Microsoft: Mit dem Rücken zur Wand

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Das Gerücht um die Entlassung von MItarbeitern steht im krassen Gegensatz zu dem Optimismus, den Firmenchef Steve Ballmer bei seiner Keynote am Vorabend der CES in Las Vegas verströmte.

Das Gerücht stammt von der Blogger-Plattform Fudzilla, die sich wiederum auf Blogs von Mini-Microsoft, einem firmeninternen Dienst der Mitarbeiter von Microsoft beruft. Als Datum für die Ankündigung einer Entlassungswelle wird der 15. Januar genannt. Das ist eine Woche vor dem Tag, an dem das mächtige Softwarehaus seine Zahlen für das zweite Quartal des Geschäftsjahres bekanntgeben wird.

Bis zu 15 000 Mitarbeiter entlassen?
Als Größenordnung werden Entlassungen von bis zu 15 000 Mitarbeitern genannt. Das würde etwa 17 Prozent der 91 000 Mitarbeiter starken Belegschaft bedeuten. Bisher war in Gerüchten nur von 10 Prozent die Rede. Microsoft hat seinen Mitarbeiterstamm seit 2005 um etwa ein Drittel erhöht. Anonyme Mini-Microsoft-Blogger weisen schon seit geraumer Zeit darauf hin, dass die Geschwindigkeit und Menge der Neueinstellungen und eine wachsende Bürokratisierung reduziert werden müssten.

Von den Marktbeobachtern hat sich Analyst Brad Reback des Bankhauses Oppenheimer & Co. bereits mit dem Thema auseinandergesetzt. Nach seiner Ansicht würden die Investoren an der Wall Street eine Reduzierung des Mitarbeiterstamms bei Microsoft als »gesunden Schritt« begrüßen. Profitabilität sei wichtiger als schieres Wachstum war die Begründung.

Tag der Wahrheit am 22. Januar
Derzeit gibt es allerdings noch keinen Druck von Seiten größerer Investoren auf Microsoft. Doch der könnte entstehen, sollten die am 22. Januar vorzulegenden Zahlen zu Enttäuschungen der immer empfindlichen Wall Street Anlass geben. Dann, so die Marktbeobachter, läuft das mächtige Softwarehaus aus Redmond Gefahr, mit seinem Börsenkurs in eine Zone zu geraten, in der ehemalige Firmengrößen wie Sun Microsystems, Nortel oder AT&T herumdümpeln.

MSN am stärksten betroffen
Am stärksten von den möglichen Entlassungen könnte der Geschäftsbereich MSN betroffen zu sein. Dies könnte zu Gunsten der Truppe geschehen, die für die Dienste unter der Flagge »Windows live« zuständig ist. Insgesamt sind bei Microsoft zu Thema Software für das Arbeiten und Leben im Internet stärkere Veränderungen angesagt. Das Haus leidet immer noch darunter, dass Bill Gates in der ersten Hälfte der 90er Jahre das Phänomen Internet als »Unix-Unsinn« völlig falsch eingeschätzt hatte.

Microsoft steht da, wo IBM früher stand
Im Zusammenhang mit der noch völlig offenen »Yahoo-Frage« könnte es kurz- oder mittelfristig zu starken Veränderungen bei Microsoft kommen. Die sind auch dringend erforderlich, da die Redmonder beim Thema Internetdienste noch nicht punkten konnte.

Nach einer jüngsten Meldung verliert Microsoft sogar auf dem Browser-Markt langsam an die Rivalen. So lag nach Angaben der Marktforscher von Net Applications der Marktanteil im Dezember nur noch bei 68 Prozent, während im Mai noch 74 Prozent verzeichnet wurden.

Mit dem neuen Betriebssystem Windows 7 sowie der Cloud-Computing-Plattform »Azure« hat Microsoft derzeit zwei große Baustellen offen, die das Zeug dazu haben, im Mittelpunkt größerer Veränderungen zu stehen. Veränderungen sind dringend notwendig. Denn Microsoft steht heute da, wo IBM stand, als der Zulieferer aus Redmond dank seines Desktops-Monopols richtig mächtig wurde: Mit dem Rücken zur Wand.
(Rudi Kulzer/mt)

Rudi Kulzer  ist ein bekannter IT-Journalist, der viele Jahre als Korrespondent im kalifornischen Silicon Valley gearbeitet hat.

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