Disclaimer – Schutz vor Plaudertaschen?
E-Mails auf Abwegen
E-Mail fehlgeleitet
Disclaimer – Schutz vor Plaudertaschen?
Täglich jagen Millionen E-Mails durch das Internet, oft mit vertraulichen Inhalten, die nur für die Augen ganz bestimmter Personen gedacht sind. Private E-Mails in falschen Händen mögen allein zu Peinlichkeiten führen, etwa wenn ein intimer Fehltritt die Runde macht. Geschäftsgeheimnisse aber, die durch fehlgeleitete Business-E-Mails der Konkurrenz zur Kenntnis kommen, können die Existenz der ganzen Firma gefährden.
Wie kann der Absender also sicherstellen, dass der Empfänger den Inhalt vertraulich behandelt? Da die Auto-Vervollständigen-Funktion von Mail-Clients Tippfehler nicht als solche erkennt, ist eine E-Mail schnell mal an den falschen Adressaten verschickt. Was tun, um den Inhalt trotzdem vor Missbrauch zu schützen?
Disclaimer als Angstklausel
Disclaimer – Schutz vor Plaudertaschen?
Immer häufiger finden sich deshalb am Ende von E-Mail-Texten Ausschlussklauseln, so genannte Disclaimer (von englisch to disclaim, abstreiten, ausschließen). Diese sollen meist Folgendes bewirken:
– zur Verschwiegenheit verpflichten
– zum Löschen der E-Mail bewegen
– die Kenntnisnahme untersagen
– das Speichern verbieten
– das Weiterleiten verbieten
– die weitere Nutzung persönlicher und personenbezogener Daten verhindern
– eine Rechtsverbindlichkeit ausschließen, da die Inhalte manipuliert sein könnten
– Haftung bei Virenbefall ausschließen.
Nicht selten sind Standardklauseln dieser Art in einem juristischen Tonfall aufgesetzt und beinhalten sogar zivil- und strafrechtliche Strafandrohungen. Beabsichtigte und irrtümliche Empfänger solcher E-Mails werden also oft schon aus Furcht vor Strafe den Forderungen der Angstklauseln Folge leisten.
Nichtbeachtung ungefährlich
Disclaimer – Schutz vor Plaudertaschen?
Eine rechtliche Notwendigkeit folgt daraus jedoch ebenso wenig, wie sich der Empfänger bei Nichtbeachtung strafbar macht. Denn ein solcher Disclaimer ist meist nur als reiner Wunsch des Absenders zu bewerten und kann einseitig keine vertragliche Einigung herbeiführen, entsprechend auch keine Verpflichtung seitens des Empfängers. Diese ergäbe sich nur, wenn der Empfänger seinerseits eine entsprechende Verpflichtung eingeht, etwa durch eine schriftliche Annahmeerklärung des Disclaimers.
Somit besitzen diese Ausschlussklauseln allenfalls Hinweischarakter. Wer solche Klauseln nicht beachtet, muss nicht mit rechtlichen Konsequenzen rechnen. Selbst irrtümliche Empfänger können nicht zu Tätern werden, wenn sie eine solche Standard-Mail trotzdem lesen, speichern oder weiterleiten.
Diese Mail dürfen Sie nicht lesen
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Absurd ist das oft enthaltene Kenntnisnahmeverbot für irrtümliche Empfänger. Wer nicht Adressat ist, soll den Inhalt auch nicht lesen dürfen. Doch rein technisch ist auch der irrtümliche Empfänger Adressat, sonst hätte ihn die E-Mail nie erreicht. Zudem weiß der Empfänger oft erst nach dem Lesen, dass er nicht gemeint war. Ein schuldhaftes Verhalten liegt bei ihm in keinem Fall vor. Eine Strafbarkeit des Lesens, etwa nach §§202, 202a StGB (Strafgesetzbuch), besteht nicht, denn der Empfänger beschafft sich die Daten nicht unbefugt.
Verantwortlich für die Fehlzustellung ist zunächst der Versender. Auch dann, wenn ein Wurm-Trojaner-Gespann die E-Mail unbemerkt von seinem PC abschickt und der Anwender zuvor nicht für ausreichenden Virenschutz auf seinem Computer gesorgt oder wichtige Updates nicht aufgespielt hat.
Auf diese Gesetze zielen Disclaimer
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Die Aufforderung zur Verschwiegenheit spielt auf die vertragliche Geheimhaltungspflicht gemäß §311 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) an. Vertragsparteien sollen Stillschweigen über die Vertragsinhalte bewahren. Doch ein Vertrag setzt eine gegenseitige Vereinbarung voraus, die bei einem einseitigen Disclaimer nicht erfüllt ist. Empfänger, die den Disclaimer in diesem Punkt also nicht explizit annehmen, müssen auch nicht Stillschweigen bewahren. Wer zudem glaubhaft versichert, den Disclaimer gar nicht gelesen zu haben, ist sowieso fein raus.
Auf das Vervielfältigungsverbot durch das Urheberrechtsgesetz (§§15 Abs.1 Nr.1, 16 Abs.1 UrhG) soll sich das Weiterleitungsverbot in Disclaimern beziehen. Allerdings sind alltägliche Standard-E-Mails gar nicht nach UrhG schutzfähig. Denn das UrhG gilt lediglich für so genannte schöpferische E-Mails, deren Ausgestaltung diese zu einem ganz individuellen Werk macht. Das ist etwa bei E-Mails der Fall, die bestimmtes Fachwissen in eigenständiger Form beinhalten. Diese E-Mails sind jedoch auch ohne Disclaimer vor Vervielfältigung geschützt und dürfen lediglich vom intendierten Empfänger auf der Festplatte gespeichert, jedoch nicht weitergeleitet und dadurch vervielfältigt werden. Irrtümliche Empfänger allerdings haben gar kein Nutzungsrecht und dürfen die E-Mail nicht einmal speichern.
Personenbezogene Daten in E-Mails zu nutzen, will eine weitere Klausel in Disclaimern untersagen. Damit wird auf den Datenschutz durch §3 Abs.1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) gezielt. Das BDSG ist jedoch nicht auf das einfache Abspeichern und Weiterleiten von E-Mails anwendbar und gilt nur, wenn die personenbezogenen Daten aus der E-Mail extrahiert, gesammelt und über eine DV-Anlage systematisiert abrufbar gemacht werden. Dies ist nur zulässig, wenn der Betroffene der Verarbeitung seiner Daten ausdrücklich zustimmt (§4 Abs.1 BDSG). Diese Regelung gilt natürlich auch ohne entsprechenden Disclaimer.
Geheimhaltung auch ohne Disclaimer
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E-Mail-Disclaimer können also lediglich abschreckende oder informierende Wirkung haben, eine juristische Bedeutung kommt ihnen nicht zu. In einigen Fällen sind die Inhalte von E-Mails jedoch auch geschützt, ohne dass ein Disclaimer explizit darauf hinweist. So stellt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art.1 Abs.1, Art.2 Abs.1, Art.10 Abs.1 GG, Grundgesetz) wie beim klassischen Briefgeheimnis persönliche Inhalte unter Schutz, wenn der Versender kein begründetes Interesse an Offenlegung hat.
Auch für Vertragsinhalte wie im E-Mail-Verkehr mit Banken und Arbeitgebern gilt die Verschwiegenheit als Nebenpflicht. Vorsicht: Irrtümliche Empfänger werden dadurch jedoch nicht gebunden, da sie an dem Vertrag keinen Anteil haben.
Für bestimmte Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte, Notare und Steuerprüfer sowie Amtsträger gilt eine besondere Verschwiegenheitspflicht. Der Verstoß im Rahmen der Berufsausübung wird nach §203 StGB mit bis zu zwei Jahren Gefängnis bestraft. Wer solche Inhalte irrtümlich erhält, muss natürlich nicht mit Strafe rechnen.