Russisches Roulette a la Gematik
[Das ist ein Gastkommentar von Joachim Jacobs, FSFE-Mitarbeiter und Initiator von privatsphaere.org] Im Herbst 2007 verlangte der Chef des Bundeskriminalamts dann: „Wir müssen uns was einfallen lassen!“ Die Online-Krieger könnten auch Großunternehmen und ganze Staaten bedrohen. Immerhin: Nach einer erpresserischen Cyberattacke auf die Server des Sportwettenanbieters mybet.com während der Fußball Europameisterschaft 2004 musste der ganze Staat Malta – dem Standort der mybet.com Server – vom Netz genommen werden. Jetzt überträgt die Bundesregierung dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die Abwehr von Cyberkriminellen.
Nun will die Gematik (Gesellschaft für Telematikanwendungen der Gesundheitskarte mbh) im Lauf des Jahres die Versichertenkarten von 82 Millionen Patienten in Deutschland durch „elektronische Gesundheitskarten“ ersetzen. Dazu soll eine zentrale Infrastruktur im Internet geschaffen werden, die künftig Röntgenbilder, Arzt- und Laborberichte und andere Daten speichert. Auf der Karte selbst ist nämlich nur Platz für „Stammdaten“ wie Name, Anschrift und Blutgruppe. Gesundheitsdaten werden in den USA für 2500 US Dollar pro Datensatz gehandelt. Auf die Bevölkerung der Bundesrepublik hoch gerechnet wären das 205 Milliarden US-Dollar – Zum Vergleich: Microsoft ist heute 185 Milliarden laut der US Börse Nasdaq wert. Dass sich die Patientendaten für Kriminelle anbieten, zeigt ebenfalls der Blick über den Atlantik: Kriminelle aus China und Rußland interessieren sich für die Daten der US-Amerikanischen Krankenversicherten und hinterlassen Viren auf den Servern.
Insofern schien es privatsphaere.org gerechtfertigt, die Gematik danach zu fragen, wie sie die zentrale Infrastruktur gegen eine mutwillige Blockade und die Daten gegen Manipulation oder gegen Löschen sichern will. Immerhin wär’s doch denkbar, daß eine Terrorgruppe daran Interesse hätte! Was würde denn an den Börsen passieren, wenn zwischen Kiel und Garmisch keine Patientendaten mehr verfügbar wären, also grade noch die akute Notversorgung gewährleistet wäre?
Das 40-minütige Gespräch mit der Gematik war aufschlußreich: “Keine Ahnung”, “Muß ich nachfragen”, “Kein Kommentar” waren die Regel. Die Herrschaften scheinen nicht einmal im Ansatz zu wissen, mit wem sie sich hier anlegen! Mir wurde zugesichert, die Wissenlöcher zu stopfen und die Antworten nachzureichen. Einen Tag später geschah genau das Gegenteil und die ohnehin dürftigen Antworten wurden komplett, “auf Grund des sehr hypothetischen Charakters einiger Fragen” zurückgezogen: Wir müssen also damit rechnen, daß die Gematik die Patienten “Russisches Roulette” spielen lassen will – womöglich gar mit sechs Kugeln im Colt! [Joachim Jacobs]
Epoch Times zu BKA und Cybercrime
Gematik
Medical Identity Theft