IT-Kosten-Management in der Politik – voll daneben?
Der biometrische Ausweis kann uns teuer zu stehen kommen

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IT-Kosten-Management in der Politik – voll daneben?

Wenn Sie schon mal die Handwerker im Hause hatten oder in einem Dritte-Welt-Land ein Taxi genommen haben, wissen Sie, dass die Einschätzung von Kosten mehr eine Sache der Kreativität ist als eine exakte Wissenschaft. Das Schlimmste, was ich erlebt habe, war ein Teppichbodenverleger, dem mysteriöserweise zwei Meter vor der Haustür der Teppichboden ausging und der an der Tür 150 Euro zusätzlich verlangte. Heute ist er wahrscheinlich der Besitzer einer Kette von Teppichbodengeschäften.

Finstre Handwerksgesellen und Politiker – manchmal kein Unterschied
Gibt es so etwas wie den schummelnden Teppichbodenverleger auch im großen Maßstab? Natürlich gehen wir alle davon aus, dass es bei großen Projekten bestimmte Unwägbarkeiten gibt. Die Steuerung der IT-Kosten auf nationaler Ebene allerdings hat inzwischen einen Punkt erreicht, an dem – um eine Bemerkung zu zitieren, die unlängst ein Richter zum Briefwahlsystem machte – “eine Bananenrepublik vor Scham im Boden versinken würde”. Das lässt sich beispielsweise auch an den geplanten biometrischen Ausweisen ablesen, die auf ein Fiasko zusteuern.

Je nachdem, wie man es sieht, kann man diese Ausweise als Abschreckung gegenüber Terrorismus und Identitätsdiebstahl sehen, oder man kann das ganze für eine Verschwendung von Steuergeldern halten, die obendrein noch die Bürgerrechte untergräbt. Aber ganz egal, ob man dafür ist oder dagegen: Die Zahlen sehen nicht gut aus. Unabhängige Experten in Großbritannien gehen davon aus, dass für Implementierung und Verwaltung eines solchen Systems ein Betrag von bis zu 23 Milliarden Euro erforderlich ist. Das liegt deutlich über dem, was die Regierungsstellen dort offiziell als Kosten einräumen. Und dabei langen die Briten im Vergleich zu Deutschland kräftig zu. Statt 59 Euro soll der biometrische Ausweis auf der Insel gleich umgerechnet 103 Euro kosten – und selbst dieser Preis gilt den Experten als zu niedrig. Da mag Innenminister Schily noch so überzeugt sein von der Position Deutschlands als technischer Speerspitze – sein Kollege Stolpe meinte bei Toll Collect Ähnliches und sorgte dafür, dass Milliarden versenkt wurden.

Das Problem bei derartig fatalen Fehleinschätzungen ist, dass niemand mehr den Politikern Kompetenz auf diesem Gebiet zutraut. Dass bei den ersten technologischen Sprüngen in den 60er Jahren solche Fehlkalkulationen auch passiert sind, kann heutzutage nicht mehr als Entschuldigung dienen. Damals konnte man noch der Faszination von gewaltigen Mainframes erliegen, die mit gewaltigen Datenbanken Unmengen von Informationen über die Bürger verwalten. Aber das ist Geschichte.

“Die Kostenschätzung für die biometrischen Ausweise deutet darauf hin, dass die Regierung entweder übers Ohr gehauen wurde oder sich die Zahlen zurechtbiegt”.

Inzwischen sieht es so aus, als stolpere man einfach in technologische Entwicklungen hinein und nutze sie, weil sie eben da sind. Klammheimlich etwa ist die Video-Überwachung ausgeweitet worden, da Kameras und Infrastruktur einfach billig geworden sind. Natürlich gibt es darüber immer wieder öffentliche Diskussionen, aber sie werden in der Regel von Minderheiten geführt.

Man hat auch nicht unbedingt den Eindruck, als seien öffentliche Stellen überhaupt in der Lage, vernünftige Ausschreibungen durchzuführen und die Kosten zu kontrollieren. Nicht nur das Debakel von Toll Collect, sondern auch die bizarre Kostenexplosion bei der IT-Ausstattung der Bundesagentur für Arbeit sprechen Bände über das IT-Management im öffentlichen Bereich. Der biometrische Ausweis könnte sehr leicht ein Projekt ähnlicher Qualität werden – weshalb er in Deutschland so wesentlich billiger werden soll als in Großbritannien ist nicht wirklich nachvollziehbar. So kann der Verdacht entstehen, dass die Kosten vorsätzlich niedrig gerechnet werden, um politische Akzeptanz für das Projekt zu gewinnen. Und wenn ein Vorhaben erst einmal auf den Weg gebracht wurde, findet sic kaum ein Politiker, der bereit ist, die Kosteneinschätzung öffentlich zu revidieren oder ein zweifelhaftes Projekt sogar zu stoppen.

Kürzlich wurden Daten über die Planung und Finanzierung der Concorde bekannt, die belegen, dass es eine alarmierende Gewohnheit gibt, immer mehr Geld für Projekte zuzuschießen, deren Verluste absehbar sind – nur weil man sich aus politischen Gründen nicht daraus zurückziehen will. Persönlich bin ich nicht davon überzeugt, dass die Ausweispläne sich bewähren werden; wahrscheinlicher ist, dass es auch künftig Missbrauch geben wird. Mehr Sorgen sollte uns allerdings machen, dass für ein derartig zweifelhaftes Projekt Milliardenbeträge ausgegeben werden. Wenn man mit neuen Technologien ins 21. Jahrhundert durchstarten will, gibt es deutlich produktivere Gebiete, für die eine Förderung sinnvoller wäre.

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