beziehung zwischen dem Geschäftsprozess und den darin involvierten Mitarbeitern und Systemen definieren. Als dritten Bestandteil finden wir eine Engine, die den definierten Geschäftsablauf ausführt. Und schließlich gibt es noch eine Reporting-Komponente. Ihr Sinn und Zweck ist es, in einer Feedback-Schleife einen kontinuierlich sich verbessernden Prozessablauf aufrechtzuerhalten.

Keiner weiß genau, woher der Begriff BPM stammt. Jim Campbell, Consultant bei Partners for Change, nimmt an, dass er sich aus Sparten wie dem Geschäftsprozess-Re-Engenineering und aus Technologien wie Prozessautomation, Workflow und Applikations-Integration entwickelt hat. “BPM ist nicht neu, sondern das Endprodukt von existierenden Best Practices und Technologien, das zu einem Paket geschnürt wurde”, meint Campbell.

Das heißt nicht, dass BPM nicht seine Vorteile hätte. Bis dato haben die Anbieter hauptsächlich seinen herausragendsten Anspruch hervorgekehrt, nämlich ein System zu sein, das es den Kunden ermöglicht, einen ROI (Return of Investment, also Kapitalrendite) zu erzielen, indem sie darunter liegende Prozesse von Unternehmensanwendungen wie etwa ERP umgestalten. Für Charlesworth erfüllt BPM hier die Aufgaben eines Change Management Tools.

“Unternehmensapplikationen sind im Allgemeinen sehr gut in der Lage, einfache Prozesse zu automatisieren”, erklärt er “deshalb bringt es nicht allzu viel, sie umzubilden und eine neue Schicht hinzuzufügen, die sie noch effizienter machen soll. Wo allerdings BPM Organisationen wirklich nützt”, meint Charlesworth, “ist bei der Verbesserung von Prozesskontrolle und management und als Werkzeug bei Geschäftsveränderungsprozessen.” Dazu könnte zum Beispiel die Möglichkeit gehören, nach einer Fusion oder Übernahme die unterschiedlichen Abläufe miteinander zu integrieren und zu konsolidieren, oder die Aktivitäten verschiedener Abteilungen wie Verkauf, Marketing und Technik zu rationalisieren und zu koordinieren, um zu gewährleisten, dass neue Produkte rasch auf den Markt kommen können. Die Hauptziele dabei sind im Allgemeinen eine Kostenreduzierung und eine Erweiterung des Kundenservice.

BPM kann bei Kontrolle rund um die Einhaltung von Regeln hilfreich sein

Ein anderer Bereich, in dem sich BPM profilieren könnte, ist die “regulatory compliance”, also die Einhaltung der Regeln für Unternehmen, denn es ist in der Lage, die Überprüfung und Rückverfolgung von Daten drastisch zu verbessern. “Mit BPM ist es wesentlich einfacher, eine komplette Datenüberprüfung durchzuführen, es wird daher von vorausschauenden Unternehmen als gute Möglichkeit angesehen, den Kostenaufwand für die Regeleinhaltung zu senken”, sagt Charlesworth. Deshalb wird BPM zurzeit genau dort am besten aufgenommen, wo die Regeleinhaltung das große Thema ist, zum Beispiel bei Finanzdienstleistern.

Doch auch im Herstellungssektor, wo Organisationen nach neuen Wegen suchen, ihre Probleme im Bereich Versorgungsketten und Bestellverwaltung in den Griff zu bekommen, ist das Interesse groß. Ebenso bei Telekommunikationsgesellschaften, wo selbst der kleinste Anstieg bei den Vertragsabschlüssen unterm Strich enorme Auswirkungen hat.

Demzufolge erwartet Gartner, dass die Marktpräsenz von BPM, einschließlich aller Einnahmen aus Lizenzierung, Wartung und Services, in diesem Jahr um 10 Prozent auf insgesamt 1,32 Milliarden Dollar steigen wird, mit den großen FTSE 100-Unternehmen als Zugpferde. Allerdings befinden sich diese Organisationen im Allgemeinen noch in einer frühen Einführungsphase und konzentrieren sich auf kleine Projekte, um interne Prozesse in nur eine funktionale Richtung oder in nur einer Problemzone in Angriff zu nehmen, und weniger auf unternehmensweite Initiativen, die womöglich die Einbeziehung Dritter als Partner, Anbieter oder Kunden bedingen.

Unreifer Marktsektor

Die ganze Unreife dieses Marktsektors spiegelt sich in dem vor kurzen inszenierten Auftritt von etwa 200 Anbietern, die sich als Hauptakteure eines aufstrebenden Marktes ins rechte Licht zu setzen versuchten, so Charlesworth. Trotz ihrer groß angelegten Kampagnen sind aber durchaus Lücken in ihren Produktlinien festzustellen, die oft etwas über ihre Herkunft verraten. Herkömmliche Workflow-Systeme zeigen zum Beispiel Schwächen bei der Anwendungsintegration, während spezielle Integrationssystem-Anbieter hier ihre Stärken haben. Deshalb sind viele Firmen noch dabei, sich über Auf- und Zukäufe zu sortieren und ihre eigene Linie herauszuarbeiten. Das muss nicht unbedingt Interessenten vom Kauf abhalten, doch Charlesworth empfiehlt, eine sehr vorsichtige und präzise Auswertung vorzunehmen, damit die einzelnen Produkte auch die ganz speziellen Anforderungen der jeweiligen IT-Abteilungen erfüllen können

Für die komplettesten BPM-Produktreihen hält Charlesworth die von IBM, webMethods und SeeBeyond, Gartner erwartet dagegen die höchsten Marktanteile bei DST Systems, Pegasystems und FileNet.

Aufpassen bei der Einführung

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Bei der Implementierung weist Charlesworthy auf die mögliche Entwicklung einer Preisspirale hin. Nicht nur die Softwarelizenzen haben ihren Preis, vergleichbar etwa mit dem für Workflow-Anwendungen, sondern es ist auch die Komplexität vieler BPM-Projekte, die vielfach einen beachtlichen Aufwand an Zeit und Ressourcen erforderlich macht.


BPM anzupasen kann erst einmal mehr kosten, als es bringt

“Ich bin beim Thema BPM noch sehr zurückhaltend”, sagt Charlesworth, “nur weil die Technologie soweit zur Verfügung steht, wird noch lange kein positiver ROI erzielt. Das Ganze kann teuer werden, vor allem auch durch den umfangreichen Service, der womöglich erforderlich wird, um die Lösung passend zu gestalten.” Er vergleicht die Situation mit dem Hype um ERP, CRM und anderen angeblichen Wundermitteln. “Die Anbieter stellen BPM auf ein sehr hohes Podest. Wenn es, ähnlich wie ERP, angeblich alle Unternehmensprobleme löst, müssen Sie erst recht sorgsam und umsichtig sein bei Ihrer Produktauswahl.”

Diese Einstellung teilt auch Austvold von AMR, der nicht daran glaubt, dass sich der Markt über mehrere Jahre hinweg etablieren wird. Hindernisse dabei könnte eine gewisse Skepsis der Benutzer gegenüber großen Softwareprojekten sein, ebenso ein Mangel an Interoperabilitäts-Standards, oder auch der Wunsch von Unternehmen nach einem eher prozessorienten als aufgaben- oder funktionsorientierten Ansatz zur Bewältigung ihrer Geschäfte.

Charlesworth folgert: “Wahrscheinlich dauert der Übergang zu BPM eine ganze Dekade, aber wir befinden uns erst in den ersten drei Jahren, also den allerersten Tagen seiner Existenz. Allerdings würde ich keinem IT-Verantwortlichen raten, die Technologie zu ignorieren. Sie wird für alle unentbehrlich sein, die ihre Gewinne nicht in ineffizienten Prozessen vergeuden wollen. Es ist nicht die Frage, ob, sondern wann BPM in den Firmen Einzug hält.”

BPM-Fallstudie: Die britische Fahrerlaubnis-Behörde

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“Wir sind ein Unternehmen, bei dem es vorwiegend um Registrierung und Speicherung von Daten geht. Die Einführung der BPM-Technologie bedeutete für uns, dass die verschiedenen Abteilungen jetzt enger zusammenarbeiten können, was den Kundenservice stark verbessert hat”, erklärt uns Anita Evans, Projektleiterin bei der “Driver and Vehicle Licensing Agency.” in Großbritannien.

Die DVLA unterhält ein Register von mehr als 40 Millionen britischen KFZ-Fahrern und 30 Millionen Fahrzeugen, daneben treibt sie die KFZ-Steuer ein. Sie ist ein ausführendes Organ des Verkehrsministeriums, das mit 91 Millionen Formularen hantiert und 50 Millionen Vertragsabschlüsse pro Jahr vornimmt. Während der Umgang mit Formularen im Großen und Ganzen glatt läuft, gibt es natürlich immer Ausnahmen, bekannt als “Casework”, bei denen Informationen unvollständig oder inkorrekt sind und die deshalb einer Sonderbehandlung bedürfen.

Eine der DVLA-Abteilungen, die Drivers Medical Section (DMS), die jährlich etwa 300.000 eigene Fälle verwaltet, hatte zuvor ein veraltetes Dokumenten-Management-System im Einsatz, das der Papierflut Herr werden sollte. “Die Notwendigkeit, das alte System durch etwas Neues zu ersetzen, gab uns die Chance, unser Netz zu erweitern und drei Hauptgeschäftsbereiche zu integrieren, die noch mit Papier arbeiteten, und zwar die Sektionen Vehicles Customer Service, Driver Customer Service und unsere eigene Abteilung”, erläutert Evans.

Das Ergebnis war die Einführung von EDS für die Ausarbeitung eines Systems für Casework and Specialist Processes (Casp), in das BPM-Anwendungen von Staffware, Anacomp´s Dokumentansicht- und Speichersystem sowie Vignette´s Tower-Dokumentmanagementpakete integriert wurden. Auch Kodak war involviert, es entwickelte ein System, um Mikrofiche-Aufnahmen in Dokumente zu verwandeln, die jetzt in einem lokalen Speichernetzwerk aufbewahrt werden. Außerdem IBM und Fujitsu, die DVLA´s Kernsysteme betreuten. Dazu gehören Oracle-Datenbanken, die alle Falldaten enthalten.

“Es war eine sehr umfassende Partnerschaft, und ohne die Mithilfe jedes Einzelnen wären wir nicht zurechtgekommen”, meint Evans. “Der Umwandlungsprozess war extrem aufwändig und wir hätten nicht geglaubt, dass er so lange dauern würde. Die Produktentwicklung lief sehr gut, das Problem waren eher die unterstützenden Technologien drum herum, und wir hatten verschiedene Projekte gleichzeitig am Laufen, was die Verwaltung der Interdependenzen schwierig machte.”

Gleich einem CRM-System stehen alle wichtigen Daten im BPM-System shnell bereit

Nun führt die BPM-Maschine in Casp alle Casework-Prozesse aus drei Abteilungen zusammen und erlaubt es allen im Call Center Beschäftigen und Sachbearbeitern, auf die Dokumente und Personendaten in Sekundenschnelle zuzugreifen, während es früher fünf oder 6 Minuten gedauert hat, bis die Mitarbeiter “Erfahrung und Erinnerungsvermögen zum Auffinden der Information mobilisiert hatten”.

Jeder einzelne Fall mit seinen vielen verschiedenen Dokumenten und Aufgaben wird verfolgt. Sämtliche Probleme oder versäumte Schritte im festgelegten Arbeitsablauf werden für die Mitarbeiter deutlich erkennbar angezeigt.

Nicht nur die Überprüf- und Verfolgbarkeit der Daten hat sich verbessert, DMS allein konnte innerhalb eines halben Jahres seinen Arbeitsrückstand von 100.000 Fällen auf 60.000 verringern. Und trotz eines 24prozentigen Anstiegs der ärztlichen Anfragen innerhalb von 5 Jahren, musste auch diese Abteilung keine neuen Mitarbeiter einstellen.

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