“Wiener Erklärung”: Luther für das IT-Zeitalter

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“Das Urheberrecht muss an die technische Entwicklung angepasst werden” heißt der Grundtenor der Thesen, die man nicht wie Luther an die Kirche genagelt, sondern zeitgemäß ins Internet gestellt hat: Der Universitätslehrgang für Informationsrecht der Universität Wien hat zehn Forderungen an das moderne Urheberrecht veröffentlicht. So modern dies klingt, so altmodisch ist die Sprache, in der die Akedemiker ihre “Wiener Erklärung” abgefasst haben. Wie seinerzeit Luther bessere Rahmenbedingungen von der Kirche verlangte, fordern die Rechtstheoretiker nun bessere rechtliche und sozialpolitische Rahmenbedingungen für den Zugang zum digitalen Wissen von den Politikern.

“Digitalisierung und Vernetzung erlauben im Hinblick auf den Zugang zu Informationen Erleichterungen, die historisch einzigartig sind… damit wird eine Informationsverarbeitung in bisher unbekannter Weise möglich und ein großer Fortschritt in der Zugänglichkeit von Wissen realisierbar”, formuliert man den Hintergrund zum Forderungskatalog. Ein neues Urheberrecht solle Interessen von Urhebern, Verwertern aber auch der Allgemeinheit in ein gerechtes und ökonomisch sinnvolles Gleichgewicht bringen. Das Recht auf Information müsse dabei allerdings Vorrang vor der Technik genießen, die von beherrschenden Marktteilnehmern geschaffen werde – ein klarer Seitenhieb auf Microsoft und Co, die Standards festlegen, die nicht jedem Erdenbürger passen.

Wie die “freie Werknutzung” die Verwertungsrechte von Urhebern auch ohne deren Zustimmung “im Interesse der Allgemeinheit” beschränken kann, beschreiben die Urheber der Thesen leider nicht im Detail. Man fordert nur ein “Instrument des Interessenausgleichs”. Doch eine freie Werknutzung sei elementare Bedingung gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Fortschritts. Viele weitere Forderungen, etwa der freie Zugang zu staatlich finanzierten Forschungsergebnissen, folgen. Wer den Foderungskatalog liest und online unterzeichnen will, kann dies hier (unten auf der Seite im Formular). Bisherige Unterzeichner werden gelistet.

Im Rahmen der Veranstaltung Chaos Control 2005 am 15. Juni 2005 sollen die Thesen dann offiziell vorgestellt werden. (mk)

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