Praxis: DSL-Standards
Der DSL-Turbo

BreitbandNetzwerke

DSL ist beliebt

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Wer in Deutschland mit Highspeed ins Internet will, kommt nicht an DSL (Digital Subscriber Line) vorbei. Diese Art des Breitband-Internetzugangs ist hier zu Lande sehr beliebt: Bereits über sechs Millionen DSL-Anschlüsse gibt es mittlerweile die Zahl der Kabel- oder Satellitenzugänge fällt dagegen kaum ins Gewicht. Der Grund für die große Beliebtheit der DSL-Technik: DSL funktioniert mit ganz normalen Telefonleitungen, wie sie jeder Deutsche kennt. Das macht es den Anbietern leicht, DSL an den Mann oder die Frau zu bringen.

Doch DSL ist nicht für jedermann der Schlüssel zum schnellen Internet. Bewohner ländlicher Gegenden müssen zum Beispiel darauf verzichten, da die Distanzen zwischen der Vermittlungsstelle und dem Kunden zu lang sind: Deutlich mehr als vier Kilometer sind bei der heute gebräuchlichen ADSL-Technik nicht drin. So bleibt der Zugang zahlreichen potenziellen und zahlungswilligen DSL-Kunden verwehrt. Ein weiterer Nachteil: Für anspruchsvolle Anwendungen wie Video on demand sind selbst die Top-Angebote mit knapp 3 MBit/s nicht flott genug.

Nur schnell in eine Richtung

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Ob von der Telekom beziehungsweise einem der angeschlossenen Wiederverkäufer wie 1&1 oder Freenet oder von Konkurrenten mit eigenen Leitungen wie Arcor: In Privathaushalten findet sich DSL fast ausschließlich in der Geschmacksrichtung ADSL. Das »A« steht für Asymmetric und bedeutet, dass Up- und Download unterschiedlich schnell sind. Die gebräuchlichste weil günstigste Kombination sind 1024 KBit/s Down- und 192 KBit/s Upstream. Theoretisch sind mit der heutzutage verwendeten Technik maximal 8 MBit/s zu erzielen.

Einzig für Firmenkunden dürfte SDSL (»S« für Symmetric) interessant sein. Hier sind Up- und Download gleich schnell, je nach Leitungsqualität bis zu 2048 KBit/s. Gleichzeitig sind Verbindungen auch über längere Leitungen mit niedrigeren Datenraten möglich. Für Privatkunden ist SDSL angesichts eines monatlichen Grundpreises von mindestens 120 Euro jedoch uninteressant.

Neue Standards müssen her

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Wesentlich spannender aus Privatkundensicht ist da schon die Weiterentwicklung des ADSL-Standards. Das normgebende DSL-Forum hat sich hierbei der beiden ADSL-Probleme »Reichweite« und »Datendurchsatz« angenommen. Lösen sollen sie die Standards ADSL2 und ADSL2+, die sich parallel einsetzen lassen.

Priorität hatte bei der Entwicklung der beiden Standards die Abwärtskompatibilität. Denn wenn DSL-Anbieter die millionenteure und frisch installierte Infrastruktur nicht durch einfache Updates auf den neuesten Stand der Technik bringen können, werden sich ADSL2 und ADSL2+ niemals durchsetzen. Darüber hinaus wären vermutlich nur wenige Kunden bereit, ihre bestehenden DSL-Modems oder -Router einzumotten und sich neue Modelle zu kaufen.

Auf Nachfrage von PC Professionell bestätigten Vertreter der Firmen AVM, Linksys und Netgear, dass ihre aktuellen ADSL-Produkte über ein einfaches Firmware-Update mit den neuen Übertragungsnormen klarkommen werden. Die übrigen Hersteller von DSL-Hardware dürften ihren Konkurrenten hier nicht nachstehen wollen.

DSL im Temporausch

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Bis zu 24 MBit/s gibt ADSL2+ in der Theorie beim Downstream her, ADSL2 erzielt maximal 12 MBit/s. Diese Werte gelten zwar nur für extrem kurze und störungsfreie Leitungen, die es in der Praxis nicht gibt. 20 MBit/s sind aber durchaus realistisch. Mit solchen Datenraten lässt sich endlich ein langgehegter Traum vieler DSL-Provider verwirklichen: das so genannte Triple Play.

Hinter diesem Begriff versteckt sich die gleichzeitige Übertragung von Daten, Telefongesprächen und Fernsehkanälen über ein und dieselbe Leitung. Mit den Datenraten von ADSL2(+) ließen sich in Deutschland Triple-Play-Angebote realisieren, wie sie in Italien und Japan bereits am Start sind. So bietet beispielsweise Yahoo BB in Japan DSL-Anschlüsse mit Durchsatzraten von bis zu 50 MBit/s damit ist selbst hochauflösendes Fernsehen (HDTV) über DSL kein Problem.

Um die hohen Datenraten zu erzielen, haben die DSL-Entwickler an mehreren Schrauben gedreht. So ließ sich zum Beispiel die Durchsatzrate durch eine veränderte Fehlerkorrektur verbessern. Die bei ADSL verwendete Reed-Solomon-Codierung beschränkt die Datenrate auf maximal 8 MBit/s, obwohl rechnerisch 11,4 MBit/s machbar sind. Für ADSL2 wurde die Codierung verbessert, so dass 12 MBit/s möglich sind.

Frequenzen und Leitungen

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Bei kurzen Leitungen ist ADSL2+ doppelt so schnell wie ADSL2. Der Tempozuwachs wird erreicht, indem der genutzte Frequenzbereich auf der Leitung verdoppelt wird, also 2,2 MHz statt 1,1 MHz. ADSL2+ kann den Downstream auf den Bereich zwischen 1,1 und 2,2 MHz verlagern und so das kritische Übersprechen auf der DSL-Leitung verhindern. Beim Übersprechen oder auch Crosstalk stören sich die Signale, die auf nebeneinander liegenden Leitungen im Kabel übertragen werden. Da die Zahl der DSL-Anschlüsse wächst, steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Übersprechen auftritt. Telefongespräche, die ja über die gleichen Kabel übertragen werden, werden nicht gestört, da sie in den Frequenzbereichen unterhalb von 1,1 MHz liegen.

Neben der Möglichkeit, den zusätzlichen Frequenzbereich für den Downstream zu nutzen, kann ADSL2+-Hardware die neuen Frequenzen auch parallel zu denen darunter einsetzen. So wird bei einer Distanz von 1,5 Kilometern zwischen dem Kunden und der Vermittlungsstelle die bereits erwähnte Datenrate von 24 MBit/s erzielt. Ist die Leitung jedoch länger, fällt die Datenrate stark ab und sinkt auf das Niveau von ADSL2 ab.

Die Länge der Leitung hat auch Auswirkungen auf die Störungsstärke bei Crosstalk. Darüber hinaus steigt mit der Leitungslänge die Signaldämpfung. Das daraus resultierende Signal/Rausch-Verhältnis legt fest, ob ein DSL-Interessent den schnellen Internetzugang auch bekommt.

Höher, schneller, weiter

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In puncto Reichweite bringen die beiden neuen ADSL-Standards gleich mehrere Verbesserungen mit. Die größere Reichweite bedeutet dabei gleichzeitig ein höheres Tempo auf schlechteren Leitungen.

Eine dieser Verbesserungen ist die neue Modulation, die der Standard ADSL2 beherrscht. Herkömmliches ADSL muss im oben genannten Frequenzbereich, der in 4 kHz breite Träger unterteilt ist, zwingend zwei Bit pro Träger übertragen können. Ist ein Träger aufgrund einer schlechten Verbindung dazu nicht in der Lage, wird gar nichts übertragen. ADSL2 gibt sich dagegen auch mit nur einem Bit zufrieden und nutzt so auch Frequenzen, die bei heutigen ADSL-Verbindungen außen vor bleiben.

Außerdem kann bei ADSL2 auch das Modem beim Kunden seine Sendeleistung an die jeweilige Leitungsqualität anpassen. Bisher kann lediglich die Vermittlungsstelle ihre Leistung ändern. Durch das flexiblere Anpassen beim ADSL2-Standard wird das Übersprechen weiter verringert.

Unterm Strich sind durch ADSL2 entweder 50 KBit/s mehr Leistung oder 180 Meter mehr Reichweite zu erzielen. Ein scheinbar geringer Gewinn, denn bei der Reichweite sind dies lediglich acht Prozent mehr als mit ADSL. Hält man sich jedoch vor Augen, dass diese acht Prozent an den Rändern von dicht besiedelten Innenstädten in jeweils Tausenden von Wohnungen den schnellen Internetzugang ermöglichen, relativiert sich das Ergebnis. Schließlich erhöht sich der Kreisradius um die Vermittlungsstelle um eben diese 180 Meter.

Für die Erschließung ländlicher Gebiete nutzen die 180 Meter freilich nichts. Die Wege zwischen Vermittlungsstelle und weiter entfernt liegenden Dörfern sind zu lang. Hier bleibt nur, auf Reach Enhanced ADSL2 zu warten, das immerhin 900 zusätzliche Meter
aus der Leitung herausholt. Das Verfahren ist bisher aber nur für DSL über Analog-Anschlüsse geeignet, nicht für das hier zu Lande verwendete DSL-über-ISDN.

Wann kommt der DSL-Turbo?

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So attraktiv die neuen Standards für DSL-Kunden und -Provider auch sind: Wann alle Beteiligten davon profitieren, ist derzeit völlig unklar. Insider vermuten, dass 2005 erste Vermittlungsstellen umgerüstet werden. Offizielle Aussagen gibt es von den Branchengrößen Telekom und Arcor nicht. Auf Anfrage hieß es, man beschäftige sich ständig mit neuen Techniken und werde zum richtigen Zeitpunkt neue Dienste anbieten wann genau ADSL2(+) tatsächlich startet, lässt sich daraus leider nicht schließen.

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