Filesharing und seine Gefahren
Blindes Wüten? Abmahnungen der Musikindustrie

PolitikRecht

IT-Abmahner im Fernsehen?

Filesharing und seine Gefahren

Dass RTL einen Beitrag zum aktuellen Thema Filesharing sendet, ist nichts Besonderes – doch in dem Beitrag, in dem es darum ging, dass Eltern für die Dateitausch-Aktivitäten ihrer Kinder haften, wurden Rechtsauffassungen vertreten, die offenbar vor allem die Anwälte der Musikindustrie zufriedenstellen. “Kein Wunder”, denkt sich der Medienkenner, denn der Fernsehsender gehört zu einem Medienkonzern, der über seine Beteilungungen auch in der Musikbranche aktiv ist – als einer der fleißigsten P2P-Verfolger.

Am Tag nach der ersten Sendung zu diesem Thema am 10. Oktober 2007 hatten wir auf den Beitrag mit einem gegenläufigen Artikel “Vorbeugende Unterlassung gegen Abmahnung wegen Filesharing? Nein!” auf unserer Kanzlei-Website reagiert. Die im Fernsehbeitrag ausgesprochene anwaltliche Empfehlung, eine “vorbeugende Unterlassungserklärung” abzugeben, halten wir für sehr gefährlich. Nachdem nun auch der zweite Teil gesendet worden ist, erkären wir einige Hintergründe, die vielleicht noch nicht jeder weiß, der betroffen sein könnte.

Wie einige Leser der Presse schon entnehmen konnten, überzieht die Hamburger Kanzlei Rasch im Auftrag sechs großer Musikunternehmen wie Sony BMG Entertainment GmbH und EMI Music Germany GmbH & Co. KG, mehrere 10.000 Betroffene mit kostspieligen Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen und Strafverfahren. Den Betroffenen wird vorgeworfen, urheberrechtswidrig in digitalen Tauschbörsen Musikdateien heruntergeladen bzw. angeboten zu haben.

Monatlich verschickt die Kanzlei Rasch nach eigenen Angaben etwa 5.000 Abmahnungen an vermeintliche Urheberrechtsverletzer aller Alterstufen, nicht selten sind Minderjährige betroffen. Um die Urheberrechtsverletzer aufzuspüren, bedient die Kanzlei sich der Mithilfe der proMedia GmbH, deren Geschäftsführer Rechtsanwalt Rasch selbst ist. Diese eigens zur Verfolgung von Urheberrechtverstößen in Musiktauschbörsen gegründete Unternehmung arbeitet letztlich wie eine Detektei. Sie spürt auf technischem Wege vermeintliche Verstöße über Tauschbörsen auf und sichert Beweise.

Erfüllungsgehilfen und Rechtsstreit-Gewinnler

Filesharing und seine Gefahren

Die Schadensersatzsummen, die von den Betroffenen gefordert werden, bewegen sich häufig zwischen 3.000 Euro und 10.000 Euro. Wenn man diese Summen hochrechnet, ergeben sich beachtliche Schadensersatzforderungen von 15.000.000 Euro im Monat.

Gegen “Rasch-Abmahnungen” vorzugehen, sscheint ein ähnlich erträgliches Einnahmefeld zu werden: Eine Kanzlei in Düsseldorf schaltet sogar schon gezielt Google-Anzeigen, um die Opfer zu erfassen und anschließend zu beraten.

Die Musikindustrie legitimiert ihr Vorgehen mit den immensen Schäden, die sie angeblich aufgrund illegaler Nutzung von Tauschbörsen im Internet erleidet. Es gibt jedoch auch Studien, wie beispielsweise das Gutachten “The Effect of File Sharing on Record Sales, An Empirical Analysis“, schon aus dem Jahr 2004, die das Gegenteil feststellen.

Zu überlegen ist, ob die Musikindustrie diesem Phänomen des digitalen Zeitalters nicht anders begegnen könnte als massenhaft Verfahren gegen angebliche Straftäter anzustrengen. Spätestens seit Künstler wie George Michael ihre Musik kostenlos ins Internet stellen und die Gruppe Radiohead jüngst den Nutzern selbst die Bepreisung bei Download ihres neuen Albums überlässt und dabei auch einen kostenlosen Download in Kauf nimmt, ist ersichtlich, dass Musikdateien im digitalen Zeitalter ein flüchtiges Gut geworden sind und der klassische CD-Verkauf “erdrutschartig” schwindet.

Das liegt offensichtlich nicht nur an der Nutzung digitaler Tauschbörsen, sondern schlicht an dem veränderten Nutzungsverhalten der Kunden.

Erwähnenswert ist hierbei auch, dass ein Vertreter der Staatsanwaltschaft Offenburg öffentlich geäußert hat, er wolle nicht länger als “Erfüllungsgehilfe der Musikindustrie” fungieren. Nach seiner Aussage handele es sich bei diesen Urheberrechtsverletzungen in der Regel um Bagatelldelikte, die er ohne den Anschlussinhaber überhaupt zu ermitteln, wegen Geringfügigkeit einstelle. Der Umgang mit Urheberrechtsverletzungen durch die Musikindustrie und die sich daran anschließenden Reaktionen der Strafverfolgungsbehörden sollten zukünftig aufmerksam verfolgt werden. Zudem gibt es Möglichkeiten, digitale Musik legal zu übertragen – etwa per Internetradio und Mittschnittsoftware. Da dies dem Aufnehmen vom Analogradio auf Kassetten gleichkommt, ist es auch nicht verboten. (mk)

Über die Autorin

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Nina Haberkamm ist Anwältin in der Kanzlei Maas in Köln, die sich auf die Themen Medienrecht, Internet-Recht und e-Business konzentriert.

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