IT-Beratung als “Schuss ins Knie”
Deloittes Honorar schockiert ganz Irland

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Irische Abzocke

IT-Beratung als “Schuss ins Knie”

Irland hat einen neuen öffentlichen Feind: Deloitte. In der Republik ist ein großer Streit entfacht über die Kosten von Beratern, die aus öffentlichen Geldern bezahlt werden, nachdem bekannt wurde, dass zwei teure von Deloitte betreute IT-Systeme in den Sand gesetzt wurden.

Der Krach schickt sich an, zu einem ausgewachsenen Skandal zu werden, der ein oder zwei Minister ihren Posten kosten und sich sogar dazu eignen könnte, bei den Parlamentswahlen ausgeschlachtet zu werden, die zwar erst in zwei Jahren anstehen, deren Wahlkampf jedoch bereits begonnen hat.

Und er könnte letztlich dazu führen, die Regierung Fianna Fail unter Premierminister Bertie Ahern zum Sturz zu bringen.

Doch der Streit ist weit tiefgründiger und geht über alltägliches Politik-Hickhack hinaus. Er hat eines der größten Reizthemen im derzeitigen öffentliche Leben Irlands neu angefacht – die Tatsache nämlich, dass trotz des neu gewonnenem Wohlstands, der Irland den Status des zweitreichsten Landes weltweit verschaffte, der wachsende Reichtum vieler Leute immer noch zu Lasten des Steuerzahlers geht.

IT als heißestes Thema der Saison

IT-Beratung als “Schuss ins Knie”

Gehandelt wird die “Irische Abzocke” als heißestes Thema der Saison, seit im Herbst die Knüller-Sendung gleichen Namens ausgestrahlt wurde. Das Programm prangerte öffentlich die hohen staatlichen Steuereinnahmen an und verriet dem Volk, wie viele und wofür öffentliche Gelder ausgegeben und häufig – so die Message – verschwendet werden.

Auch wenn man von Prime-time TV (also außerhalb der Hauptzuschauerzeiten) anderes erwartet, so hat das Programm doch einen allgemeinen Wirbel ausgelöst, der sich im öffentlichen Leben Irlands in heißen Finanz- und Politikdebatten niederschlägt – mit Deloitte IT-“Leistungen” mitten drin im Kreuzfeuer.

Aus Sicht des Unternehmens kam der Stunk um teuer erkaufte IT-Pleiten freilich genau zum falschen Zeitpunkt. Nach seinem ersten Auftreten in Regierungskreisen anerkennend als “Dail” (noble Gestalt im Unterhaus des irischen Parlaments) bezeichnet, sieht man Deloitte heute als etwas wie einen “gestürzten Helden”in Anbetracht der Einnahmen von rund 60 Millionen Euro für den vermasselten IT-Auftrag.

Große Projekte, große Probleme

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Konkret geht es um das PPARS-Projekt (personell, payroll and related systems), das für 140 000 Mitarbeiter im Gesundheitsressort ein Abrechnungssystem zur Verfügung stellen sollte, und das Parallelprojekt FISP, ein Finanzmanagementsystem ebenfalls für die Gesundheitsbehörden. Beide haben unterm Strich 180 Millionen Euro gekostet, und beide wurden eingestampft.

Das war bereits eine Katastrophe für sich. Aber was die Diskussion erst so richtig anheizte waren die völlig aus dem Ruder laufenden Kosten des PPARS-Projekts – und vor allem der Anteil, der davon in die Beraterverträge floss. In beiden Fällen war Deloitte als Berater engagiert worden.

Als 1998 PPARS genehmigt wurde – was man ohne viel Gegenwind als gute Idee verkaufen konnte – wurde von 9 Millionen Euro gesprochen. Im Jahr 2002 waren es bereits 17 Millionen, ein Jahr später 30 Millionen und 2004 schließlich war man bei der satten Summe von 100 Millionen Euro angelangt. Doch damit nicht genug. Anfang dieses Jahres erreichten die Schätzungen einen Betrag von 150 Millionen Euro, und das könnte sich noch steigern. FISP war ein viel kleineres Projekt, das nur 30 Millionen kostete, aber seine Befürworter sagten jährliche Einsparungen von 80 Millionen Euro voraus – sobald es einmal ist Einsatz sei.

Egal wie man über den Nutzen der Systeme denken mag: Gespart hat man mit ihnen nichts. Eine der vielen Schätzungen geht sogar soweit zu behaupten, dass bis zur Beendigung der Projekte die Rechnungssumme auf 400 Millionen Euro geklettert wäre.

…und es geht weiter

IT-Beratung als “Schuss ins Knie”

Premierminister Bertie Ahern und die unter Beschuss stehende Gesundheitsministerin Mary Harney rangen sich schließlich das Bekenntnis ab, die Beraterkosten für PPARS seien “maßlos überhöht”. Die Kontroverse führte zu einer neuen Regelung, wie die Regierung größere IT-Projekte überwachen könne. Die Minister müssen Verträge mit externen Beratern rechtfertigen können, und die Beamten sollen mehr Mitverantwortung bei deren Beschaffung bekommen.

Inwieweit diese Änderungen nur Kosmetik sind, wird sich erst noch zeigen müssen. In dem Moment, als die Bombe hoch ging, wurde bekannt, dass Deloittes Angebot für einen kleinen IT-Vertrag mit dem Umweltministerium Irlands akzeptiert wurde. Für die irische Öffentlichkeit mögen sie nicht die Berater ihrer Wahl sein, aber bei der Regierung scheint Deloitte immer noch im Rennen.

Im vergangenen Monat hat die irische Gesundheitsbehörde den Entschluss gefasst, sich aus den PPARS-Verträgen mit Deloitte zu lösen und die Fortführung des PPARS-Projekts bis auf weiteres zu vertagen.

Und so lautet die öffentliche Stellungnahme:

“Die Gesundheitsbehöreden und Deloitte sind bemüht, zu einem befriedigenden Abschluss der Arbeit im Rahmen der vertraglichen Übereinkünfte zu kommen”, sagte ein Verantwortlicher der Behörde. “Bevor wir weiter in das Projekt investieren, muss unserer Behörde garantiert werden können, dass das Projekt die Anforderungen erfüllt und seinen Preis wert ist.”

PPARS wird in vier Bereichen des staatlichen Gesundheitsdienstes bereits eingesetzt und auf absehbare Zeit auch benutzt werden. Eine Expertengruppe ist derzeit dabei, den längerfristigen Nutzen von PPARS für die Gesamtstruktur des staatlichen Gesundheitsdienstes Irland zu evaluieren.

Was lernen wir daraus? Bei IT im öffentlichen Sektor lässt sich noch immer gut abkassieren. Zumindest in Irland.

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