Microsofts größtes Problem
Windows Azure – himmelblaues Fenster« nennt Microsoft sein Angebot, oder besser gesagt seine Ideen für Cloud Computing. Es blieb dem Nachfolger von Bill Gates als Chief Software Architect, Ray Ozzie, vorbehalten, die blaue Service-Plattform Ende Oktober auf der Professional Developer Conference PDC 2008 in Los Angeles den Entwicklern vorzustellen.
Und das mächtige Softwarehaus aus Redmond in der Nähe von Seattle steht mächtig unter Zugzwang, haben doch IT-Größen wie IBM, Google oder der Buchhändler und Versender Amazon mit Angeboten aus der Wolke bereits gepunktet.
Microsofts größtes Problem liegt tief in der Historie des von Bill Gates und Paul Allen gegründeten Softwarehauses. Denen gelang es in den 80er Jahren durch Zufall, den Personalcomputer zum Zentrum der Informationsverarbeitung zu machen. Vom Zwang der Stapelverarbeitung in Rechenzentren befreit, konnten seither viele Alltagsaufgaben auf einem persönlichen Arbeitsplatzrechner (Desktop) erledigt werden.
Das Netz ist der Computer
Doch seit dem Aufkommen des kommerziellen Internets auf breiter Basis haben sich die Grundlagen der Informationsverarbeitung erneut gewandelt. Nun steht das Internet im Mittelpunkt der Datenverarbeitung. »Das Netz ist der Computer«. Dieser lange Zeit belächelte Slogan von Sun Microsystems und seinem schillernden Chef Scott McNealy ist bis vor kurzem nie viel mehr als ein Slogan gewesen. Richtig ernst genommen hat ihn keiner. Damit konnte sich Microsoft auf lange Zeit auf seinen Desktop-Lorbeeren ausruhen.
Vielleicht zu lange, wie sich jetzt zeigt.

»Das Netz ist der Computer« Der Sun-Chef Scott McNealy hatte diese Devise schon in den 90er Jahren ausgegeben. (Bild: Sun)
Der klassische Büroarbeitsplatz verschwindet
Denn jetzt, im Herbst 2008, ist es soweit und alle IT-Verantwortlichen wissen: »Das Netz ist der Computer«. Nur so können die bestehenden Rechnerwelten den wechselnden Anforderungen der Arbeitswelt angepasst werden. Notebook, Arbeitsplatzrechner und zunehmend smarte Handys wie Apples iPhone sind heute die technische Grundausrüstung vieler Berufe.
Der klassische Büroarbeitsplatz verschwindet zunehmend. Heimarbeitstage von Verwaltungsangestellten, Außendienstmitarbeiter im Vertrieb, Versicherungsagenten und Schadensgutachter, das sind alles Berufsgruppen die bei der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht immer auf ihren Arbeitsplatzrechner zugreifen können.
Notebook hat Schwachstellen
Noch wird das Notebook als Lösung für den mobil arbeitenden Mitarbeiter angesehen, jedoch mit einschneidenden Schwachstellen. Zum einen muss der Datenbestand immer aktuell gehalten werden und mit den Beständen in den Datenbanken der Unternehmen abgeglichen werden. Gleichzeitig besteht die Gefahr des Datenverlustes.
Cloud Computing senkt Kosten
Eigentlich müssten beruflich eingesetzte Rechner immer online sein, damit die Daten aktuell und sicher sind. Unternehmensdaten gehören nun mal ins Rechenzentrum und nicht auf die lokale Festplatte des Notebooks. Hier setzt das Cloud-Computing an. Dafür reicht irgendein Computer mit Internetzugang. So kann jeder Mitarbeiter quasi per Fernbedienung an seinen angestammten virtuellen Arbeitsplatzrechner gelangen. Das senkt zudem die Kosten für Investition und Pflege der Hardware.

Will mit Windows Azure beim Cloud Computing mitmischen: Microsofts Chief Software Architect Ray Ozzie. (Bild: Microsoft)
Das Konzept des Arbeitens in der Internet-Wolke macht also durchaus Sinn. Der entscheidende Faktor wird dabei aber sein, dass die dazugehörende breitbandige Netzstruktur in hohem Maße verfügbar und sicher sein muss. Das ist heute noch nicht der Fall. Eine Gnadenfrist bleibt Microsoft also noch …
(Rudi Kulzer/mt)
Der Autor, Rudi Kulzer, ist als langjähriger IT-Journalist ein exzellenter Branchenkenner und hat viele Jahre als Korrespondent im kalifornischen Silicon Valley gearbeitet.
Weblinks
Windows Azure
Sun Microsystems
Bericht zu Windows Azure