Neue Yahoo-Chefin: Smarter Deal mit Microsoft?

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Schon seit Monaten beherrschen die Auseinandersetzungen um eine mögliche Übernahme durch Microsoft und ein Exodus von Führungskräften und Entwicklern die Schlagzeilen über Yahoo. Das hat den in dieser Schlacht wenig erfolgreichen Yahoo-Mitgründer Jerry Yang dazu gezwungen, seine Führungsposition aufzugeben.

Nur 18 Monate hielt sich der heute 40-Jährige im Chefsessel, von dem aus er Yahoo wieder zu neuen Höhen führen wollte. Dann warf er unter dem Druck unzufriedener Aktionäre das Handtuch.

Yahoo-Gewinn fiel um fast zwei Drittel
Und die Zahlen sind schlecht! Im wichtigen Werbegeschäft rund um die Internetsuche liegt Yahoo mit einem Marktanteil unter 20 Prozent weit hinter Marktführer Google (Marktanteil über 60 Prozent) zurück. Der Gewinn fiel schon in dem noch relativ guten dritten Quartal 2008 um fast zwei Drittel auf 54 Millionen Dollar. Zuletzt hat sicher auch die Wirtschaftskrise hart zugeschlagen. Jeder zehnte der 15 000 Yahoo-Mitarbeiter muss bereits gehen.

Die mächtige Managerin
Jetzt soll die ehemalige Autodesk-Chefin Carol Bartz die Kohlen aus dem Feuer holen. Ein Blick auf ihre bisherige Vita zeigt, dass die Dame durchaus das Zeug dazu hat. Bartz gilt als fähige und durchsetzungsfähige Managerin und wird regelmäßig in die Liste der 50 einflussreichsten Frauen im Business gewählt, zuletzt 2005 vom US-Magazin Fortune.

Carol Bartz: Die ehemalige Chefin von Autodesk soll bei Yahoo die Kohlen aus dem Feuer holen. (Bild: Yahoo)

Nun ist die neue Chefin mit der Frage konfrontiert, ob Yahoo überhaupt eigenständig überleben kann oder nur noch in einem Verbund mit einem der der mächtigen Rivalen wie Google oder Microsoft eine rettende Zukunft hat. Dabei geht es immer wieder um die Frage, ob das Online-Anzeigengeschäft verkauft werden soll.

Carol Bartz zeigte gleich nach ihrer Ernennung schon mal Zähne: »Ehrlich gesagt, könnte Yahoo etwas Führung vertragen«, sagte sie in einer Telefonkonferenz. An den Wettbewerb gerichtet war bereits zu hören, man werde am Markt einigen »in den Hintern treten«.

In manchen Fällen könnte aber eher Diplomatie gefragt sein, drängt doch Großinvestor und Multimilliardär Carl Icahn seit langem auf Kooperationen oder einen Verkauf. Noch liegt es vielen Anteilseignern schwer im Magen, dass sie durch das strikte Nein von Jerry Yang zum Angebot von Microsoft vergangenes Jahr viel Geld verloren haben. Damals hatte das mächtige Softwarehaus für Yahoo mehr als 45 Milliarden Dollar geboten. Heute ist die Yahoo-Aktie nur noch ein Drittel der damaligen Offerte wert.

In dieser verzwickten Lage könnte man eine spekulatives Szenario als Vorschlag wagen, von der Yahoo und Microsoft gleichermaßen profitieren. Auch Steve Ballmer sieht durch die jüngsten Entwicklungen gezwungen, Microsoft neu zu ordnen. Das werden die Zahlen zeigen, die das mächtige Softwarehaus kommende Woche veröffentlichen wird.

Ausgründung von MSN, Kooperation mit Yahoo
Bei der Frage der Werbeeinnahmen durch Internetsuche ist Microsoft mit einem Marktanteil um die 10 Prozent abgeschlagener Dritter. Aus Sicht von Ballmer sicher ein undenkbarer Zustand. Durch ein Ausgründung von Microsofts MSN und einem Kooperation mit Yahoo ließe sich aus einem schwachen Zweiten und Dritten am Markt unter der Führung von Carol Bartz wenigsten ein kräftigerer Zweiter als Herausforderer von Google bilden.

Ein solcher Schritt wäre deutlich besser als eine völlige Übernahme von Yahoo durch Microsoft. Dabei hätte Ballmer sinnlos viel Geld verbrannt, lassen sich doch zwei so unterschiedliche Häuser – wie viele Beispiele zeigen – nur schwer integrieren. Im Fall einer neuen Firma, die aus einer Kooperation langsam entstehen könnte, ließe sich ein derartiges Vorhaben finanziell und emotional leichter entwickeln.

Carol Bartz und Steve Ballmer: Die Chancen für »Microhoo« sind deutlich gestiegen. (Bild: Microsoft)

Um es geht um Geld und Emotionen bei diesem möglichen Deal. Ziel der finanziellen Transaktionen muss es sein, den Kurs von Yahoo oder später der neuen Firma wieder noch oben zu bringen. Das würde die Investoren, ohne die in den USA nichts geht, beruhigen. Gleichzeitig könnte Steve Ballmer bei einer solchen Entwicklung das Gesicht wahren, denn eine Ausgliederung wäre keine Entlassungswelle.

Bleibt Jerry Yang als Chef-Berater?
Als einen kritischen Punkt nennen Marktbeobachter jetzt schon, dass Carol Bartz keine Erfahrung mit Internet-Firmen habe. Das ist Unsinn. Die mit ihrer Familie in Atherton lebende Topmamagerin ist im Silicon Valley tief verwurzelt. Als Mitglied verschiedener Aufsichtsräte (Board of Directors) wie Cisco und Intel war sie immer auch mit den Fragen der Internetwirtschaft konfrontiert und hat die dazu nötigen Beziehungen.

Ob Vorgänger Jerry Yang in seiner früheren Rolle des »Chief Yahoo!« als eine Art Chef-Berater an Bord bleiben kann ist fraglich. Nach Medienberichten in den USA hatten Microsoftchef Steve Ballmer und Yahoo-Chairman (Vorsitzender des Aufsichtsrats) Roy Bostock vergangene Woche bereits ein erstes Treffen in New York. Carol Bartz teilte den Mitarbeitern mit, dass sie mit Ballmer telefoniert habe. Es scheint also Bewegung in den festgefahrenen Deal gekommen zu sein.
(Rudi Kulzer/mt)

Rudi Kulzer ist ein bekannter IT-Journalist, der viele Jahre als Korrespondent im kalifornischen Silicon Valley gearbeitet hat.

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