Die dunklen Seiten von Alice
Hansenet ist gar nicht mehr so nett
Hansenet-Dampfer aufgelaufen
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Eine kapitale Klippe rammte der Hansenet-Dampfer diese Woche mit dem unglücklichen Abschalten von hunderten Hotspots. Die ehemaligen AOL-Kunden, die man eigentlich für 665 Millionen Euro teuer dem Mutterkonzern abgekauft hatte, fühlen sich langsam wie Kunden zweiter Klasse – und machen in einer Flut von Protestschreiben oder Kündigungen ihrem Ärger Luft, wie auch die Financial Times berichtete.
Die Vorgeschichte: Internetanbieter AOL Deutschland versorgte schon vor vier Jahren mit Partner Hotspot die ersten Cafés der Republik mit der Funktechnik W-LAN. Ein Coup der Moderne. Nun konnten 2,6 Millionen AOL-Kunden plötzlich mit ihrem Notebook unterwegs im Internet surfen und dabei entspannt ihren Latte Macchiato schlürfen.
Still & heimlich abschalten
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Dann kaufte sich Telecom Italia im September 2006 die AOL-Internetkunden (auch Schmalband) und übergab sie seiner deutschen Tochter Hansenet. Das damit automatisch erworbene Business mit ungefähr 330 AOL-Hotspots legte sie aber mittlerweile stillschweigend lahm – und ließ den Vertrag mit Hotspot Deutschland auslaufen.
Manche Kunden vermissen den Zugangsservice, andere finden die heimliche Vorgehensweise unehrenhaft. “Ich habe erst erfahren, dass der Hotspot nicht mehr funktioniert, nachdem mich meine Kunden darauf aufmerksam gemacht haben”, merkte ein Hamburger Cafébesitzer an.
Was aber noch mehr ehemaligen AOL-Kunden aufstößt: Sie kriegten weiterhin Rechnungen für einen Dienst, den es längst nicht mehr gab. “Unsere Hotline steht nicht mehr still”, merkte süffisant Andreas Maladinski von Hotspot Deutschland an. Täglich kämen Beschwerden der ungefähr 2.000 Kunden, deren Hotspot-Flatrate von rund 5 Euro noch im Oktober eingezogen wurde. Diesen Zusatztarif hatte AOL Anfang 2006 eingeführt.
Der schönen Dame Alice, Werbe-Ikone des Anbieters, ist die Hotspot-Panne immerhin peinlich. “Wir entschuldigen uns bei den Kunden”, ließ ein Alice-Sprecher ausrichten. Und begründete die Einstellung mit wirtschaftlichen Überlegungen: Verglichen mit dem Angebot der Konkurrenz sei das Hotspot-Netz einfach zu klein gewesen.
Ungeschick & Unglück
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Das war beileibe nicht der einzige Ausrutscher, den sich die Hansenet bei der Integration der gekauften AOL-Kunden leistete. So werden die 1 Million Schmalbandnutzer wie Stiefkinder behandelt. Sie schaffen es kaum noch, per Modem ins Internet zu gelangen. Da ihnen technisch Knüppel zwischen die Füße geworfen wurden, laufen sie in Scharen zur Konkurrenz über. Und zwar nicht 100, nicht 1.000 oder 10.000, sondern gleich mal eine runde Viertelmillion (!) Kündigungen soll es in der Hamburger Zentrale gehagelt haben, war einer Meldung der Welt zu entnehmen (wir berichteten).Ex-AOL-Manager geben der italienische Mutter Telecom Italia die Schuld am holprigen Start: DSL-Kunden würden bevorzugt, Modemnutzer dagegen bewusst verjagt. Konkret teile das Rechenzentrum in Mailand die AOL-Kunden in gute und schlechte ein, wodurch bei den Schmalbandnutzern erhebliche Komplikationen auftreten. Das führe zu Frustration und dann eben zur Abwanderung.
Seit März läuft die Integration der beiden Unternehmen, wobei mit dem New-Economy-Konzern AOL und dem ehemals öffentlichen Stadtnetzbetreiber Hansenet und dem italienischen Ex-Staatskonzern sehr sehr unterschiedliche Kulturen aufeinanderprallen (böse Zungen meinen: Hamburger Arroganz trifft auf italienische Nonchalance). Hinzu komme, dass die Muttergesellschaft Telecom Italia im Ausland bekannt ruppig agiere, wurde ein Hansenet-Manager in den Medien zitiert.
Probleme auch beim Telefon
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Den deutsch-italienischen Effekt erleben auch jene Hansenet-Kunden, die dort einen Anschluss wollen, wo das Unternehmen noch kein eigenes Netz gebaut oder gemietet hat. Die Kommunikation läuft dann via Internet, wodurch Gesprächspartner dumpf klingen, nebst Echo- und Halleffekten. Schuld sei die Intel-Plattform, die Hansenet von der italienischen Mutter übernehmen musste, obwohl die AOL-Technik “deutlich überlegen” sei.
Auch finanziell würde die Hamburger Tochter knapp gehalten, was sowohl Callcenter-Mitarbeiter wie auch Lieferanten zu spüren bekommen, so Insider gebenüber der Zeitung Die Welt. (rm/mk)