China gibt Wikipedia-Blockade auf
Über Zh.wikipedia.org ist die Suche nach allgemeinen Begriffen wieder möglich, nicht aber nach anstößigen politischen Themen wie etwa dem Datum des “4. Juni”. Am 4. Juni 1989 hatten chinesische Militärs friedlich demonstrierende Studenten auf dem Tiananmen-Platz mit Panzern blutig niedergewalzt. Die Zensur durch die chinesische Regierung selbst geht also unbeirrt weiter.
Die um Medienfreiheit kämpfenden “Reporters Without Borders” sind dennoch begeistert über die Freigabe von Wikipedia, die seit dem Oktober 2005 völlig blockiert war . Sie lobten die Strategie des Wikipedia-Gründers Jimmy Wales, der jede Selbstzensur der Online-Enzyklopädie auch in China entschieden abgelehnt hatte:
“Die chinesische Regierung ist pragmatisch und möchte im Internet-Sektor nicht ohne ausländische Firmen auskommen. Die US-amerikanischen Firmen haben deshalb offensichtlich Spielraum für Verhandlungen.”
Dieser Schuss ging gegen Yahoo, Google und Microsoft, die Freiheit predigen und sich zugleich freiwillig der Zensur beugen.
Jiang Yu vom chinesischen Außenministerium warf wie gewohnt den Gebetsmühlen-Rhetorik-Textgenerator an: “Wir verwalten das Internet entsprechend unseren Gesetzen und Verordnungen. Das ist die übliche Praxis in allen Ländern der Welt.” Zur De-Blockade von Wikipedia konnte oder wollte sie nichts sagen. Sie erklärte, China unterstütze die Entwicklung des Internets und mache mit inzwischen 123 Millionen Nutzern den zweitgrössten Internet-Markt weltweit aus.
Analysten zufolge sollen nicht die Wikipedia-Inhalte allein die chinesische Regierung verängstigt haben, sondern die offene und gemeinschaftsbildende Erstellung der Seiten.
Auf der chinesischen Wikipedia-Hauptseite ist derzeit unter anderem eine schwarz-rot-goldene Fahne zu sehen. Im Text darunter finden sich neben vielen Fragezeichen anstelle chinesischer Schriftzeichen: Weimarer Republik, 1919, 1933. Wollen unsere chinesischen Freunde von uns lernen, und wenn ja, was? Zumindest sind auch politische Beiträge selbst an prominenter Stelle zugänglich. (Nick Farrell/bk)