Opera-Vizepräsident Tatsuki Tomita im Interview
»Wettbewerb auf dem Browser-Markt ist wichtig«
Die neuen Features in Opera 9.5
PC Professionell: »Herr Tomita, seit heute ist Opera Desktop 9.5 zu haben. Welche neuen Features haben Sie in den Browser integriert, worauf haben Sie bei der neuen Version besonderen Wert gelegt?«
Tatsuki Tomita: »Vor allem ging es uns um drei Dinge: Datenaustausch, Leistung und Sicherheit. Eigentlich gibt es noch einen vierten Punkt, Web-Entwicklung, aber der ist nicht für die große Masse gedacht. Dazu haben wir das Tool Dragonfly entwickelt und in Opera integriert.«
»Zu den neuen Features zählt Opera Link. Das ist eine Funktion, die es in Opera 9.5 und Opera Mini 4.1 gibt, mit der sich Einstellungen zwischen verschiedenen Browser-Instanzen synchronisieren lassen, also Lesezeichen, persönliche Leiste und die Speed-Dial-Seiten. Das ist gut, wenn man zum Beispiel mehrere Rechner hat, wie ich. Man kann aber nicht nur die Einstellungen zwischen mehreren Rechnern synchronisieren, sondern beispielsweise auch einen Desktop-Computer und ein Handy mit Opera Mini. Was ich gerne mache: ich bin zu Hause, gehe auf TechCrunch und schaue mir dort um, habe aber keine Zeit und muss zur Arbeit. Also bookmarke ich die Webseite und auf dem Weg zur Arbeit kann ich auf meinem Handy per Opera Mini direkt auf das Lesezeichen zugreifen. Das ist der Unterschied zwischen Opera und anderen Browsern: Opera ist überall.«
PCpro: »Kann ich mit Opera Link auch Einstellungen wie Tastaturkürzel, geöffnete Tabs und den aktuellen Skin synchronisieren?«
Tomito: »Das kommt noch – wir arbeiten daran.«
PCpro: »Was ist noch neu oder verbessert worden in Opera 9.5?«
Tomita: »Die Performance – wir haben an der Javascript-Engine gearbeitet. Aber es geht nicht nur um die Geschwindigkeit wie schnell Javascript ausgeführt wird, es geht uns um die allgemeine Nutzungserfahrung. Wir haben ein neues Feature namens Quickfind eingebaut, welches es dem Benutzer erlaubt, bereits besuchte Webseiten wiederzufinden. Dazu indexieren wir alle Webseiten, die aufgerufen wurden, und speichern deren Inhalte. Damit hat man einen schnellen Überblick über bereits besuchte Seiten.«
»Außerdem haben wir einen neuen Skin, der ein intuitives Nutzer-Interface bieten soll. So gibt es auch am unteren Ende des Fensters Buttons, mit denen man beispielsweise einstellen kann, ob Bilder auf einer Webseite angezeigt werden oder nicht. Eine sehr simple Funktion, die viel bringen kann – vor allem bei nicht sehr schnellen Netzwerkverbindungen. Wir haben viele Nutzer in Entwicklungsländern, die schwache Rechner in Verbindung mit sehr langsamen Anschlüssen verwenden. Opera macht es für diese Anwender viel einfacher. Zudem haben wir einen sehr weit entwickelten Caching-Mechanismus. Wenn man zum Beispiel eine Seite durchstöbert, auf der viele Bilder sind, etwa eine Bildergalerie, und zwischen diesen Bildern hin und her navigieren möchte, muss Opera diese nicht jedesmal neu laden.«
PCpro: »Und was haben Sie in punkto Sicherheit getan?«
Tomita: »Wir haben die Unterstützung für Extended-Validation-Zertifikate ergänzt und einen Malware-Schutz eingebaut – zusätzlich zu dem bereits vorhandenen Phishing-Schutz. Die Listen mit potenziellen Malware-Seiten beziehen wir von drei professionellen Anbietern: Netcraft, Phishtank und Haute Secure. Allerdings können auch die Nutzer Seiten melden, damit sie in unseren Datenbestand aufgenommen werden.«
Opera und der Wettbewerb mit Firefox
PCpro: »Sie haben vorhin die Entwickler-Funktionen erwähnt. Schafft Opera 9.5 schon den Acid3-Test?«
Tomita: »Version 9.5 ist knapp unter 100 Prozent. Aber wir haben den Acid3-Test bereits zu 100 Prozent mit einer Pre-Release-Version bestanden. Das hängt mit der Art zusammen, wie wir unser Unternehmen untergliedert haben. Ein Team arbeitet nur am Browser-Kern, ein anderes entwirft die Grafikbibliothek und ein anderes arbeitet beispielsweise an CSS oder XML. So hat der Core-Build den Acid3-Test bestanden, Version 9.5 noch nicht ganz. Aber wir arbeiten daran. Irgendwann nehmen wir einfach die neueste Core-Version und bringen sie in eine neue Opera-Version. Jetzt jedenfalls kommt erst einmal Opera 9.5 auf den Markt.«
PCpro: »Damit liegen Sie zeitlich nur knapp vor Firefox 3.0, mit dem Mozilla einen neuen Download-Rekord aufstellen will. Über Firefox wird viel geredet und der Browser gewinnt stetig Marktanteile hinzu. Opera ist zwar ein guter Browser, kriegt aber nicht die gleiche Aufmerksamkeit. Woran liegt das?«
Tomita: »Firefox schlägt sich sehr gut, und das sehe ich positiv: vorher gab es keinen Wettbewerb – es gab nur den Internet-Explorer. Aber jetzt gibt es Firefox, Safari für Windows und Opera sowie einige kleinere lokale Browser-Entwickler hier und da. Es gibt Wettbewerb! Wir haben viele Nutzer in Deutschland. Wenn man sich allerdings Länder wie Russland ansieht – dort haben wir fast 20 Prozent Marktanteil.«
PCpro: »Haben Sie Zahlen, welchen Marktanteil Opera in Deutschland hat? Bei pc-professionell.de sind es zum Beispiel 5,25 Prozent. Firefox und Internet Explorer sind ungefähr auf dem gleichen Level mit etwa 45 Prozent.«
Tomito: »Firefox mit 45 Prozent, wirklich? Davon abgesehen entspricht das auch unseren Zahlen, nach denen Opera 4 bis 5 Prozent hat. Man muss aber dazu sagen, dass sich ältere Versionen als Internet Explorer ausgeben. Bei einem Update von einer älteren Version bleibt diese Kenzeichnung erhalten. Seit Version 9 gibt sich Opera aber als Opera zu erkennen.«
PCpro: »Also ist Operas Marktanteil in Wirklichkeit viel größer?«
Tomita: (lacht) »Es ist ein klein wenig mehr.«
PCpro: »Und wie wollen Sie nun neue Nutzer hinzugewinnen?«
Tomita: »Wir bringen Opera auf andere Betriebssysteme und Plattformen wie Handys und Konsolen. Dadurch können wir auch unseren Anteil am Desktop-Markt ausbauen. Man hat einfach Vorteile, Opera auf seinem PC zu nutzen, wenn man es bereits auf seinem Handy installiert hat. Das ist unsere Art Marktanteile zu gewinnen. Das heißt natürlich nicht, das wir aufhören den coolsten Browser auf dem Desktop-Markt zu entwickeln – was wir tun werden. Es ist einfach eine andere Art den Markt anzugreifen.«
»Neue Nutzer bringt uns auch unser Entwickler-Tool Dragonfly. Wir haben immer wieder gehört: ‘Opera ist cool, Opera ist klein und bietet von Haus aus alle Funktionen, die ich brauche. Aber es ist schwer für mich, den Browser zu benutzen, weil er mir nicht die Developer-Tools bietet, die ein Firefox mir bieten würde.’ Dragonfly bringt uns nun auch diese User. Im Moment haben wir auch noch ein paar Probleme mit bestimmten Webseiten, aber daran arbeiten wir. Wir bekommen sehr viel Feedback. In erster Linie sind wir einfach nicht so bekannt wie Firefox. Das ist es, was wir ändern wollen.«
PCPro: »Vielleicht sollte Ihr CEO, Jon S. von Tetzchner, mal wieder durch den Atlantik schwimmen?«
Tomito (lachend): »Ja, ich meine, er sollte. Vielleicht bis nach Thailand – da will er seinen Urlaub verbringen.«
Opera, offene Standards und eine API für Entwickler
PCpro: »Firefox hat natürlich auch
Erfolg, weil man den Browser mit unzähligen Erweiterungen versehen kann. Planen Sie, eine API zu veröffentlichen, damit Entwickler auch Erweiterungen für Opera schreiben können?
Tomito: »Sicher, das wollen wir. Wir wollen externen Entwicklern die Möglichkeit geben, Anwendungen für Opera zu entwickeln. Details kann ich aber noch nicht nennen.«
PCpro: »Gibt es schon einen Zeitplan, wann Sie Opera öffnen wollen?«
Tomito: »Dazu kann ich momentan nichts sagen.«
PCpro: »Gibt es etwas, das Opera von Mozilla lernen kann?«
Tomito: »Ja, ich denke, ihr Marketing war extrem gut und ihre Einbeziehung der Community. Auch wir bei Opera waren immer darauf fokussiert, mit der Community und den einzelnen Usern zu sprechen und uns Feedback über von Foren und Blogs einzuholen – oder auch unser Bugtracking-System. Aber das mit der Community können wir definitiv von Firefox lernen. Es heißt oft, dass Firefox so gut ist, weil er sich frei nach Bedarf verändern lässt. Das geht mit Opera zwar auch – aber nicht in dem Sinne. Es ist einfach eine andere Philosophie, die dahinter steckt.«
PCpro: »Arbeiten Sie eigentlich mit Mozilla zusammen?«
Tomito: »Sicher, zum Beispiel bei HTML5. Bevor die Arbeitsgruppe beim W3C gegründet wurde, kamen Opera, Firefox und Safari bereits zusammen. Und wir haben auch schon bei vielen anderen Dingen zusammengearbeitet. Ich denke, wir ergänzen einander ganz gut. Wir stehen zwar auch in Wettbewerb zueinander, aber das ist eine gute Sache. Das sorgt für Innovationen und am Ende profitiert der User davon.«
PCpro: »Und arbeiten Sie auch mit Microsoft zusammen?«
Tomito: (überlegt, lacht dann) »Ja, in bestimmten Bereichen. Mal überlegen: Der IE hat ja nicht unbedingt positive Eigenschaften, wenn es um das Befolgen von Standards geht.« (lacht erneut)
PCpro: »Aber Microsoft arbeitet daran…«
Tomito: »Ja sicher, sie wollen den IE 8 endlich mit Support für allgemein gültige Standards ausrüsten. Ich denke, dass die Web-Community davon profitieren wird. Jeder, der offene Standards unterstützt, bringt die Community nach vorne. Und wir arbeiten mit allen Unternehmen, die das im Sinne haben, zusammen – auch mit Microsoft. Zuletzt beispielsweise im Bereich Extended-Validation-Support.«
Opera und die Wichtigkeit des Handy-Geschäfts
PCpro: »Opera ist auf Geräten wie Handys und Spielekonsolen sehr erfolgreich, während der Marktanteil auf dem Desktop sehr gering ist. Vielleicht sollten Sie ihren Fokus mehr auf Handys legen?«
Tomito: »Das tun wir. Zum Beispiel haben wir gerade in Deutschland Kooperationen mit Vodafone, O2 und Debitel verkündet. Unser langfristiges Ziel ist allerdings ein einziges Web: kein Handy-Web, kein TV-Web und kein Desktop-Web – wir wollen ein einziges übergreifendes Web-Erlebnis. Deswegen ist es wichtig für uns, den bestmöglichen Webbrowser zu entwickeln.« PCpro: »Aber die Sparte, in der Opera die meisten Umsätze erzielt, ist der Mobilmarkt, richtig?«
Tomito: »Ja. Ich glaube, das Verhältnis ist etwa 70 zu 30. 70 Prozent des Umsatzes kommen aus dem Handy-Markt oder anderen Arten von Geräten und 30 bis 35 Prozent erwirtschaften wir im Desktop-Markt.«
PCpro: »Wo kommt der Umsatz im Desktop-Geschäft her?«
Tomito: »Zum Großteil aus Kooperationen wie zum Beispiel der Zusammenarbeit mit Google.«
PCpro: »Google ist die Standardsuche für das in Opera integrierte Suchfeld.«
Tomito: »Genau. In Russland arbeiten wir beispielsweise mit Yandex zusammen und in China mit Baidu. So können wir den Browser für verschiedene lokale Nutzergruppen anpassen.«
PCpro: »Haben Sie schon mal daran gedacht, aus Opera Mini ein Open-Source-Produkt zu machen? Der Browser kommt ja beispielsweise auf Googles Android-Plattform zum Einsatz und diese ist ja Open Source.«
Tomito: »Nein, das haben wir nicht vor. Wir legen Wert auf die Unterstützung offener Standards. Ich denke, das ist es, was wirklich zählt. Open Source bedeutet ja nicht automatisch, dass etwas gut ist.«
PCpro: »Flash ist für viele Webseiten sehr wichtig. Wie sieht es mit dem Flash-Support bei Opera Mini und Opera Mobile aus? Steve Jobs erklärte ja mal, er wolle keinen Flash Player auf dem iPhone haben, weil er zu ressourcenhungrig sei.«
Tomito: »Opera Mini unterstützt Flash nicht, Opera Mobile schon.«
PCpro: »Gibt es eine Chance, Flash-Support für Opera Mini zu bekommen oder ist das zu kompliziert?«
Tomito: »Das Problem ist kein technisches. Es ist keine Raketenwissenschaft – es geht eher um den Fokus, den wir haben. Opera Mobile ist nun mal ein nativ umgesetzter Browser, der auf Symbian oder Windows Mobile läuft. Opera Mini dagegen ist ein 100 Kilobyte großer Java-Code, den man auf jedes Handy runterladen kann. Dadurch, dass der Browser so klein und effizient ist, können wir damit viele Nutzer ansprechen. Andererseits schränkt es natürlich die Möglichkeiten des Browsers ein. In Opera Mini kann man vieles machen – aber nicht soviel wie mit unserem normalen Browser. Was Rich Media angeht: Wir könnten es machen – es braucht allerdings mehr Server-Kapazität. In China und Indien ist man zum Beispiel glücklich, überhaupt mit dem Handy ins Web zu kommen oder sogar in Deutschland, im Zug, ist das so. Da wäre es zwar ganz nett, auch mal YouTube zu schauen, aber das braucht einfach viel mehr Rechenleistung auf Server-Seite. Das ist zwar möglich, aber im Moment konzentrieren wir uns darauf, alles so schlank wie möglich zu halten. Flash wird heutzutage ja größtenteils für Werbung genutzt und natürlich Rich-Media-Anwendungen wie YouTube. Wenn man allerdings ein Handy mit dem richtigen Codec hat, wie 3GPP, dann übernimmt YouTube das Umkodieren fürs Handy.«
PCpro: »Eine letzte Frage: Was können wir von Opera 10 erwarten? Es ist schließlich eine schöne runde Version.«
Tomito: »Es gibt viele gute Ideen. Ich kann da leider nichts verraten, weil wir daraus eine wirkliche Überraschung machen wollen – aber wir arbeiten daran. Wir fügen mehr coole Features hinzu und erhöhen die Leistung. Das ist alles was ich jetzt dazu sagen kann. Opera 10 wird toll!«