Behindert die physische Unfassbarkeit von Downloads den Fortschritt?
Gehostete Anwendungen kämpfen gegen Besitzdenken
Musi-CDs und Software: Sammlerstücke
Behindert die physische Unfassbarkeit von Downloads den Fortschritt?
Ich muss mir einen neuen CD-Ständer kaufen. Mein alter ist voll und zum großen Ärger meiner Freundin stapeln sich die CDs jetzt unordentlich auf dem Fußboden.
Verlässt man sich auf die Befürworter des digitalen Heims, kann dieses Problem eher von PC-Outlets als von Ikea gelöst werden. Mit einem der neuesten Mediencenter-PCs kann der Inhalt aller in meinem Besitz befindlichen CDs – ganz zu schweigen von den DVDs, die in ihrer Ecke nur Staub ansetzen – in eine einzige stromlinienförmige Box gequetscht werden. Musik ist sofort verfügbar, neue Alben kommen über den Äther und meine aktuelle Sammlung kann dann auf Eis gelegt werden.
Aber selbst, wenn mich zu einem solchen Kauf entschließen könnte, brauchte ich noch immer einen neuen CD-Ständer. Nicht weil ich zu den Technikfeinden gehöre, die sich dem Fortschritt widersetzen und sich insgeheim noch immer wünschen, dass Musik mit Stäben gemacht wird, die gegen Stein geschlagen werden (wobei ich hörte, dass das nächste Album der Gruppe White Stripes sich in hohem Maße auf diese Technik stützt). Es ist einfach so, dass diese technischen Spielereien mich weder davon abhalten können, CDs zu kaufen noch mich dazu bringen können, meine Sammlung auf den Dachboden zu verdammen. Jetzt weiß ich, dass dies eine unzeitgemäße (oder unpassende) Meinung ist, insbesondere als HMV (“His Master’s Voice”, ein Musiklabel seit 1899, das unter gleichem Namen eine Musikladenkette in England betreibt) kürzlich bestätigte, dass sein Weihnachtsgeschäft genauso dürftig gewesen sei wie das Verständnis der britischen Drogengesetze beim 26jährigen Sänger Pete Doherty. Nur dass ich glaube, dass CDs noch gut ein paar Jahrzehnte vor sich haben.
Tastsinn schlägt diffuses Bit-Gewusel
Behindert die physische Unfassbarkeit von Downloads den Fortschritt?
Als Kind der 80er Jahre waren die CDs “meine Scheiben”, und wie die LP-Vinylscheiben-Junkies früherer Generationen habe ich zu dem von mir gewählten Musikformat eine gefühlsmäßige Bindung. Es verschafft mir einfach Befriedigung, CDs zu kaufen, jede in der ihr eigenen künstlerischen Gestaltung und Hülle – was nicht funktioniert, wenn man eine Liste über den Fernsehbildschirm abrollen lässt.
Der Grund dafür ist einfach. Menschliche Wesen sind Geschöpfe mit einem Tastempfinden und die stoffliche Form von CDs – wie auch der andere Fluch der modernen Medienformate – das Buch, vermittelt ein wesentlich stärkeres Gefühl der Sicherheit, sie auch wirklich zu besitzen, als es ein digitaler Download jemals zuwege bringen könnte.
Als Folge sind sie besondere Sammelstücke. Man kann sich den Urtrieb des Hortens nur schwer vorstellen, der das Kaufverhalten so vieler Musikfans bestimmt, die zufrieden sind, wenn sie nur irgendeinen digitalen Abklatsch der Scheiben ihr eigen nennen können.
Das alte Sprichwort “Glaube nur was du siehst” hat noch immer seine Gültigkeit.
Wie die Musik, so die Software
Behindert die physische Unfassbarkeit von Downloads den Fortschritt?
Und hier noch eine weitere unzeitgemäße Meinung: Eben diese Mentalität wird schließlich und endlich nicht nur den Fortschritt von Musik-Downloads behindern, sondern von jeglicher Art von downloadbarer und gehosteter Software – ob nun zu Hause oder in der Arbeit.
Gehostete Software wie auch Musik-Downloads genießen momentan so etwas wie verlängerte Flitterwochen. Aber auch wenn man Bedenken bezüglich der Zuverlässigkeit des Modells ignoriert, – was kaum ein Streitpunkt angesichts der kürzlichen Ausfälle bei Salesforce.com sein dürfte – werden viele IT-Manager bei dem Wunsch bleiben, ihre Software selbst zu besitzen.
Wie es auch beim digitalen Heim der Fall ist, macht gehostete Software Sinn in Sachen Kosten und Komfort. Aber viele werden sich schwer tun, dieses gewisse Gefühl der Unsicherheit zu überwinden, das sich bei dem Gedanken einschleicht, dass einem die Software, die man braucht, nie ganz gehört und man sie – was noch wesentlicher ist – nie wirklich unter Kontrolle hat.
Server, die Unternehmenssoftware beherbergen, sind keine Sammlerstücke wie CDs und sie brauchen ganz bestimmt mehr Platz. Aber einer großen Anzahl von IT-Managern wird es auch in Zukunft ein Gefühl der Zufriedenheit vermitteln, dass sie sie sehen können, wie ihre Sachen friedlich in ihrer Ecke vor sich hinbrummen.