3D-Web: Second Life
Geschäfte im zweiten Leben
Big Business im 3D-Web
3D-Web: Second Life
In Second Life, dem vielversprechenden Anwärter auf das dreidimensionale Web, sind die Real-Life-Unternehmen noch in der Minderheit. Auf den vorderen Plätzen, den »Popular Places«, landen vornehmlich Etablissements mit eindeutigen Namen wie »Bad Girls« oder »Neva Naughty«. Daneben boomen virtuelle Spielclubs à la »Ocean Casino«.
Doch wie im ersten Leben gilt, fast nichts ist umsonst, erst recht nicht ein Unternehmensauftritt in Second Life. Zwischen 10 000 und 200 000 Euro lassen sich deutsche Firmen ihre virtuelle Präsenz in Second Life kosten, weiß Sebastian Küpers, Virtual Architect bei der Pixelpark AG. Angefangen beim eher bescheidenen Corecon Convention Center bis hin zu einer kompletten Fußballarena samt Zuschauertribüne für Energie Baden-Württemberg (EnBW) baut Pixelpark derzeit auf seinem eigenen Kontinent Gebäude in Second Life.
Und die Firmen zieht es mittlerweile scharenweise in das neue Web. Denn wie einst im 2D-Web, dem WWW, folgen im 3D-Web den Sex-Anbietern und Casino-Betreibern jetzt auch die Markenunternehmen und Unterhaltungsmedien ? neben der EnBW zum Beispiel Adidas und der Springer-Verlag.
Adidas verkauft in Second Life Turnschuhe, die dem Träger eine Art Moonwalk ermöglichen. Die EnBW verschenkt Rucksäcke mit eigenem Logo, die dem Besitzer Geld einbringen, und der Springer-Verlag verlegt »The AvaStar«, ein englischsprachiges Online-Magazin über Second Life, dessen großes Vorbild unverkennbar ist. Und natürlich sind auch die IT-Unternehmen wie IBM oder Dell vertreten.
Mehr Schein als Sein
Noch nutzen die Real-Life-Unternehmen das Second-Life-Universum, das sogenannte Metaversum, primär als Plattform für ihre PR-Aktionen. Das ist verständlich, denn die Kosten sind vergleichsweise gering, der Medienrummel dagegen sicher. Großinvestitionen sind bisher selten, auch weil die Technik noch keine komplexen und damit richtig aufwendigen Lösungen erlaubt.
Zudem ist Second Life nicht der einzige Ort für In-World-Advertising. Daneben gibt es beispielsweise noch das etablierte Entropia Universe sowie das sehr erfolgreiche Online-Spiel World of Warcraft. Was Second Life von diesen und anderen virtuellen Welten unterscheidet, ist die völlige Freiheit bei der (Mit-)Gestaltung.
Das Schweigen der Konsumenten
Im Heimatland von Second Life, den USA, realisieren 3D-Web-Agenturen wie Millions of Us und The Electric Sheep Company bereits Projekte mit einem Budget von bis zu 400 000 US-Dollar. Wie so ein Megaprojekt aussehen kann, zeigt AOL mit seiner AOL Pointe Sim, auf der es neben einem Trampolin zum Beispiel eine Skateboard-Bahn gibt. Doch auch hier gilt wie bei vielen 3D-Web-Visitenkarten: Es herrscht oftmals gähnende Leere.
Die potenziellen Werberezipienten vergnügen sich derweil andernorts, beispielsweise im NEON, dem momentan angesagtesten deutschsprachigen Club in Second Life. Allerdings hat Popularität bei einem Second-Life-Club einen Haken: Bei mehr als dreißig Besuchern hakt es nämlich gewaltig in der Darstellung und spätestens bei fünfzig ist der Laden dann endgültig voll. So kann es eine Weile dauern, bis man beispielsweise ins Elements, eine zwielichtige Disco, überhaupt reinkommt.
Steigender Umsatz
Rund 3,3 Millionen User sind bei Second Life angemeldet, von denen aber meist nur 20 000 bis 30 000 gleichzeitig online sind. Und immerhin generieren diese First-Life-Müden einen Umsatz von etwas über 1 Million US-Dollar pro Tag. Etwa 350 000 User loggen sich mindestens einmal die Woche ein, 800 000 mindestens einmal im Monat. Im Vergleich zu den Nutzerzahlen des WWW ist das zwar ein Klacks, doch bei 30 000 Neuanmeldungen pro Tag (Tendenz steigend) ist das Potenzial gewaltig.
Und auch wenn die Sex-Angebote die größte Aufmerksamkeit vor allem bei den Neuankömmlingen auf sich ziehen, entfällt der größte Teil des Umsatzes ? glaubt man einer Umfrage unter fast 250 deutschsprachigen Nutzern ? auf Kleidung. Davon profitieren Modelabels wie Blaze ? mit einem Umsatz von 100 000 US-Dollar im Jahr.
Ein ausgefallenes Outfit kann auch schon mal mehrere tausend Linden Dollars kosten. Linden Dollars ist die Währung von Second Life. Sie ist benannt nach der Betreiberfirma Linden Lab, die auch die Online-Börse LindeX betreibt. Diese tauscht US-Dollars in Linden Dollars (L$) und zurück. Der Umrechnungskurs ist erstaunlich stabil und liegt meist zwischen 250 L$ und 300 L$ für einen US-Dollar.
Bild: Alles, was Frau sich wünscht: eine große Auswahl und extrem niedrige Preise.
First Life in Second Life
3D-Web: Second Life
Einige Wagemutige, allen voran Amazon und Dell, versuchen bereits, reale Gegenstände in ihren Second-Life-Shops zu verkaufen. Die Idee, Second Life als dreidimensionalen Produktkatalog zu nutzen, liegt nahe, man denke nur an Möbel, Autos und elektronische Gadgets. Doch noch hakt es an der Realisierung ? genauer: an den unterschiedlichen Realitäten. So dient Amazons Life2Life-Store einzig und allein dem Füllen des Warenkorbs. Die Kasse ist weiterhin im 2D-Web. Doch gerade Second Life bietet für das E-Commerce Funktionen an, für die es im WWW noch keine einheitliche Lösung gibt.
Web 3D folgt Web 2.0
Fehlende Standards haben den breiten Einsatz von Identity-Management-, Digital-Rights-Management- und Micropayment-Systemen im 2D-Web bisher verhindert. Second Life hat diese Systeme bereits integriert und kann dem Geschäft mit Inhalten neuen Schub geben. Dass Second Life das zukünftige Web 3D sein wird, daran glauben und darauf hoffen viele ? vor allem Firmen, die bereits kräftig darin investiert haben.
10 Millionen US-Dollar ist die Summe, die IBM im Laufe dieses Jahres in Second Life und in ein eigenes 3D-Intranet investieren möchte. Der Großteil des Geldes wird dabei aber nicht in Second Life, sondern in Forschung und Entwicklung fließen. Doch schon jetzt besitzt IBM ein Dutzend virtuelle Inseln in Second Life, die hauptsächlich für Meetings, das E-Learning und natürlich als PR-Maschine genutzt werden.
Sandy Kearney, Direktorin bei IBM für den Bereich 3D-Internet und Virtual Business, ist sich jedenfalls sicher, dass das Web 3D kommen wird: »Das Web brauchte Jahrzehnte. Das hier dauert wahrscheinlich nur die halbe Zeit.« Auch Sebastian Küpers von Pixelpark setzt auf die virtuelle Welt von Linden Lab: »Second Life hat einen Wettbewerbsvorsprung, den kein Konkurrent so schnell einholt«.
Den Vorsprung hat sich das Unternehmen durch die Veröffentlichung seiner Client-Anwendung als Open-Source-Software erkauft. In Kürze soll die Server-Anwendung folgen.
Damit hat die Firma aus Kalifornien Anfang des Jahres einen strategischen Schachzug vollzogen, der das Second-Life-Protokoll als Quasi-Standard für das 3D-Web positioniert.
Leben können von Second Life nur die wenigsten
Die absoluten Zahlen sind ernüchternd: Im Monat Dezember waren es gerade einmal 459 Personen, die bereits über 1000 US-Dollar Gewinn in Second Life erwirtschafteten. 90 davon verdienten allerdings mehr als 5000 Dollar. Ähnlich sieht es auf der Ausgabenseite aus. Knapp die Hälfte der konsumierenden Second-Life-Nutzer gibt weniger als 500 L$ pro Monat aus und immerhin schon sechs Prozent leisten sich virtuelle Güter, Grundstücke und Gebühren im Wert von mehr als 140 ? pro Monat.
Bild: Nichts los bei Energie Baden-Württemberg – so geht es vielen Firmenniederlassungen in Second Life.