Navigation & Usabilty
Benutzerführung für komplexe Websites
Website-Monstren
Navigation & Usabilty
Bevor das Design oder gar die Programmierung für eine Website beginnt, entsteht die Struktur. Dies ist zumindest das Ideal, das auch eingehalten werden sollte, wenn ein Content-Management-System scheinbar alle Freiheiten bietet. In diesem Stadium wird viel Wert auf eine Einteilung in vernünftig benannte Oberpunkte und eine logische Verschachtelung gelegt. Zugegeben, auch dies ist ein Ideal, aber zumindest sollte es so sein.
Die Probleme beginnen meist, wenn eine Website zu wachsen beginnt. Die Navigation wird schnell um ein paar Hauptpunkte erweitert und die Zahl der Navigationsebenen wächst kontinuierlich. In dieser Phase wird meist nicht mehr ganz so lange über gute Namen und eine logische Verschachtelung nachgedacht. Vor allem die immer einfacher zu bedienenden und immer mächtigeren CM-Systeme verleiten dazu, einfach mal neue Hauptnavigationspunkte dazuzupacken. Aber auch statische Websites und eigene Anwendungen wachsen oft rasant.
Etwas seltener sind Websites, die von Anfang an sehr komplex sind. Meist sind solche Monstren bei Organisationen zu finden, die aus vielen Bereichen Berichtenswertes versammelt haben. Dazu zählen staatliche Institutionen, Gemeinden, größere und mittlere Unternehmen, die in verschiedene Bereiche aufgeteilt sind. Die Probleme entstehen schon bei der ersten Konzeption, da die verschiedenen Tätigkeitsbereiche unter einen Hut gebracht werden müssen. Natürlich sind all die genannten Probleme individuell. Keine Website und keine Organisation ist gleich. Trotzdem kann dieser Artikel Erfahrungen wiedergeben und allgemein gültige Regeln für komplexe Navigationen und Websites erforschen.
Die Basis sind dabei Websites, die Informationen an den Mann bringen möchten. Online-Shops unterliegen wieder anderen Regeln.
Faustregeln
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Klar ist also, dass die Benutzerfreundlichkeit maximiert werden sollte. Gibt es also Faustregeln, um das Nutzungs-Problem der komplexen Navigation zu lösen? Die meisten Faustregeln, die die Navigation betreffen, drehen sich um Zahlen. Vorgeschlagen wird, wie viele Elemente die erste Navigationsebene, die Hauptnavigation, und jede weitere Ebene haben soll. Außerdem geht es darum, wie viele Ebenen eine Website in die Tiefe gehen soll.
Die Menge an Elementen reicht von sieben bis zehn. Orientierung ist dabei die Theorie aus der Psychologie, dass ein Mensch ungefähr sieben Informationshäppchen, so genannte Chunks, aufnehmen kann. Bei der Zahl der Ebenen schwankt die maximal empfohlene Tiefe zwischen drei und fünf Ebenen. Gehen Sie von den niedrigen Empfehlungen aus, ergeben sich immerhin 7 x 7 x 7 mögliche Seiten, also 343. Eine Ebene mehr liefert schon 2401 Seiten. Das heißt also, ab ungefähr 500 Seiten sollten Sie über vier Ebenen nachdenken.
Leider unterliegt diese Faustregel der Schwäche vieler Faustregeln: Sie ist zu allgemein. Bei Nachrichtenseiten wie Spiegel.de oder Focus.de ist die Navigation nicht sinnvoll in vier Gliederungsebenen aufzuteilen. So viel Geduld und Suchmotivation hat kein Nutzer. Dafür macht es nichts, wenn der Besucher die Navigation nicht sofort erfassen kann. Für ihn sind zuerst die wichtigen Informationen sichtbar, sprich hier die aktuellen Nachrichten. Die Navigation spiegelt nur die Ressortaufteilung wider und hilft, spezielle Nachrichten zu finden.
Konzept der Wichtigkeit
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In der Tat ist es so, dass sich flache Hierarchien und lange Navigationen für Nachrichtenportale jeder Couleur durchgesetzt haben. Ganz gleich ob Sport, IT oder Tierfreunde, die Nachrichten stehen im Vordergrund, die Navigation selbst im Hintergrund. Störend für den Nutzer wird es, wenn er die komplexe Hierarchie einer Nachrichtenseite am eigenen Leib, sprich durch zu viel Klicken erfährt. Berüchtigt dafür ist das Portal Sport.de von RTL. Hier gelangt der Nutzer, wenn er auf einen Artikel auf der Hauptseite klickt, nicht direkt auf die Nachricht, sondern wieder auf eine Übersichtsseite. Wenn er Pech hat, muss er dort noch einmal auf den Teaser zum Artikel klicken und landet dann erst beim eigentlichen Text. Zwei oder drei Klicks sind hier schon eine im Vergleich zur Konkurrenz ungewohnte Qual für den Nutzer.
Warum aber können Nachrichtenportale so vorgehen, während Unternehmens-Websites besser mit schlankeren und dafür tieferen Navigationen arbeiten? Das Konzept der Wichtigkeit spielt hier eine große Rolle: Je wichtiger eine Information ist, desto prominenter sollte ein Informationshappen platziert sein. Nachrichtenportale sortieren ihre Informationen schon journalistisch vor, das heißt, hier sollten nur die wichtigeren Nachrichten überhaupt erscheinen – der Rest kann auf der Hauptseite optisch arrangiert werden.
Auf einer Unternehmens-Website gibt es dagegen große Unterschiede in der Wichtigkeit: Eine Übersicht über die Produkte und Dienste ist meist extrem wichtig, ebenso der Kontakt zum Unternehmen. Etwas weniger wichtig sind die Detailinformationen für einzelne Produkte oder der Pressekontakt, noch weniger wichtig sind die technische Produktbeschreibung oder das Pressearchiv. Um die Wichtigkeit festzulegen, stellen Sie sich einen Zuhörer vor, der noch nie von dem Unternehmen gehört hat. Was erzählen Sie ihm zuerst, wenn Sie nur beschränkte Zeit zur Verfügung haben?
Wenn Sie die Wichtigkeit festgelegt haben, beginnen Sie auszumisten. Ist es wirklich notwendig, auf einer komplexen Website mit einer Willkommens-Nachricht zu beginnen? Hier sollten besser Informationshappen aus einigen Bereichen der Website stehen, die den Nutzer direkt an wichtige Ziele führen.
Solche Direktsprünge sind ein gutes Mittel, um dem Nutzer neben der komplexen Navigation noch einen weiteren Zugang zu den Informationen zu bieten. Ein gutes Beispiel sind hier viele Autohersteller. Sie stellen ihre Produkte in den Vordergrund und fügen ansonsten noch besonders zu betonende neue Produkte und Dienstleistungen auf der Homepage ein.
Wenn es Ihnen schwer fällt, bei einer bestehenden Website festzustellen, was besonders wichtige Informationen sein könnten, für die sich ein Direktsprung lohnt, werfen Sie einen Blick in die Statistik. Die Bereiche auf unteren Navigationsebenen, die gute Zugriffszahlen haben, sollten auf der Startseite noch einmal extra gefördert werden. Statistisch schwache Bereiche lohnen eine Förderung nur dann, wenn sie nachweislich schlechter zu erreichen waren als andere Bereiche oder wenn diese Bereiche unbedingt erfolgreich sein müssen. Ansonsten ist es erfahrungsgemäß besser, die sowieso schon starken Anziehungspunkte weiter zu stärken. Vorsicht, das gilt ganz bewusst nur für informationsorientierte Websites – bei Shops kann eine solche Taktik verfehlt sein.
Perspektive
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Wenn Sie glauben, Sie haben die Analyse der Struktur Ihrer Website abgeschlossen, sollten Sie noch einmal von vorn beginnen und Fehler suchen. Die schlimmsten Fehler bei komplexen Websites entstehen daraus, dass man bei der eigenen Website meist auf einem Auge blind ist oder eine rosarote Brille aufhat. Da der Web-Entwickler sich selbst ständig mit der Materie der eigenen Website beschäftigt und alles von Grund auf kennt, werden Probleme in der Benutzerfreundlichkeit nicht sichtbar.
Das Problem ist, dass die nützlichsten Informationen in der Website schlummern können – sie werden aber nie ans Tageslicht geholt, wenn der Entwickler nicht in die Perspektive des Nutzers wechselt. Wenn der Website-Betreiber das nicht selbst kann, sollte er andere um Rat fragen. Ein Beispiel für solche Schwierigkeiten ist NBA.com. Die Website der amerikanischen Basketball-Profiliga NBA ist gespickt mit interessanten Informationen und Funktionen. Gleichzeitig ist sie aber auch verschachtelt, und der Besucher findet Informationen nur schwer wieder.
Konzern-Probleme
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Für größere Unternehmen ist e
s teilweise noch schwieriger, die Perspektive des Kunden einzunehmen. Oftmals sind unter einem Dach unterschiedliche Bereiche und unterschiedliche Produkte vereinigt. Jeder Bereich trägt sein Scherflein zur Unternehmens-Website bei. Dabei wird aber keinerlei Rücksicht darauf genommen, dass die meisten Nutzer gar nicht an der Struktur eines Unternehmens interessiert sind oder diese noch nicht einmal kennen. Besonders problematisch war das lange Zeit bei Siemens. Unter dem Wust aus häufig geänderten Bereichs-Abkürzungen konnte sich ein an Waschmaschinen, Zügen oder Handys interessierter Nutzer kaum etwas vorstellen. Hier helfen beispielsweise Bilder, mit denen der Besucher etwas verbinden kann.
Selbst wenn die erste Ebene vorgegeben und ordentlich gegliedert ist, handelt es sich bei den Redakteuren aus verschiedenen Abteilungen meist um sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Daraus entstehen dann sehr unterschiedliche Bezeichnungen für die niedrigeren Navigationsebenen. Diese Probleme lassen sich nur mit regelmäßigen Kontrollen, Aufräumaktionen und Usability-Tests wirklich beseitigen. Außerdem ist es empfehlenswert, sich von Zeit zu Zeit mit der Konkurrenz zu messen und kritisch zu vergleichen. Beispielsweise sehen die Websites von Versicherern auf den ersten Blick recht ähnlich aus – die Corporate-Identity ist meist gut auf das Web übertragen, und die Einteilung in Privat- und Geschäftskunden ist Standard. Schauen Sie aber etwas näher hin, sehen Sie vor allem in der Navigation deutliche Unterschiede. Einige Versicherer trennen beispielsweise schon auf der Eingangsseite in Privat- und Geschäftskunden und verringern dadurch die Komplexität. Andere realisieren das über Register oder packen alles in eine Navigation.
Unterstützung bieten
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Steht die neue Struktur einer komplexen Website, sollten Sie sich daran machen, dem Nutzer mehr Orientierungen zu bieten. Denn dass der Nutzer nun eine Information finden kann, heißt noch nicht, dass er sie auch wirklich findet. Die größte Gefahr besteht darin, dass er sich in der Anwendung verläuft und dann abbricht. Das klassische Mittel dagegen ist die Breadcrumb-Navigation. Benannt nach den Brotkrumen, die Hänsel und Gretel gestreut hatten, soll sie dem Nutzer zeigen, wo er sich gerade in der Struktur der Website befindet. Die Breadcrumb-Navigation wurde ursprünglich von Yahoo für den Webkatalog erfunden.
Breadcrumbs sind allerdings ein eher technisches Mittel. Gerade unerfahrenere Nutzer ignorieren sie erfahrungsgemäß. Hier sollten Sie darauf achten, weitere Hilfsmittel einzubauen. Klar strukturierte Übersichtsseiten und Direktsprünge in tiefer liegende Themen können hier helfen.
Ein besonders praktisches Mittel sind zum aktuellen Informationshappen verwandte Informationen. Solche Funktionalität gibt es leider fast nur bei Shops, wo verwandte Produkte gang und gäbe sind. Aber auch bei auf Informationen orientierten Websites können sie vor allem unerfahrene Nutzer führen.
Zu guter Letzt kann auch die klassische Sitemap für Orientierung sorgen. Sie wendet sich eher an erfahrene Nutzer, da meist nur diese mit dem Begriff Sitemap überhaupt etwas anfangen können. Bei der Sitemap selbst können Entwickler eigentlich nicht viel falsch machen ? sollte man meinen. Ein Blick auf die oben schon erwähnten Versicherer belehrt hier eines Besseren. Die Allianz kann auf der Website durch konsequente Kundenorientierung punkten, verliert bei der Sitemap aber wieder ein wenig Boden. Die Sitemap besteht nur aus einer langen Liste mit schwarzen Links auf grauem Hintergrund. Die Unterebenen sind nur durch eine kleine Einrückung und einen Gedankenstrich hervorgehoben. Besser macht es hier die Mannheimer. Die Sitemap ist in nebeneinander stehende Bereiche aufgeteilt und Links sind gut als solche erkennbar. Die Sitemap macht, was sie soll: Sie gibt einen Überblick über die gesamte Website.
Suchfunktion ist Pflicht
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Über die Hälfte aller Nutzer ist laut einer Studie von Jakob Nielsen eher suchorientiert als navigationsorientiert. Das heißt, auf eine komplexe Website gehört auf jeden Fall eine Suche, die gute Ergebnisse liefert. In diesem Bereich lässt sich bei fast jeder Website beliebig optimieren, sei es in der Geschwindigkeit durch einen Suchindex oder in der Gewichtung und Präsentation der Suchergebnisse. Gerade Letzteres ist mit viel Arbeit verbunden. Bei einer datenbankgestützten Website stellt sich die Frage, welche Felder durchsucht werden. Aus Usability-Sicht sind vor allem zu viele und völlig falsche Informationen ein Graus. Aber natürlich sollten auch speziellere Abfragen möglichst noch einen Treffer erzeugen. Wenn die Menge an Seiten zu groß wird, muss man die Suche auf Schlagwörter begrenzen und Artikel mit Meta-Informationen versehen. Der zweite Ansatzpunkt ist der Suchalgorithmus: Gerade bei Content-Management-Systemen ist er nur schwierig zu ändern. Das Beispiel Adobe (www.adobe.com) zeigt, dass auch ein guter Suchalgorithmus – eine kommerzielle Google-Engine – noch nicht zu perfekten Ergebnissen führt. Sucht der Anwender beispielsweise nach Photoshop, ist der erste Treffer eine unwichtige Supportanfrage. Die entscheidenden Produkte sind auf 2, 5 und 6 gelistet, und es gibt 1230 Suchergebnisse. Geht man ein wenig in die Tiefe, wird es noch schlimmer: Bei der Suche nach Photoshop Scripting erhält man immer noch 20 Ergebnisse. Davon sind leider zehn gleiche oder nahezu gleich lautende Produktbeschreibungen. Die Developer-Ressourcen sind nicht im Suchergebnis enthalten.
Das Problem bei Adobe ist zweigeteilt: Zum einen liefert die Suche zu viele Ergebnisse, die nicht kategorisiert sind. Hier hilft bessere Priorisierung – man kann zum Beispiel zu gewissen Schlagworten die Nummer eins selbst bestimmen. Zusätzliche Kategorien für Produkte, Support und Presse könnten helfen, die Menge an Ergebnissen in Griff zu kriegen. Das zweite Problem ist, dass die Suche zu wenig findet. Versteckte Informationspozentiale harren in noch nicht durchsuchbaren Bereichen der Website. Diese sich eigentlich widersprechenden Probleme zu lösen ist natürlich mit immensem Aufwand verbunden, würde den Nutzern aber auch immense Vorteile bringen.
Und noch ein Hinweis zum Schluss: Sie sollten nie die Suche separat von der Navigation optimieren. Wenn der Nutzer direkt über die Suche in die Tiefe Ihrer Website springt, muss er dort auf jeden Fall über Navigation und Breadcrumb erfahren, wo er gelandet ist.
Fazit
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Die Rezepte für benutzerfreundliche Websites klingen einfach und verbergen, was an Arbeit, Zeit und Mühe hinter der Optimierung steckt. Gerade bei komplexen Websites sollten Sie viel Zeit und Ressourcen darauf verwenden, dem Nutzer das Leben leichter zu machen. Wenn ein flüchtiger Besucher ohne Umstände zur gesuchten Information findet, hat sich der Aufwand gelohnt.