Interview Edmund Stoiber: »Ehrgeizige Ziele«
Was macht eigentlich Edmund Stoiber? Das fragten sich viele in den letzten Monaten. In seinem neuen Amt in der EU soll Stoiber den Bürokratie-Abbau vorantreiben. Er ist ehrenamtlicher Vorsitzender der »Hochrangigen Gruppe unabhängiger Interessenträger im Bereich Verwaltungslasten«.
Über seine ehrgeizigen Ziele, die Probleme von IT-Unternehmen und einen neuen Ideenwettbewerb zum Bürokratieabbau sprach Edmund Stoiber mit eWEEK-Reporterin Gerlinde Böbel.
eWEEK: Sie haben eine wichtige Aufgabe übernommen. Überflüssige Bürokratie soll in Europa bis zum Jahr 2012 um 25 Prozent abgebaut werden. Es gibt hierfür Hunderte von Vorschlägen. Wo wollen Sie ansetzen?
Stoiber: Die EU-Kommission hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2012 25 Prozent der Bürokratiekosten, die durch Informationspflichten für Unternehmen anfallen, abzubauen.

Die Homepage der von Edmund Stoiber geleiteten High Level Group.
Die von mir geleitete Expertengruppe macht dazu Vereinfachungsvorschläge in dreizehn wichtigen Rechtsbereichen: Gesellschaftsrecht, Arzneimittelrecht, Arbeitsrecht, Mehrwertsteuerrecht, Statistik, Landwirtschaft, Lebensmittelsicherheit, Verkehr, Fischerei, Finanzdienstleistungen, Umwelt, Kohäsionspolitik und Öffentliches Auftragswesen.
Welche EU-Normen haben Sie bisher abgeschafft, welche haben Sie vereinfacht?
Die Gruppe ist ehrenamtlich tätig und berät die EU-Kommission. Sie hat bisher umfangreiche Vorschläge zum Gesellschaftsrecht, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer und zum Öffentlichen Auftragswesen gemacht. Die Kommission muss dann entscheiden, welche Vorschläge sie übernehmen will. In den meisten Fällen ist anschließend noch die Zustimmung des Europäischen Parlaments und der 27 Mitgliedsstaaten erforderlich.

Edmund Stoiber im eWEEK-Interview: Bis 2012 will er 25 Prozent der Bürokratiekosten abbauen, die durch Informationspflichten für Unternehmen anfallen.
Es ist ein großer Erfolg für die Arbeit der Gruppe, dass die Kommission die zwei wichtigsten Vorschläge der Gruppe zum Wegfall der EU-Handelsbilanz für kleine Unternehmen bis zu zehn Mitarbeitern und zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer durch verstärkte Nutzung elektronischer Möglichkeiten in ihr Konjunkturprogramm aufgenommen hat und der EU-Gipfel Mitte Dezember dafür »grünes Licht« gegeben hat. Allein diese beiden Vorschläge haben ein Entlastungspotenzial von 25 Milliarden Euro.
Welche Rolle spielt die IT-Branche bei Ihren Vorhaben?
Vielfach sind elektronische Lösungen eine besonders gute Möglichkeit, Informationspflichten für Unternehmen zu erleichtern. Hierzu steht die Gruppe mit den Unternehmen in engem Kontakt und greift entsprechende Vorschläge auf.
Nun führen IT-Sicherheit und Datenschutz wiederum zu Komplikationen. Ist dieses Dilemma überhaupt lösbar?
Bei der verstärkten Nutzung von IT-Lösungen geht es in der Regel nicht um personenbezogene Daten, sondern um Unternehmensdaten, sodass insoweit keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen. Allerdings ist es richtig, dass die Bürger vielfach zusätzliche Regelungen fordern, weil sie mehr Sicherheit wollen.
Meine Überzeugung ist, dass wir das Spannungsfeld zwischen Freiheit (also Mut zur Lücke) und Sicherheit (immer mehr Regeln) zumindest etwas besser austarieren müssen. Dafür brauchen wir ein neues Denken in Europa, dafür brauchen wir auch ein Stück Mut zur Lücke.
23 Millionen kleine und mittlere Unternehmen in Europa kämpfen mit administrativen Hürden und Finanzierungsschwierigkeiten, ganz besonders nach diesem Jahr des »Bankensterbens«. Wie helfen Sie diesen Unternehmen?
Die Vorschläge der Gruppe im Gesellschaftsrecht sehen neben einem Wegfall der EU-Handelsbilanz für kleine Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern auch die Verringerung von Veröffentlichungspflichten für kleine und mittlere Unternehmen bei der Buchführung vor.
Auch der Vorschlag zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer würde jedes Unternehmen in Europa entlasten. Die EU-Kommission will im Rahmen ihres Aktionsplans »Small Business Act«, der jetzt beschlossen worden ist, verstärkt die Belange der KMU bei der Rechtsetzung berücksichtigen. Bürokratieabbau ist dabei eine wichtige Säule dieses Konzepts.

Vereinfachungsvorschläge für die EU-Bürokratie sollen auch von den Bürgern kommen. Dazu hat die EU eine eigene Seite eingerichtet.
Sie initiieren einen europaweiten Ideenwettbewerb zum Bürokratieabbau. Was versprechen Sie sich davon?
Der europaweite Wettbewerb, der noch bis Ende Januar 2009 läuft, ist eine gute Gelegenheit für jeden Bürger, Vorschläge zum Bürokratieabbau vorzubringen und die Öffentlichkeit stärker für das Problem überbordender Bürokratie zu sensibilisieren. Wir wollen konkrete Vorschläge aus der Bevölkerung, was gegen unnötige Bürokratie getan werden kann.
Danke für das Gespräch.
(Gerlinde Böbel/mt)
Weblinks
Ideenwettbewerb EU-Kommission
Ideenwettbewerb in deutscher Sprache
High-Level-Group der EU
Homepage Stoiber