Digitale Kopien durch die analoge Hintertür
Erlaubt oder geklaut?

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Recht auf digitale Privatkopie

Digitale Kopien durch die analoge Hintertür

Ein weit verbreiteter Irrtum: »Sobald ein Kopierschutz verwendet wird, darf ich keine Kopie der Audio-CD oder Video-DVD anfertigen.« Doch ganz so einfach ist es nicht. Am 22. März hat die Bundesregierung den Zweiten Korb der Urheberrechtsnovellierung beschlossen. Dieser sieht weiterhin das Recht auf eine digitale Privatkopie vor. Dieses Recht kann zwar nicht gegen einen Kopierschutz durchgesetzt werden, doch die analoge Kopie vorbei am digitalen Kopierschutz ist weiterhin nicht explizit ausgeschlossen.

Viele Leser fragen deshalb: »Darf ich Programme, die analoge Kopien oder Web-Radio-Aufnahmen ermöglichen, legal einsetzen?« Die Wahrheit liegt zwischen der Panikmache der Musikindustrie und der sorglosen Einstellung mancher User, die mitnehmen, was sie bekommen können.

Legale MP3s aus dem Web(-Radio)

Digitale Kopien durch die analoge Hintertür

Mit der richtigen Software ist es ganz einfach: Man kann sich über Nacht sein eigenes MP3-Musikarchiv zusammenstellen. Freeware-Tools wie Phonostar Player, iRaTe V2, Station-Ripper oder Stream-Weaver scannen die Internet-Radios und legen einzelne Audio-Files an. Am nächsten Morgen ist die MP3-, WMA- oder OGG-Sammlung auf der Festplatte gespeichert. Legal oder illegal?

Die Antwort lautet: Es ist legal, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind: Die mitgeschnittene Musik darf man nur für den privaten Gebrauch nutzen. Eine Verbreitung – zum Beispiel auf der eigenen Website – ist untersagt. Auch ist es nicht erlaubt, von den Musikstücken CDs zu brennen und im großen Stil zu verbreiten oder zu verkaufen. Bestenfalls ist es noch erlaubt, einige wenige Kopien herzustellen – zum Beispiel eine für den CD-Player im Auto oder als Geburtstagsgeschenk für einen guten Freund. Zweite Voraussetzung: Bei den Internetradios, von denen Sie die Musik holen, darf es sich nicht um »offensichtlich rechtswidrige« Quellen handeln. Sie werden in der Praxis aber ohnehin kaum wissen, von welchem Internet-Sender das Tool welches Musikstück mitgeschnitten hat.

Offensichtlich illegale Internet-Radios sind bislang in der Öffentlichkeit nicht bekannt. Illegal ist ein Radio, das für die Verbreitung der Musik keine Vergütung an eine Verwertungsgesellschaft zahlt – in Deutschland zum Beispiel die GEMA. Der Kauf von Software, mit der systematisch Musik von Internet-Radios mitgeschnitten werden kann, ist aber in jedem Fall erlaubt.

Am Kopierschutz vorbei

Digitale Kopien durch die analoge Hintertür

Eine Gesetzeslücke nutzen auch Software-Hersteller aus, deren Tools von digitalen Datenträgern analoge Kopien anfertigen, die dann wiederum digitalisiert werden. Ein digitaler Datenträger ist mit einem Schutz versehen, der die Herstellung einer digitalen Kopie verhindert. Das Urheberrechtsgesetz verbietet die Umgehung des Schutzes, auch für Privatkopien. Es ist auch verboten, solche Programme zu verkaufen oder einzuführen. Das Gesetz verbietet aber nicht, von einem digitalen Datenträger eine analoge Kopie herzustellen.

Das ist vollkommen legal: Ein digitaler Schutzmechanismus kann derzeit nicht die Herstellung einer analogen Kopie verhindern. Es ist deshalb auch möglich, eine kopiergeschützte Audio-CD aufzunehmen, indem man den analogen Ausgang der Hi-Fi-Anlage mit dem Line-in-Eingang der Soundkarte am PC verbindet. Die Qualität der Kopie lässt kaum Wünsche offen. Einziger Nachteil: Das Kopieren erfolgt in Echtzeit, im Gegensatz zum digitalen Rippen nicht kopiergeschützter CDs etwa mit der Freeware EAC.

Legal oder illegal?

Digitale Kopien durch die analoge Hintertür

Der Unterschied besteht nun alleine darin, dass die Kopie nicht direkt digital am Rechner hergestellt wird, sondern über den analogen Umweg. Die CD wird von der Hi-Fi-Anlage in analoge Signale umgewandelt und erst über diesen Umweg wieder über die Soundkarte des PC digitalisiert.

Aus der Sicht der Musikindustrie ist dies sicherlich illegal, weil die analoge Kopie lediglich die Zwischenstufe zur digitalen Kopie ist. Auch kursieren im Internet Aussagen unter Hinweis auf das Bundesjustizministerium, nach dem das Gesetz angeblich nicht zwischen analogen und digitalen Träger- oder Aufnahmemedien unterscheiden würde.

Analoge Umwege nicht verboten

Digitale Kopien durch die analoge Hintertür

Setzt man sich mit dem Zweck des Gesetzes und seiner Entstehung auseinander, kann die Antwort nur lauten: Digitale Kopien durch die analoge Hintertür verbietet das Gesetz nicht. So heißt es schon in der Begründung zum Gesetzentwurf, der erstmals das Verbot enthielt, technische Schutzmaßnahmen zu umgehen: »Hiermit schützen Rechtsinhaber in der digitalen Welt Inhalte vor der Nutzung ohne ihre Einwilligung.« (Bundestags-Drucksache 15/38, Seite 1).

In der Begründung und auch in der Diskussion war stets von der »digitalen Privatkopie« die Rede. Die besonders geschützten Schutzmechanismen beziehen sich auch auf Digitalkopien. Es kommt bei dem Gesetz gar nicht darauf an, ob der Zweck des Schutzmechanismus letztlich darin besteht, eine digitale Kopie zu verhindern. Es stellt sich nur die Frage, ob von dem digitalen Original unmittelbar eine digitale Kopie erstellt wird.

Eine Umgehung wie beschrieben verbietet sich daher nicht. Wer sein Haus mit einer Stahltür und fünf Schlössern sichert, muss sich nicht wundern, wenn der Besucher durch die offene und jederzeit zugängliche Hintertür kommt.

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