Killerspiele-Pfeiffer pfeift nach noch mehr Verboten
Als begleitendes Sperrfeuer zu der von Bayern im Bundesrat eingebrachten Gesetzesinitiative propagierte er in einem längeren Pamphlet in der Süddeutschen Zeitung “Sechs Punkte gegen Killerspiele”. Zur Ehrenrettung der SZ ist zu sagen, dass sie seine erweiterten Verbotsforderungen mit der Kennzeichnung “Außenansicht” veröffentlichte.
Mit Verbotsforderungen drängt es den Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts in Niedersachsen und früheren SPD-Justizminister dieses Flachlandes besonders ins Licht der Öffentlichkeit. So verschaffte er sich unlängst mediale Aufmerksamkeit durch seine Forderung, Ab-18-Filme im Fernsehen zu verbieten. In Fachkreisen lächerlich machte er sich auch im Jahr 2000 mit Äußerungen und einem Gutachten, das eine Ente der BILD-Zeitung über die angebliche Lynchjustiz an einem Jugendlichen im sächsischen Sebnitz stützen sollte (die im übrigen damals auch von der Süddeutschen Zeitung, nicht aber von Spiegel und taz übernommen wurde).
Eben dieser Christian Pfeiffer erklärt es nun in der Süddeutschen für zweifelhaft, dass ein Verbot der “Killerspiele” ausreicht, den Jugendmedienschutz nachhaltig zu verbessern. Auch die Sprüche von Beckstein und Stoiber sind ihm noch nicht drastisch genug. Deshalb müssten weitere und vielleicht effektivere Maßnahmen her.
Erstens: Viel mehr Spiele indizieren, damit sie nur noch von Erwachsenen als Bückware zu bekommen sind und praktisch vom Markt verschwinden. Für eine Indizierung fällig wären teilweise schon Spiele, die bislang als “frei ab 16” eingestuft wurden, und erst recht Spiele mit dem USK-Label “keine Jugendfreigabe” (zuvor “frei ab 18”). Spiele ab 18 aber würden unter Jugendlichen zum Prestigeobjekt, also besser gleich indizieren und ganz weg damit:
“Erstens müssten die Normen für die Alterseinstufungen und die Indizierung von Computerspielen präzisiert werden. So sind Spiele, bei denen man die Rolle eines Verbrechers ausübt, der andere tötet, foltert oder beraubt, im Wege der Indizierung vollständig vom öffentlichen Markt zu verbannen.”
Zweitens: Bei USK und FSK sitzen Weichlinge, und sie reden sogar mit den Spiele-Anbietern. Die sollen aber lieber mit der Bundesprüfstelle bei der Indizierung von Spielen zusammenarbeiten.
Drittens: Die Staatsanwälte sollen übernehmen und mit strafrechtlichen Mitteln gegen Spiele vorgehen.
Viertens: Pfeiffer möchte gerne seine eigenen Ansichten auf Kosten der Steuerzahler in die Köpfe hämmern lassen (“… sollte bundesweit eine Aufklärungskampagne über die mit Computerspielen verbunden Gefahren organisiert werden. Sie sollte sich an die 8- bis 16-Jährigen, ihre Eltern sowie an die Schulen richten.”)
Fünftens wird es “wissenschaftlich”: “… brauchen wir fundierte Forschungserkenntnisse zu Entstehung und Ausmaß von Computerspielsucht sowie zu aussichtsreichen Therapien.”
Im sechsten Punkt liefert sich der eifernde Pfeiffer schließlich selbst ein Alibi, indem er noch schnell ein paar Sätze über einen “schrittweisen, flächendeckenden Ausbau unserer Schulen zu Ganztagsschulen” anfügt:
“In Zusammenarbeit mit Sportvereinen oder Musikschulen sollte so für den Nachmittag der Kinder und Jugendlichen ein Programm entwickelt werden, das die Lust auf Leben weckt anstatt die Kinder der Verwahrlosung durch Medien zu überlassen.”
Was versteht der eigentlich unter Ganztagsschulen? Wir wissen alle, dass Ganztagsschulen das Mittel der Wahl für die bessere Bildung aller und auch derjenigen sind, die im bestehenden Schulsystem außen vor bleiben und anschließend als Unterschicht, Präkariat oder noch schlimmer abgekanzelt werden.
Genau hier aber blockieren die gleichen Leute, die am lautesten nach einem Verbot der “Killerspiele” rufen. Zum Beispiel die bayerische Staatsregierung. Die PISA-Ergebnisse und das blendende Beispiel des finnischen Schulsystems reichten offenbar nicht zum Weckruf für diese Sorte populistischer Politiker, die in der Bildungspolitik lieber die Hände in den Schoß legen und bei aufkommenden Problemen immer mal wieder “Killerspiele verbieten!” rufen.
Von dieser Bildungsblockade können engagierte Vorkämpfer der Ganztagsschule wie der Bayerische Elternverband ein Lied singen. Die Entwicklung zu mehr echten Ganztagsschulen versucht die sozialkonservative Regierung des Landes fintenreich zu vermeiden, wie es beispielsweise Ursula Walther am 26. Dezember in ihrem Blog “Am Rande der Bildung” beschrieb:
“Am 15. Dezember fordern Eltern, Lehrer und die bayerische Wirtschaft mehr echte Ganztagshauptschulen. Die Antwort aus dem Kultusministerium kommt postwendend: Ganztagsangebote sollen es sein, denn die kosten erheblich weniger, auch wenn der Kultusminister das natürlich nicht so sagt.”
Diese “Ganztagsangebote” sollten vermutlich ähnlich den Vorstellungen Pfeiffers ausfallen. Das CSU-Kabinett beschloss dann zwar halbherzig doch noch ein paar mehr echte Ganztagsschulen. CSU-Fraktionsvorsitzender Joachim Herrmann, der auch schon als Stoiber-Nachfolger gehandelt wird, wollte das aber in Zusammenhang mit “Ausländerkindern” und “überforderten Eltern” sehen, um das Ganze schließlich als “klares Signal” für das dreigliedrige Schulsystem zu verkaufen. Alles wie gehabt.
Lägen Edmund Stoiber seine Landeskinder am Herzen, wären Bildungspolitik und nicht “Killerspiele” sein Thema. Und auch Christian Pfeiffer täte besser daran, sich zuerst mit einer besseren Bildungspolitik und gar nicht erst mit Verboten zu beschäftigen.
(bk)
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