19jähriger Mörder: Ich war’s nicht, Herr Richter, die Playstation war’s

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Den Ursprung des Bösen in Mediendarstellungen und nicht im realen Leben zu suchen, hat eine alte Tradition. Früher waren es Romanserien-Hefte, die “Schmutz und Schund” genannt wurden und gerne für Mord und Totschlag verantwortlich gemacht wurden. Sie waren zwar weit harmloser als heute jeder gemütliche Sonntagabend-Tatort, waren aber jungen Mördern und Totschlägern damals als Ausrede für ihre Taten gut. Sie hofften zumindest, die Richter durch den behaupteten Einfluss der schlechten Literatur milder stimmen zu können.

Dann kamen die Comics. Die kamen von jenseits des Atlantik und wurden ohnehin als bildhafte Attacke auf die abendländische Schriftkultur gesehen. Da hagelte es nur so Verbote und Indizierungen, und Straftäter beriefen sich gerne auf den Einfluss der bunten Bildchen auf ihren labilen Charakter.
Damit kam man offenbar sogar in beiden Teilen Deutschlands an. Eine Filmdokumentation über Medienzensur zeigte einen schwarz-weißen (filmisch wie inhaltlich) Propagandaclip vermutlich aus den DDR-Fünfzigern über den üblen Einfluss westlicher Comichefte. Darin wurde ein Jugendlicher vorgeführt, der seine eigene Großmutter wegen ein paar DDR-Mark umbrachte und das auf aus dem Westen eingeschmuggelte Comics um den Dschungelhelden Tarzan zurück führte. Wenn das Tarzan wüsste …

Das mit den Schundheftchen und Tarzan glaubt heute keiner mehr. Doch in Cottbus steht einer vor Gericht, der den brutalen Mord mit vohergehenden virtuellen Ringkämpfen auf einer Playstation begründet. Er hatte mit einem Freund auf dessen Playstation Wrestling gespielt, und der war so gemein gewesen, ihn einfach nicht gewinnen zu lassen. Außerdem hatte er reichlich Bier getrunken, dann unterwegs noch eine unangenehme Auseinandersetzung mit einer Polizeistreife, und war eben nicht so gut drauf.
Täter wie Opfer begegneten sich in der Cottbusser Plattenbausiedlung Schmellwitz, und der 19jährige schlug zu. “Ich wollte einfach nur sehen, was ich so drauf habe und wie toll ich jemanden verletzen kann.” Nach dem brutalen Mord ging er zur Polizei und wollte mit Alkohol, vor allem aber mit dem Spielen des Wrestling-Spiels “Smack Down vs. Raw 2006” seine Tat entschuldigen.

“Ich war damals ein anderer Mensch”, jammerte er nun vor Gericht, was sich auch nicht gerade nach Reue und Einsicht in seine Tat anhört.
Das Cottbusser Gericht nimmt die billige Ausrede aber offenbar so ernst, dass das Wrestling-Videospiel zur Beweisaufnahme am nächsten Montag vorgeführt wird. Ein Hirnforscher aus Ulm soll außerdem noch die Frage klären, ob Computerspiele sich auf die Schuldfähigkeit auswirken können. Der heißt übrigens Manfred Spitzer und ist ohnehin schon länger auf dem Feldzug gegen Videospiele, wie wir bereits berichten durften.

Wird die billige Ausrede dazu führen, dass der Mörder nur Bewährung bekommt und weiter Playstation spielen und auch mal gewinnen darf? Ob das dann der Resozialisierung dient? (bk)

Tagesspiegel

Hirnforscher: Mehr Steuern auf Gewaltspiele

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