BI-Software ersetzt nicht die menschliche Intelligenz
Business Intelligence auf dem Prüfstand: Gartner demonstriert Ist-Zustand
Schlechte Show für gute Sachen
BI-Software ersetzt nicht die menschliche Intelligenz
Es scheint wie ein unumstößliches Gesetz: Am Anfang jeder Großkonferenz im IT-Sektor steht irgendeine Bühnenshow, die so peinlich ist, dass das gesamte Publikum am liebsten auf der Stelle im Erdboden versinken möchte.
In dieser Hinsicht gab es auch bei den Gartner-Analysten mit ihrer BI (Business Intelligence) Konferenz, die Anfang Februar in London stattfand, keine Überraschungen. Montags in aller Früh nahmen drei von Gartner´s BI-Spezialisten – schwarzer Anzug, rotes Hemd und coole Sonnenbrille – die Bühne einer düsteren Kongresshalle in Besitz und ließen einen Remix von Kraftwerk aus den Lautsprechern dröhnen.
Das Trio war offensichtlich eine neue Band namens Star Schema, deren verzerrte Stimmen etwas von “score-car-ding” und “bud-get-ing” texteten.
Es war genauso schlimm, wie es sich anhört.
Front-Sänger und Gartner-Analyst Frank Buytendijk wollte damit zeigen, dass das Remixen eines Kraftwerk-Stücks die perfekte Metapher für die gegenwärtige Lage des BI-Markts ist. Seine Message heißt: Die innovative Änderung älterer Technologien ist ein typisches Merkmal des BI-Markts. Die derzeit populären Dashboards für das Berichtswesen der Unternehmen seien sind nichts anderes als aufgemotzte EI-Systeme (Executive Information Systems) der Neunziger.
Schleichende Innovation
BI-Software ersetzt nicht die menschliche Intelligenz
Dass die Vergangenheit immer wieder eingeholt wird, überrascht kaum, wenn man bedenkt, dass die Anforderungen an Berichtssysteme eigentlich seit Jahrhunderten dieselben sind. Seit Händler über ihre Umsätze Buch zu führen gelernt haben, hegen sie auch den Wunsch, bessere Unternehmenszahlen zu schreiben, um entsprechende Entscheidungen zu untermauern.
Sollte nun die Zeit gekommen sein, wo die Produkte am BI-Software-Markt ausgereift genug sind, um dieses Bedürfnis vollständig zu befriedigen?
Als im vergangenen Jahr Unternehmen wie Business Objects, Hyperion und Cognos integrierte BI-Plattformen auf den Markt brachten, wurden Firmen endlich in die Lage versetzt, über jede einzelne ihrer Aktivitäten und Transaktionen sofort zu berichten und diese Information auch umgehend jedem Angestellten der Firma zugänglich zu machen.
Natürlich gibt es noch massive technische Barrieren, bevor der Level einer allgegenwärtigen BI erreicht ist. Oft sind zunächst umfangreiche Integrations-Projekte erforderlich, um Datenbestände aus ihren Anwendungs-Silos zu befreien. Dazu müssen Unternehmen sich für eine standardisierte BI-Lösung entscheiden und ihre Benutzeroberflächen entsprechend anpassen, um sicherzustellen, dass sie für alle Personalbereiche nutzbar ist.
Viel Rauch um noch mehr Arbeit
BI-Software ersetzt nicht die menschliche Intelligenz
Angesichts solcher Herausforderungen nimmt es nicht Wunder, dass die ausgeklügeltsten BI-Systeme, die derzeit eingesetzt werden, unter relativ
jungen Internetfirmen wie Amazon und Yahoo zu finden sind. Oder wie es David Pryor von Oracle ausdrückt: Wenn du ein Baugrundstück hast, ist das Hausbauen kein Problem mehr.
Aber selbst in komplexen Umgebungen mit unterschiedlichen veralteten Systemen zeigt sich allmählich etwas mehr Einsicht von Seiten der Firmen. Während der Konferenz ließ Gartner Vertreter verschiedener Organisationen aufmarschieren, die Berichtstools für immer größere Mitarbeiterzahlen liefern. Bemerkenswert waren die Ausführungen von Jeremy Thorp vom Projekt NHS Connecting for Health. Er legte dar, wie in seinem Unternehmen Datenhaltung und BI-Tools benutzt werden, um Ärzten, Forschern und Managern Trenddaten und Berichte zum Gesundheitszustand jeder einzelnen Person in England zur Verfügung zu stellen.
Wer dieser Rede lauschen durfte, dem sei verziehen, wenn er glaubt, BI-Tools wären heute tatsächlich in der Lage, einer gesamten Firmen-Belegschaft den nötigen Einblick zu geben, um eine dauerhafte Optimierung ihrer Tätigkeiten zu gewährleisten.
Doch leider – so stellten immerhin ein paar schlaue Füchse unter den Rednern fest – wird jeder, der BI-Technologie einführt und dann als automatische Folge eine Optimierung der Lieferkette oder eine Maximierung der Verkaufszahlen erwartet, gewaltig enttäuscht sein.
Zwecklose Reportsysteme ohne passende Vorgaben
BI-Software ersetzt nicht die menschliche Intelligenz
Professor Andy Neely von der Cranfield School of Mangement argumentierte in seiner Ansprache, dass ein Reportsystem allein zwecklos ist, wenn Firmen es versäumen, die richtigen Leistungsindikatoren zu messen und nicht wissen, was sie mit der erhaltenen Informationsflut anfangen sollen. Er nannte ein Beispiel der Londoner U-Bahn, wo Abfallmengen gemessen werden und dabei “Abfall” als “Gegenstände” definiert wurden, die länger sind als 5 cm. Okay, zerreißen wir also alles in kleinere Stücke, machen es so automatisch zum Abfall, uns schaffen wir diesen einfach aus der Welt!
Berichte können auch unvorhergesehene negative Auswirkungen haben. Neely wusste von einer Firma zu berichten, die Systeme für Elektronik-Wiederverkäufer einrichtete, um die Verkaufsleistung einzelner Läden zu bewerten. Als Ergebnis wetteiferten die Händler eines gemeinsamen Handelsnetzes untereinander – in dem Versuch, sich gegenseitig zu unterbieten.
“Wenn Sie aus einer Datenmessung wirklich Nutzen ziehen wollen, muss es Ihnen vor allem um die Geschichten hinter diesen Daten gehen”, mahnt Neely. “Sie müssen als Detektiv vorgehen und herausfinden, was es ist, das die Messungen beeinflusst.”
Diesen Rat sollte sich jeder IT-Verantwortliche, der mit BI-Projekten arbeitet, hinter die Ohren schreiben. Viele BI-Anbieter und IT-Leiter zeigten sich auf der Konferenz geradezu euphorisch darüber, wie viel Einblick die neuen BI-Tools den Unternehmen erlauben. Aber wenn die Einführung solcher Systeme nicht mit etwas altmodischem Geschäftssinn untermauert wird, werden die BI-Anwendungen der Zukunft so wenig willkommen sein wie ein schlecht gemachter Kraftwerk-Remix.