Billig, tragbar, neue WachstumschancenMultimedia für den verlorenen Kontinent
Auf der Suche nach neuen Märkten
Billig, tragbar, neue Wachstumschancen
Zwei Kilometer vom Stadtzentum von Neu Delhi liegt das Vier-Sterne-Hotel ‘The Oberoi“. Am 22. und 23. August waren die 259 Zimmer dieses eleganten Business-Hotels ausgebucht. Dort – ganz in der Nähe von den Regierungsgebäuden und Ministerien – trafen sich 200 Top-Delegationen von Software-Herstellern und Telekommunikations-Multis, von Dritte-Welt-Regierungen und internationalen Beratungsunternehmen, um sich für 1999 Dollar pro Person auf der ‘Ultra Low-Cost Handsets-Konferenz” darüber aufklären zu lassen, wie man in den kommenden fünf bis zehn Jahren in Afrika und Asien mit Handys und mobilen Services Gewinne machen kann.
‘Ultra Low-Cost Handsets’ (Branchen-Slang: ULCH) sind der Trick, um in den Entwicklungsländern Afrikas und Asiens Mobiltelefone zu verkaufen, weil dort das Pro-Kopf-Einkommen viel zu niedrig ist, um mit regulären Tarifen erfolgreich zu sein. Zwei Milliarden Handys gibt es weltweit – die nächste Milliarde will die GSM Association vor allem in Afrika verkaufen. Und da muss mit Leihmodellen oder dem Wiederverkäufermodell ‘Dorf-Handys’ (ein Mobiltelefon als private Telefonzelle) gearbeitet werden.
Das “Armen-Segment” als Goldesel entdeckt?
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Doch der Blick richtet sich nicht nur auf den Hardware-Markt. Denn in einer zunehmend global vernetzten Wissensgesellschaft wird auch für Arme der Zugang zu interaktiven mobilen Diensten überlebenswichtig. Ob aktuelle Großmarktpreise für Saatgut und Vieh oder nur der Wetterbericht für die richtige Aussaat: Informationsangebote, die Just in Time/Just in Place verfügbar sind, werden weltweit immer wichtiger werden. Refinanziert werden können JIT/JIP-Dienste über Werbung oder aber über preisgünstige Prepaid-Karten.
Microsoft mit seinem PC-Aboservice Flexgo oder die MIT-Initiative des nur 100 Euro teuren Linux-Notebooks zielen genauso wie IBM, Dell, Philips, Nokia und Motorola auf das globale Armen-Segment (wir kommentierten dies bereits) – denn nur hier lässt sich langfristig Wachstum generieren, weil die westlichen Märkte zunehmend ausgereizt sind.
Wenn man akzeptiert, dass es einen Mega-Trend zur “Kommunizifierung” der Entwicklungsländer gibt, dann lassen sich daraus zwei Entwicklungen als ziemlich wahrscheinlich ableiten (mehr auf der nächsten Seite):
Klare Trends
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1. Das zukünftige Multimedia-Endgerät der dritten und vierten Welt wird in jedem Fall mobil sein – und mit Solarenergie (Weltmarktführer: Deutschland) arbeiten.
2. Es wird in jedem Fall einen Blowback der dort entwickelten Techniken nach Amerika und Europa geben. Beispiel: Studenten der National Chiao Tung Universität in Taiwan haben ein Handy im Tetrapak-Design entwickelt. ‘Paper says” kommt ohne Display, aber mit Werbung auf der Rückseite. Man kann es entweder in Drittweltländern verkaufen – oder aber als Wegwerf-Handy an Reisende in aller Welt – sie brauchen so nicht in jedem Land eine Telefonkarte zu kaufen, um in einer Telefonzelle nach Hause zu telefonieren.
Das bedeutet: Multimediale, mobile Endgeräte werden auch hierzulande in absehbarer Zukunft zu extrem niedrigen Preisen angeboten werden. Und: Solar-Energie sowie interaktive Medien sind zwei Themen, die zusammenwachsen – und für die deutsche Exportindustrie extrem wichtig werden.
Autor und Bild
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Der Autor
Joachim Graf ist Herausgeber von iBusiness, einem Trendscouting- und Wissensportal für Entscheider der interaktiven und digitalen Wirtschaft.
Das Bild
mit dem Afrika-Telefon stammt von KevinCim und ist über die Creative Commons-Lizenz (Version 2.5) frei benutzbar.