Abenteurer Piccard: Im Solarflugzeug um die Erde

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In einer von fossilen Energien abhängigen Welt erscheint das Projekt »Solar Impulse« ziemlich wagemutig. Ein Flugzeug, ausschließlich angetrieben von Solarenergie, soll selbstständig starten und seinen Flug Tag und Nacht fortsetzen, bis es schließlich die Erde ohne Treibstoff und Schadstoffe umrundet hat. 2011 soll es soweit sein.

Auch solche Projekte sind ohne IT nicht denkbar. Computertechnik bildet bei der Entwicklung die Grundlage, dazu muss ein verlässliches Team interdisziplinär zusammenarbeiten. Genau das hat sich der berühmte Abenteurer Bertrand Piccard vorgenommen.

Karbon-Fasern, Lithium-Polymer-Batterien und monokristalline Solarzellen sollen den Flieger HB-SIA in 36 Stunden um die Erde tragen. (Foto: Claudio Lenardi/Solar Impulse)

Nach vier Jahren Forschung, Studien, Berechnungen und Simulationen hat sein Projekt »Solar Impulse« nun einen Meilenstein erreicht: Die Konstruktion des ersten Prototyps mit 61 Metern Spannweite ist zum Jahreswechsel 2008/2009 abgeschlossen. In diesem Jahr sollen die ersten Testflüge des Solarfliegers HB-SIA stattfinden.

36-stündiger Testflug

Vorrangiges Ziel des jetzt fertig gestellten ersten Prototyps ist es, genügend Sonnenenergie während des Tages zu speichern. Gelingt dies, kann der HB-SIA 2009 den ersten 36-stündigen Testflug ohne Treibstoff absolvieren, was einem vollständigen Tag-Nacht-Tag-Zyklus entspricht.

Die Ingenieure von Solar Impulse entwickelten IT-gestützt einen Flugzeugtyp, bei dem nicht nur der Antrieb neu ist, sondern auch die Aerodynamik, die Struktur, Herstellungsmethoden und der Flugleistungsbereich. Auf den Testflügen sollen die Arbeitshypothesen in der Praxis getestet sowie die Auswahl der Technologien und Konstruktionsverfahren überprüft werden.

Abenteurer, Pilot, Visionär: Bertrand Piccard will die Erde in einem solargetriebenen Flugzeug umrunden – ohne Zwischenlandung.

Zentrales onboard-Informatiksystem
Bei der Konstruktion – hauptsächlich Karbonfaser-Bauweise – kommt es zum Beispiel darauf an, sehr dünne Werkstoffe einzusetzen, die mit 3D-Computer-Programmen erarbeitet werden. Das Energiemanagement läuft über Lithium-Polymer-Batterien und monokristalline Solarzellen. Durch das zentrale on-board Informatiksystem, das Hunderte von Parametern sammelt und analysiert, die für die Flugsteuerung erforderlich sind, ist das Flugzeug in der Lage, seinen Energieverbrauch selbständig anzupassen und zu minimieren.

In Dübendorf bei Zürich und Lausanne am Genfer See arbeiten mehr als 50 Spezialisten aus sechs verschiedenen Ländern an der Konstruktion der Prototypen. Das multidisziplinäre Team wird durch rund hundert externe Berater ergänzt.

Partnerschaft mit der Weltraumorganisation
Zum Netzwerk des Projektes gehören auch wissenschaftliche und industrielle Partnerschaften wie zum Beispiel mit der Europäischen Weltraumorganisation ESA, dem französischen Flugzeughersteller Dassault Aviation, dem Chemie- und Pharmaunternehmen Solvay oder mit der Deutschen Bank als Hauptsponsor.

Für Piccard lassen sich viele Erkenntnisse aus der Ballonfahrt auf das menschliche Dasein übertragen. Aus einer Forscher-Dynastie stammend – Auguste Piccard erfand das Prinzip der Druckkabine und fuhr 1932 als erster Mensch in die Stratosphäre auf 16 000 Meter Höhe, Jacques Piccard brach 1960 den Tiefseetauchweltrekord und erforschte den Mariannengraben in 11 000 Meter Tiefe – widmete sich Bertrand Piccard, von Beruf Psychiater, zunächst der Welt des Innern. »Was blieb schon für mich übrig?“, scherzte er auf seinem Vortrag in München. »Mein Großvater flog am höchsten, mein Vater tauchte am tiefsten. Da blieb für mich nur die Welt nach Innen.«

Psychologie des Abenteuers
In zahlreichen Vorträgen begeistert Bertrand Piccard sein Publikum. Wer noch nicht Fan IT-gestützter Solarenergie war, ist es spätestens dann, wenn er den Visionär gehört hat. Piccard spricht nicht nur davon, die Grenzen als Forscher und Abenteurer zu verschieben, sondern auch als Psychologe davon, alten Ballast abzuwerfen. Was der Ballonfahrer an Sand und Wasser abwirft, um in andere Luftschichten zu gelangen, die ihn in die gewünschte Richtung bringen, so solle sich der Mensch von nutzlosen Dogmen und überholten Überzeugungen lösen.

Bertrand Piccard ist seit seiner Nonstop-Umrundung der Erde im Heißluftballon ein gefragter Redner. Hier als Keynote-Speaker auf der electronica 2008 in München.

»Lernen Sie, Unsicherheiten über Bord zu werfen«, rief er seinem Publikum beim Eröffnungsvortrag der Messe electronica unlängst in München zu. Als Ballonfahrer lerne man viele Dinge, die die Gesellschaft nicht lehrt. »Wir Menschen hassen Veränderungen«, sagt Piccard, doch es gelte, die Veränderungen sinnvoll für sein Leben zu nutzen und Unsicherheiten zu akzeptieren.

Spannende Erkenntnisse fürs IT-Management
»Beim Ballonfahren ist zunächst auch unklar, wohin die Reise geht«, so der Abenteurer. Es gibt schließlich kein Steuerruder am Korb. Die horizontale Richtung könne – auf den ersten Blick paradox – nur über die vertikale Veränderung erreicht werden, indem man sich von den Winden in den verschiedenen Luftschichten der verschiedenen Höhen in die gewünschte Richtung tragen ließe.

Der Solarflug dürfte spannende Erkenntnisse bringen über den Einsatz der IT bei der Entwicklung neuer Technologien, das Managen von Teams unter Extrembedingungen und die Anwendung dieser Erkenntnisse auf die Zusammenarbeit in Unternehmen.
(Gudrun Kosche/mt)

Weblinks
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Solarimpulse
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