Kleine und mittlere IT-Unternehmen hoffen auf weiteres Wachstum
2006: Mehr Umsatz, mehr Bürokratie, mehr Investition

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Erste Ärgernisse

Kleine und mittlere IT-Unternehmen hoffen auf weiteres Wachstum

Mit einem Ärgernis ist jeder Dienstleister, Ingenieur und IT-Unternehmer gleich im Januar konfrontiert: Hat er Mitarbeiter und abhängig Beschäftigte, dann muss er die Sozialversicherungsbeiträge bis zu drei Wochen früher überweisen. Das kostet Liquidität und schafft Unsicherheit, denn noch vor Monatsende muss bezahlt werden, obwohl Fluktuationen, Saisonkräfte und Aushilfen erst nach Monatsablauf eine korrekte Berechnung zulassen.

So sind künftig viele Kleinbetriebe gezwungen, den doppelten Aufwand zu betreiben, falls die Beschäftigung stark schwankt oder stark variierende Arbeitszeiten auftreten: Es wird eine zusätzliche Lohnabrechnung im Monat nötig, um den Sozialkassen nachträglich zu beweisen, dass doch zu viel überwiesen wurde. Ergo werden Mittelständler wieder dafür bestraft, dass sie Arbeitsplätze schaffen. Sie entlasten die notorisch klammen Versicherungsträger, gewähren den Sozialkassen quasi zinslose Darlehen, vermindern ihr eigenes Finanzpolster und dürfen dafür noch einen erhöhten bürokratischen Aufwand treiben und finanzieren!

Einzig der Mittelstand in Bayern kommt mit einem blauen Auge davon: Dort hatte der Wirtschaftsminister Erwin Huber ein Einsehen und erlaubt den Unternehmen, ihren Beitragsaufwand künftig lediglich zu schätzen. Weicht das endgültige Abrechnungsergebnis davon ab, wird die Differenz bei der nächsten Überweisung ausgeglichen. Die Sozialkassen haben also immer noch ihr Geld früher, doch der bürokratische Mehraufwand wird auf ein Minimum reduziert. Bayern konnte diese Regelung in Abstimmung mit den Sozialversicherungsträgern vereinbaren. Eine Gesetzesänderung – für die der Bund zuständig wäre – ist dafür nicht erforderlich.

Optimismus blüht

Kleine und mittlere IT-Unternehmen hoffen auf weiteres Wachstum

Trotz dieses enormen Dämpfers, mit dem das Jahr 2006 startet, gehen IT-Mittelstand und die gesamte Branche mit positiven Erwartungen in das WM-Jahr. So werden steigende Umsätze und Gewinne prognostiziert: Plus 2,4 Prozent auf 137,3 Milliarden Euro werde der Gesamtumsatz zulegen, glaubt der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom). Diese Annahme basiert auf einer Umfrage, laut der fast 70 Prozent der Unternehmen mit steigenden Gewinnen rechnet.

Der Präsident des Mittelstandsverbands BVMW, Mario Ohoven (Bild), rechnet 2006 sogar mit einer Entspannung am Arbeitsmarkt: “Das Stimmungstief im Mittelstand ist endlich überwunden.” Gut ein Drittel der Unternehmer gingen für 2006 von einer Verbesserung der wirtschaftlichen Lage aus und wollen mehr investieren, fügte er mit Blick auf den Mittelstandsindex des Münchner Ifo-Instituts an.

Die Zahl der Beschäftigten in der Branche werde bis zum Jahresende voraussichtlich um 4 000 auf 749 000 gestiegen sein, glaubt Bitkom-Präsident Willi Berchtold: “Vor allem die mittelständischen Software-Häuser und IT-Dienstleister stellen ein.” Ursprünglich hatte der Verband allerdings 10 000 neue Stellen erwartet. Während der IT-Mittelstand wachse, bauen die Großunternehmen leider ab, bedauert Berchtold. “Die kleinen und mittleren Unternehmen zeigen erneut, dass die Schaffung neuer Jobs möglich ist”, ergänzt Bitkom-Vizepräsident Heinz-Paul Bonn.

Der zu erwartende leichte Geschäftsaufschwung veranlasse die Firmen zu mehr Investitionen, glaubt auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Das bestätige das jüngste Mittelstandspanel. Laut der Umfrage wollen gut ein Drittel der IT-Unternehmen eine höhere Summe in Sachanlagen investieren als noch im Vorjahr. 80 Prozent davon entfallen auf den Standort Deutschland.

Einen zusätzlichen Investitionsschub erwartet auch Stefan Ortseifen, Sprecher der IKB Deutsche Industriebank AG: “Mittelständische Unternehmen investieren in aller Regel nicht kontinuierlich. Vielmehr nehmen sie über Jahre hinweg kleinere Vorhaben in Angriff, um dann eine Vielzahl von Maßnahmen im Rahmen größerer Projekte zu bündeln.” Vieles spreche dafür, dass es in den kommenden zwei Jahren verstärkt zu solchen “Sprunginvestitionen” kommen werde, so der IKB-Vorstand.

Obwohl der deutsche Mittelstand das abgelaufene Jahr sehr kritisch beurteilt, wollen 44 Prozent der mittelständischen Firmen in 2006 investieren, berichtet eine Vergleichsstudie der Organisation “The Executive Committee” (TEC). Das sind annähernd so viele wie in den USA. Für die Studie wurden 2150 mittelständische Führungskräfte in Deutschland und den USA befragt.

Lästige Bürokratie

Kleine und mittlere IT-Unternehmen hoffen auf weiteres Wachstum

Zu den Aufgaben der neuen Bundesregierung befragt, fordern die IT-Unternehmer, die Bürokratie abzubauen und die Lohnzusatzkosten zu senken. “Union und SPD müssen im politischen Alltag beweisen, wie ernst es ihnen ist mit den Bemühungen um den Mittelstand”, betont Arndt G. Kirchhoff, Vorsitzender des BDI-Mittelstandsausschusses.

Doch die Änderungen bei den Sozialversicherungsmeldungen zeichnen bereits ein anderes Bild. Die IT-Wirtschaft dürfte es zwar freuen, dass die Meldungen nur noch elektronisch (per verschlüsselter Datenübertragung) abgegeben werden dürfen – da steht manche EDV-Aufrüstung an – doch gleichzeitig sind sie selbst von den Änderungen betroffen. Wer sich nicht an die Abgabefristen hält, dem drohen Geldbußen bis zu 5000 Euro. Und anders als bei Steuerdaten sind keine Härtefallregelungen für Betriebe vorgesehen, die zu schwach besetzt sind, um den Vorgaben in allen Punkten nachzukommen. Dies führt sicher zu erheblichen Abwicklungsproblemen und damit einer weiteren bürokratischen Belastung bei Klein- und Mittelbetrieben.

Arbeitgeber müssen zudem darauf achten, dass die von ihnen verwendeten Programme zur maschinellen Datenübertragung an die Sozialversicherungsträger systemgeprüft sind und einer ständigen Qualitätskontrolle unterliegen. Wer diese Art von staatlich verordneter Zwangs-Zusatzarbeit nicht leisten kann oder will, muss sich für die Abwicklung der Lohn- und Gehaltsabrechnung einem Servicepartner suchen, rät www.heuer-personal.de.

Ungemach droht auch von einer möglichen Änderung der steuerlichen Regelung bei Firmenwagen: Passiert die Regierungsvorlage Bundestag und Bundesrat, kriegen Selbständige und Kleinunternehmer Stress mit dem Firmenwagen, sofern er auch privat genutzt wird. Da droht das exakte Führen eines Fahrtenbuches oder der Verzicht auf die komfortable 1%-Prozent-Regelung.

Von der Regierung fordern Mittelstands-Vertreter “einen strikten Reformkurs”. Verbandspräsident Mario Ohoven spricht sich dafür aus, “die Unternehmenssteuerreform früher als 2008 zu verwirklichen. Wenigstens die steuerliche Gleichstellung der Personen- mit d
en Kapitalgesellschaften.”

In die falsche Richtung gehen aus Sicht des Bitkom die schon bekannt gewordenen geplanten Maßnahmen im Steuerrecht. Zwar soll demnach die degressive Abschreibung wieder erhöht werden, was einen Investitionsanreiz geben könnte, aber sie wirke nur dann in vollem Umfang, wenn der dadurch entstehende Verlust steuerlich anerkannt wird. Dies sei aber bei der geltenden Mindestgewinnbesteuerung nicht der Fall. Außerdem kann die degressive Abschreibung nicht auf immaterielle Wirtschaftsgüter angewendet werden, wodurch Software-Anbieter also nicht profitieren können.

Jene erhalten dafür Unterstützung vom VDEB-Verband, der sich für 2006 vorgenommen hat, die mittelständischen Software-Hersteller stärken zu wollen. Vor allem wolle sich der VDEB für den IT-Mittelstand stark machen. Zum Auftakt findet am 26. Januar 2006 in Frankfurt die Gründungssitzung einer neuen Fachgruppe “Mittelständische Branchen-Softwarehersteller” statt. Hieraus sollen weitere Aktivitäten hervorgehen. Am 9. März werde der Verband auf der CeBIT eine Pressekonferenz zu diesem Anliegen abhalten.

Zu wenig Experten

Kleine und mittlere IT-Unternehmen hoffen auf weiteres Wachstum

Wer über 2006 hinausblickt, sieht vor allem für die kleinen und mittleren IT-Betriebe zwei Problemfelder: Zum einen die Mehrwertsteuererhöhung in 2007, die zumindest vorübergehend Konsum und Einzelhandel belasten dürfte. Zum anderen droht ab 2008 der Branche ein Fachkräftemangel. Die Zahl der Studienanfänger im Fach Informatik geht dramatisch zurück, melden die Universitäten. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) schlägt ebenfalls Alarm, denn dem Mittelstand drohe ein “Loch” von 11 500 Ingenieuren, was zu Wachstumsverlusten führen könne, weil das Personal fehle. 50 Prozent der freien Stellen in Forschung und Entwicklung könne der Mittelstand künftig nicht mehr besetzen, warnt eine repräsentative Studie des VDI.

“Laut unserer Untersuchung rechnen 57 Prozent der erfolgreichen IT-Unternehmen mit weiter steigendem Ingenieurbedarf. Wir haben eine Herkules-Aufgabe vor uns, diese große Anzahl an qualifizierten Ingenieuren zu beschaffen”, blickt VDI-Direktor Dr. Willi Fuchs sorgenvoll in die Zukunft. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung – immer mehr ältere, immer weniger junge Arbeitnehmer und Studenten – hält er es für “höchst unwahrscheinlich”, dass der Ingenieursmangel in absehbarer Zeit gemildert werden könne. Vor allem der Mittelstand werde zu kämpfen haben, denn gute Absolventen zögen große Konzerne immer noch vor. Kleinere IT-Unternehmen haben es da etwas leichter, dank ihrer anspruchsvollen Thematik, müssten aber künftig trotzdem über “geeignete Alternativstrategien” nachdenken. Das könnte bedeuten, mehr Frauen, älteren Arbeitnehmern oder auch mal einem arbeitslosen Ingenieur eine Chance zu geben, rät Fuchs.

Doch scheinbar fruchten solche Appelle wenig. Viele Arbeitgeber hätten die Situation auf dem Arbeitsmarkt noch gar nicht realisiert, merkt Joachim Neuerburg an, Geschäftsführer des VDI Wissensforums.

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