IT soll Bürokratie vermindern
Europäisches eGovernment für alle
Behörde per Mausklick
IT soll Bürokratie vermindern
Der Handel innerhalb der EU soll einfacher werden, behörden- und länderübergreifend. “Für die Umsetzung der staatlichen Vorgaben sind Internet und IT erfolgskritisch”, so Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble in der Eröffnungsrede der Konferenz “Advancing eGovernment” im März vor 300 internationalen Experten aus Verwaltung, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in Berlin (wir berichteten am Eröffnungstag).
Jeder Vorgang, jedes politische Vorhaben sei mittlerweile gleichzeitig ein IT-Projekt, führte er weiter aus. Per Mausklick müssen daher öffentliche Verwaltungen ihre Daten austauschen können. Auch für Bürger und Unternehmen sollen Behördengänge in Zukunft europaweit digital stattfinden.
Noch gibt es Grenzen: Interoperable Datenaustauschformate, fehlende Systeme für die sichere elektronische Identifizierung. Dabei hat E-Government eine wichtige Aufgabe bei der Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie im europäischen Binnenmarkt. “IT kann den Binnenmarkt vollenden”, so Thierry Stoll, stellvertretender Generaldirektor Binnenmarkt und Dienstleistungen, und reduziert Probleme, die aus den unterschiedlichen Sprachen und der Größe Europas resultieren.
Zum Hintergrund: Bis 2009 müssen alle Mitgliedstaaten den grenzüberschreitenden Handel mit Dienstleistungen ermöglichen. Und beispielsweise aus jedem beliebigen Ort in Europa angeforderte Informationen so schnell wie möglich digital zur Verfügung stellen. Weiterhin müssen die 27 Mitgliedstaaten absichern, dass schnell ein einheitlicher Ansprechpartner für einen Vorgang gefunden wird. Hierfür wird derzeit ein elektronisches Binnenmarkt-Informationssystem IMI erarbeitet.
Auch fehlen noch interoperable elektronische Vergabesysteme. Die elektronische Abgabe von Anträgen bei Ausschreibungen ist noch nicht möglich. “Diese Probleme im europäischen Beschaffungsmarkt führen zur Zersplitterung des Marktes”, so Stoll. Bislang existieren zahlreiche Ausschreibungsportale (Überblick über deutsche Systeme hier), doch europaweite politisch relevante Themen finden sich hier selten.
Auch fehlen noch interoperable elektronische Vergabesysteme. Die elektronische Abgabe von Anträgen bei Ausschreibungen ist noch nicht möglich. “Diese Probleme im europäischen Beschaffungsmarkt führen zur Zersplitterung des Marktes”, so Stoll.
In Arbeit: Framework für die elektronische Identität
IT soll Bürokratie vermindern
In ihrer Abschlusserklärung schlagen die Konferenzteilnehmer sechs Punkte vor, auf die sich die Regierungen der Mitgliedstaaten in den nächsten Jahren konzentrieren sollen:
Punkt eins – Interoperabilität: Zentrale Systeme müssen interoperabel sein, z.B. die elektronische Beschaffung und die Rechnungsschreibung. “Eine Papier-Rechnung kostet Ende-zu-Ende 40 Euro”, so Hermann-Josef Lamberti, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bank. “Beim Thema eInvoice werden wir ohne eine weitere Setzung von Standards keinen Schritt weiterkommen”, betonte er, da die Industrie sonst nicht investieren wird.
Weiterhin forderte er, dass eGovernment ganz pragmatisch einen Vorteil für seine Nutzer bereithält, z.B. in Form von geringeren Kosten für elektronisch beantragte Vorgänge.
Punkt zwei – elektronische Identifizierung: Wer in Europa elektronisch handeln und agieren will, muss vor einem Identitätsklau sicher sein können. Das Ziel: Bis 2010 soll jeder Bürger eine elektronische ID bei Kontakten mit Behörden in Europa sein eigen nennen können. Unternehmensvertreter müssen sich eindeutig identifizieren können. Als technologische Basis wird derzeit ein europäisches eID Framework entwickelt, die Roadmap steht fest. (ID-Framwork-Roadmap als PDF hier)
Punkt 3 – Sicherheit: Eine der größten Baustellen ist die Standardisierung der betreffenden Sicherheitsprotokolle.
Digitale Papiertiger brauchen offene Formate
IT soll Bürokratie vermindern
Punkt vier – Offene Dokumentenaustauschformate: Behörden brauchen einheitliche und offene Dokumentenaustauschformate, unabhängig von proprietären Dateiformaten. Denn: Behörden wollen nicht von Unternehmen abhängig sein, um an ihre Dateien und Archive heranzukommen. Wichtig ist auch die Rückwärtskompatibilität zur Nutzung älterer Dokumente. Nach der Einigung auf ein oder mehrere Formate können sich auch die Unternehmen darauf einstellen.
Zur Debatte stehen derzeit die von der ISO standardisierten offenen Formate Open Document Format (ODF), PFD/Archive und das unlängst von der ECMA standardisierte Format Office Open XML von Microsoft.
Punkt fünf – inklusives eGovernment: Im Gegensatz zur Wirtschaft und zu kommerziellen Dienstleistungen müsse der Staat alle Bürger ansprechen, so Viviane Reding, EU-Kommissarin für Informationsgesellschaft und Medien. Wie ein einfacher Zugang bis zum Jahre 2010 für alle erreicht werden soll, hat man in einer Roadmap (hier als PDF) festgelegt.
Punkt sechs – Dialog: Das unvermeidliche Web 2.0 scheint nun auch in der europäischen Politik und Verwaltung angekommen zu sein. Welche Bedeutung Web 2.0, Second Life, Social Software und Co. für die Regierungen hat, will man erforschen und ausprobieren – Viviane Reding kündigte Projektausschreibungen hierfür an. Ganz klar ist sie sich aber noch nicht darüber, inwieweit es sich hierbei um eine Modeerscheinung handelt oder inwieweit demokratische Entscheidungsprozesse sich damit verändern werden.
Fazit
IT soll Bürokratie vermindern
Wichtig für Unternehmen sind vor allem die ausgearbeiteten Standards für Dokumenten-Austausch, elektronische Identitätsfeststellung und die Schnittstellen, die zwischen den Staaten geschaffen werden. Die Europapolitik bewegt sich definitiv schneller als der Ruf, der ihr vorauseilt.