Handy-TV ein Witz?
Rufen Sie uns nicht an – Wir rufen Sie nicht an!
Mobile Seienopern!
Handy-TV ein Witz?
Sie haben es bestimmt auch schon irgendwo gelesen. Seifenopern kommen jetzt aufs Handy. Dave Williams, der Leiter der Technologie-Abteilung von O2, meint zu dieser Entwicklung: “Im Jahr 2010 wird es weltweit viele Millionen Menschen geben, die mobiles Fernsehen nutzen werden.” Dank O2, Arquiva (besser bekannt als NTL) und Nokia gibt es nämlich jetzt im Raum Oxford 400 glückliche Menschen, die Eastenders und Coronation Street auf dem großen hellen Display ihres erweiterten Nokia 7710 Handy ansehen können. Und wenn sie dann wirklich mal dringend telefonieren müssen, werden sie auf ihren leeren Akku aufmerksam werden.
Verstehen Sie mich nicht falsch, DVB-H, das System das O2 und Konsorten im Raum Oxford nutzen, ist toll. Es ist das gleiche System, das ich im August während der Athletik-Weltmeisterschaft in Helsinki benutzt habe. Ich war total von den Socken. Ich hab die Shuttle-Landung auf dem Handyscreen verfolgt, während ich in einem Restaurant aß. Anschließend bin ich in einem Bus durch die Stadt gefahren, in der Hand immer noch mein Handy, mit wackelfreien Bildern von rennenden und hüpfenden Menschen im Regen.
TV auf dem Handy bald für Jedermann?
Handy-TV ein Witz?
Aber hier kommt jetzt eine ganze Ladung Fakten, gedacht sozusagen als Gegenmittel gegen die allgemeine Hype-Hörigkeit. 3G Networks beispielsweise kann bereits Fernsehbilder aufs Handy bringen – aber über die Mobilfunknetze. Es dabei zu belassen wäre aber eine widersinnige Verschwendung des Spektrums, in das G3 Milliarden investiert hat. Außerdem macht es wesentlich mehr Sinn, Fernsehbilder eben über Fernsehfunkfrequenzen auszustrahlen. 3G ist ein guter Partner, will man Daten hin- oder hertransferieren. Oder um einen Video-On-Demand Service zu nutzen, um sich Sportereignisse, Wettergebnisse oder Pornos aufs Handy zu holen.
Digital Multimedia Broadcast dagegen basiert auf Eureka-147, dem DAB Digital Radio System. Die VHF DAB Frequenzen werden aber für Mpeg4 Video statt für Ton genutzt. Koreas Elektronik und Telekommunikations-Forschungsinstitut unterstützte tatkräftig das System. Doch VHF-Signale brauchen eine enorm leistungsstarke Antenne.
Anderer Anbieter anderes System
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Qualcomm, der amerikanische Mobiltelefonhersteller, buttert dagegen in wieder ein anderes Übertragungssystem, genannt Forward Link Only (FLO). FLO-Übertragungen wird es frühestens ab Oktober 2006 geben. In den USA. Und die gelangweilte, herablassende Art, mit der Qualcomm Presseanfragen aus Europa abhandelt, legt nicht gerade die Hoffnung nahe, dass die Firma irgendwelche Absichten hier in Europa hegt.
Das DVB-H System ist auf dem DVB-T System aufgebaut, das für kostenloses terrestrisches Digitalfernsehen in ganz Europa genutzt wird. Offiziell hat vor ziemlich genau einem Jahr das Europäische Institut für Standards in der Telekommunikation das System übernommen. DVB-H nutzt Mpeg4 und Datenraten um die 300 Kilobits pro Sekunde, bei bis zu 50 Sendungen gleichzeitig.
Encoding macht das System kompliziert
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Gegen Störungen wappnet sich DVB-H mit COFDM (Coded Orthogonal Frequency Division Multiplex, im Vergleich zu OFDM = Orthogonal Frequency Division Multiplex). COFDM zerschnipselt das gesamte digitale Signal in ungefähr 8000 einzelne, sehr eng begrenzte Übertragungskanäle. Auf jedem dieser rund 8000 Kanäle haben nur relativ wenige digitale bits Platz, die sehr langsam und quasi pulsierend streamen. Ungewollte Echos oder Störungen kommen immer genau zwischen diesen Signalen an und werden so ignoriert oder ausgeschaltet. Das Übertragungssignal von DVB-T, das sich vor allem in Deutschland ausbreitet, streamt dagegen kontinuierlich.
Und noch etwas macht DVB-H: Es zerhackt den Stream in IP Pakete. Diese Pakete werden im Speicher gebuffert bevor die Daten übertragen werden. Um nun zu erreichen, dass der Besitzer eines TV-Handys unterwegs nicht ständig den Receiver neu tunen muss, benutzt DVB-H ein SFN, ein Single Frequency Network, bei dem alle Sendestationen des Netzwerks auf der gleichen Frequenz senden.
Handy-TV muss weitgehend auf neue Frequenzen warten
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Da TV-Bilder im Allgemeinen verschlüsselt übertragen werden (Coded OFDM), müssen die entsprechenden Receiver sie erst entschlüsseln, damit die Bilder angeschaut werden können. Die Entschlüsselungscodes werden dann wiederum über den Mobilfunk gesendet, sobald die Bezahlung des Sende-Abos erfolgt ist. Wenn es aber gar keine Verschlüsselung gäbe, dann gäbe es auch keinen Bedarf für einen mobilen Rückkanal. Das ist jedoch nichts, worüber in Mobiltelefonhersteller-Kreisen offen diskutiert wird.
DVB-H ist mit DVB-T Receivern nicht kompatibel, braucht also komplett neue Frequenzen. In Oxford ist nur zufällig eine frei geworden. Alle anderen Orte müssen vermutlich warten, bis das Analogfernsehen irgendwann mal abgeschaltet wird. Der Analog-Service von Kanal 5 besitzt derweil weiter die Frequenz, die einmal für das nationale Single Frequency Network Digitalfernsehen vorgesehen war.
Mobilfunkkonzerne gehen in Zukunft leer aus
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Auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin hat Thomson einen tragbaren Fernseher vorgestellt, der mit ganz normalem DVB-T System läuft. Der Receiver nutzt die Vielfalt des Signals. Mit zwei Antennen und zwei Tunern, die unablässig Tausende von OFDM-Trägern analysieren und die besten herauspicken. Mit der Vielfalt von OFDM braucht niemand DVB-H oder komplett neue Frequenzen. Und: Keiner in England braucht mehr O2. Oder irgendeinen anderen Mobilfunkanbieter. Tja, tut mir wirklich leid für Sie, Mister Williams.