IT-Imperien vor dem Zerfall
Auf die Glückskinder der IT warten schwierige Zeiten
IT-Imperien vor dem Zerfall
Bill Gates hat wenig Geduld, wenn es um verdrehte Logik geht, und bei einer Konferenz des Wall Street Journal vor Kurzem verlor er die Fassung, als ständig auf die Wunderwelt von Google verwiesen wurde. Gates neigt dazu, seine Wut in beißenden Sarkasmus zu kleiden, bei dem alles Gesagte das Gegenteil des Gemeinten ist. “Google ist immer noch, wissen Sie, perfekt”, erklärter er laut Wall Street Journal. “Die Blase schwebt noch. Sie können alles machen. Man sollte ihre Aktien zu jedem Preis kaufen.”
Neue Helden braucht die IT – das entlockt Bill Gates nur Sarkasmus
Ich kann die Frustration von Gates verstehen, da jeder, der schon eine Zeitlang dabei ist, sich an viele Fälle von Firmen erinnern kann, die “das Nächste Große Ding” sein sollten. Das hat irgendetwas mit unserem emotionalen Bedürfnis nach neuen Helden zu tun. Es langt nicht, wenn ein Fußballer ein echter Könner am Ball ist; er muss gleich der “neue Pele” sein.
In der IT-Branche trifft man regelmäßig auf dieses Phänomen. Als ich anfing, über diesen Industriezweig zu schreiben, war Borland gerade das Angesagteste – die Firma räumte gerade mit der Dominanz von Ashton-Tate über Desktop-Datenbanken auf und wurde von vielen als möglicher Herausforderer für Microsoft gesehen. Dann kaufte Borland Ashton-Tate, und der Geschäftsführer Philippe Khan hielt es sogar noch für eine kluge Idee, CDs mit seinem abscheulichen Saxophonspiel an Kunden zu verschicken. Die Firma geriet in einen Abwärtssog, aus dem sie sich erst nach Jahren befreien konnte. Bis dahin hatte Novell bereits einen Marktanteil von 70 Prozent bei Netzwerk-Betriebssystemen und wollte sich in den Desktop-Bereich ausbreiten. Daher kaufte man WordPerfect und Digital Reasearch und machte ein großes Gewese um die ganze Angelegenheit.
Man kann das Muster immer wieder erkennen. Als Windows groß wurde, waren Corel und Micrografix die Genies. Als das Web loslegte, war Netscape das große Ding. Als Direktvertrieb angesagt war, wollte jeder einen PC mit dem Markenzeichen von Gateway, den Fellflecken der friesischen Kuh. In den späten 90ern sah es so aus, als könne Siebel einfach keinen Fehler machen, als sich alle Firmen beeilten, Kundenbetreuungsstrategien zu entwickeln. Wir bauen sie erst auf, um sie dann kleinzuhauen.
Das “Wunderkind-Muster” wiederholt sich
Heute ist nicht nur Google das neueste Wunderkind – es gibt auch Firmen wie Salesforce.com und Research In Motion. Alle diese Unternehmen haben gute Arbeit geleistet, aber ich bin nicht überzeugt, dass sie in ihrer jetzigen Form noch viel länger existieren werden. Wie alle Blitzstarter werden sie zunehmend mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Google wird von Microsoft und Yahoo bedroht, zwei Firmen mit sehr ähnlichen Konzepten. Als Firma unterscheidet sich Google nur durch einen einzigen Faktor – die Exzellenz der Technologie. Und Alta Vista, Inktomi und andere haben bereits feststellen müssen, dass das ein zerbrechliches Gut ist. Salesforce hat seinen Erfolg im wesentlichen durch Verkäufe an Firmen und Abteilungen mit weniger als 50 Arbeitsplätzen aufgebaut. Die Chance des Unternehmens besteht darin, diese Basis um Großkunden zu erweitern. Deswegen spricht die Firma derzeit so viel über Personalisierung und den Aufbau einer Plattform, auf der andere Anwendungen laufen.
Das Problem ist, dass das Unternehmen vor allem für die Einfachheit der Implementierung geschätzt wird – das sind genau die Kronjuwelen, die durch die ambitionierte Wachstumsstrategie bedroht werden. Der BlackBerry-Hersteller Research In Motion wird von Visto und Microsoft gejagt, und die größte Chance, relevant zu bleiben, hängt sicherlich davon ab, die eigene Software zu lizenzieren und sich aus dem Hardware-Geschäft zurückzuziehen. Psion hat sich erfolgreich in Symbian transformiert, und RIM sollte seine Hardware-Schale auf ähnliche Art und Weise abschütteln.
Das alte Rom ist auch an seiner Größe eingegangen
Selbst die größten Imperien fallen letzten Endes zusammen, und daher lohnt es sich, angesichts der neuesten heißen Möglichkeiten ein wenig skeptisch zu bleiben.