Linux im Unternehmen
Interview: Wie Unilever auf Linux setzt

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Linux im Unternehmen

Unilever, ein britisch-holländisches Konglomerat aus Nahrungsmittel- und Pflegeprodukten, hat mit seinem Umsatz von knapp 50 Milliarden Euro einen enormen IT-Bedarf. Da das Unternehmen jetzt die ersten Schritte in Richtung Open Source gemacht hat, sprach Peter Williams von vnunet.dom mit Neil Cameron.

Was waren die Hauptgründe für Ihren Schritt in Richtung Open Source?

Es geht vorwiegend um Flexibilität und letztlich um Kosten.

Wie steht es mit Dingen wie beispielsweise Sicherheit?

Das sind die Dinge, die sich sozusagen auf dem Weg zeigen. Man braucht robuste Produkte, Sicherheit, Orientierung auf die Zukunft und Support. Alles, was noch zur Infrastruktur gehört, ist auch ein wichtiger Faktor. Nicht OpenSource allein ist das Thema, das in einem großen Unternehmen einen Auf- oder Abstieg bewirkt – das funktioniert nur mit all den anderen Komponenten.

Ziehen Sie Dinge wie Open-Source-Datenbanken, J2EE und Web Services in Betracht?

Wir haben unsere Leute, die sich um nichts anderes als diese Dinge kümmern; sie schreiben Grundsatzberichte über den gegenwärtigen Stand, die kurzfristigen Aussichten und die zukunftsorientierten Erwartungen. Sie wissen ja, das ist alles sehr komplex – wenn Sie drei Leute dazu befragen, kriegen Sie vier Meinungen.

Es sind so ungeheuer viele Möglichkeiten in all diesen Dingen enthalten. Täglich lese ich wieder was irgendwo wieder Neues eingeführt wurde: Es sind Dinge sowohl kleineren als auch größeren Umfangs.

Ich denke es ist sehr wichtig, wirklich zu erforschen, was die Leute tun und zu erreichen versuchen. Tolle Schlagzeilen zu neuen Entwicklungen helfen vielleicht, das Landschaftsbild zu verändern, aber sie helfen niemandem, Entscheidungen zu treffen.

Kommt Unilever von Mainframes, gab es Unix auf dem Server?

Nun, wir haben überhaupt keine Mainframes mehr. Wir haben Unix für unsere Large-Scale-Anwendungen. Wir arbeiten auch mit Windows. Unsere Umgebung ist sehr heterogen. Von allem haben wir ein bisschen was in unserem Unternehmen.

Man sieht sich ständig großen Herausforderungen gegenüber in einem heterogenen Umfeld: Wie erreichen wir Sicherheit im weitesten Sinne, Verfügbarkeit, Zuverlässigkeit, Integrität, Zugriff, Authentifizierung, Navigation? All diese Dinge sind hochaktuell und nicht einfach.

Früher hieß die Devise immer: Alles standardisieren, dann gibt es keine Probleme. Aber das ist heute nicht mehr realistisch.

Liegt das auch an Dingen wie zum Beispiel Fusionen und Übernahmen?

Absolut richtig. Wir haben Joint Ventures, wir müssen also mit dieser Komplexität umgehen. Die Herausforderung wird bestehen bleiben, hier gibt es keine schnellen Lösungen.

Bei welchen Anwendungen werden Sie auf Open Source umsteigen?

Im Augenblick beschränken wir uns bei der Migration von Anwendungen auf die Infrastruktur, Firewalls und so weiter. Wir fangen weit unten an und ich denke, wir sind richtigerweise vorsichtig.

Es gibt heute viele Möglichkeiten, von einer veralteten Kosten- und Leistungsstruktur auf neue verfügbare Produkte zu wechseln.

Es ist kein wirklicher Schritt-für-Schritt-Wechsel, sondern man verschafft sich einen Vorteil, indem man die Lücke verringert zwischen dem, was es zuvor gab, und einigen neuen OpenSource-Maßnahmen. Man kann bis zum Graben gehen, ohne ihn zu überspringen.

Welche sind für Sie die größten Herausforderungen?

Das Ziel ist, die Balance zu erreichen zwischen dem Versuch, als lokales Unternehmen global zu agieren, und den Vorteilen einer Skalierung im kleinen Rahmen.

Am einen Ende des Spektrums stehen Firmen, die eine einzige Anwendung haben, mit der sie sämtliche Aktivitäten rund um den Globus steuern. Sie haben die besten Aussichten auf Effizienz. Am anderen Ende stehen diejenigen, die ein komplett föderatives System betreiben, mit unterschiedlichen Anwendungen in jedem Land und für jedes Land in der Welt.

Ich versuche, den goldenen Mittelweg zu finden, der uns erlaubt, bedarfsgerecht zu reagieren, die örtlichen Unterschiede zu erkennen, immer noch mit dem Kopf bei den Kundeninteressen zu sein, und dabei gleichzeitig unsere Fähigkeiten wirksam einzusetzen. Das ist die Herausforderung.

In welchem Rahmen gelingt Ihnen das?

Nun, wir bewegen uns, lernen dazu und werden immer besser, das Ziel im regionalen Bereich zu erreichen. In Lateinamerika waren wir sehr erfolgreich. Wir gehen regional vor und perfektionieren die regionalen Systeme, so dass wir im weiteren Verlauf alle Geschäftsprozesse in lateinamerikanischen Ländern über ein Transaktionssystem, ein Kundenmanagementsystem und ein Informationssystem abwickeln können.

Es war eine gute Übung, das in allen südamerikanischen Ländern durchzuführen, von der Karibik bis Mexiko, Brasilien, Argentinien und Chile.

Wir haben Systeme, Prozesse und den Informationsfluss zusammengelegt in den letzten Jahren, wir haben Interim-Systeme erstellt, um die vielen lokalen Systeme zunächst zu subregionalen Systemen zusammenzufassen und schließlich mit den regionalen Systemen zu konsolidieren.

Wo sind die Standorte Ihrer Systeme? Haben Sie in Lateinamerika beispielsweise nur ein System im Moment?

Ja, in Brasilien, aber eigentlich hosten wir unser Datenzentrum in Trumbull, Connecticut. Für Europa ist der Standort St David´s Park in Cheshire. Dort hosten wir alle unsere größeren Anwendungen.

Wir haben insgesamt sechs Regionen. Für jede Region gibt es einen Konvergenz-Plan für Systeme, Daten und Prozesse. Und es gibt jeweils auf die Region zugeschnittene Ansätze. In Europa zum Beispiel, wo sich 40 Prozent unserer Geschäfte abspielen, haben wir uns auf SAP geeinigt: ein System für unseren Zweig Home and Personal Care und eines für unseren Nahrungsmittelbereich. Im Moment gibt es keine Pläne, diese beiden auf Linux umzustellen.

Welche Strategien verfolgen Sie bei Ihrer Desktop-Umgebung?

Jetzt muss ich vorsichtig sein, denn wir stehen gerade in Verhandlungen mit verschiedenen Anbietern und haben uns noch nicht entschieden. Aber produktionsübergreifend gesprochen, gehen unsere Bemühungen in Richtung Thin-Client, Thick-Client, Mobilität und Produktivität.

Wir schauen uns alle Tools an, die gut zusammenpassen, und wägen ab, welche sich am besten für unsere Geschäfte auf globaler Basis eignen. Es geht hier um ungefähr 100.000 Desktops, wir müssen die Sache also vorsichtig und klug angehen.

Wie steht es mit Lizenzierungs-Konzepten? Spielen sie bei Ihnen eine nennenswerte Rolle?

Nun, das ist Teil der Aufgabe. Wir prüfen die verschiedenen Lizenzierungs-Optionen und Angebote für Unternehmen und schauen, was wir für unser Geld kriegen können.

Da stehen wir genau im Moment, wir prüfen alle Optionen und treffen Entscheidungen sowohl über Produkt-Suites, einschließlich damit verbundener Lizenz-Möglichkeiten, als auch ein entsprechendes Timing.

Open Source Development Labs wünschen sich mehr Feedback vom Endbenutzern. Hat Ihre Mitgliedschaft bei OSDL irgendeinen Einfluss auf Unilever?

Nein. Wir sind dort dabei, weil wir genau wissen wollten, wo das alles hingeht, und möglicherweise auch Einfluss nehmen können. Aber letztlich treffen wir wirtschaftliche Entscheidungen. Was die Einführung von Linux betrifft, werden uns in Zukunft Firmen wie IBM den Weg weisen.

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