Erfolgreich saniert – am Fiskus gescheitert?
Der Autor Peter Rössler ist Fachanwalt für Steuerrecht. In seiner Fankfurter Kanzlei kümmert er sich neben dem Steuerrecht auch um die Schwerpunkte Neue Medien sowie Gesellschafts- und Handelsrecht. Außerdem berät er IT-Freiberufler und IT-Unternehmen.
In seinem Kommentar nimmt Rössler zu einem brisanten Thema Stellung. Das Finanzgericht München will die Sanierungsgewinne von der Steuerfreiheit ausnehmen. Sollte sich diese Rechtsauffassung durchsetzen, drohen gerade den Firmen, die sich gerade erfolgreich umstrukturiert und saniert haben, erhebliche Steuernachforderungen. Eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu dem Problem steht noch aus.
Die Stellungnahme des Fachanwalts veröffentlichen wir im Folgenden ungekürzt.
Vergleiche mit Gläubigern
Unternehmen, die sich in der Krise befinden, schließen mit Gläubigern regelmäßig Vergleiche in deren Rahmen sie auf ihre Forderungen teilweise verzichten. Dies führt auf Seiten des Unternehmens zu sog. Sanierungsgewinnen.
Das aber kann durch den Wegfall der Verbindlichkeiten zu erheblichen Steuernachzahlungen führen und damit den Erfolg der Sanierung wieder infrage stellen. Denn, obwohl keine liquiden Mittel geflossen sind, entsteht trotzdem ein »Gewinn«, der der Besteuerung zu unterwerfen ist.

Die Homepage des Finanzgerichts München (Ausschnitt). Die Entscheidung über die Sanierungsgewinne hat in der Fachpresse kritische Reaktionen hervorgerufen.
Finanzgericht München: Sanierungsgewinne sind steuerpflichtig
Nach einem BMF-Schreiben vom 27.3.2003 (IV A 6-S 2140-8/03) konnte unter bestimmten Umständen eine Steuerstundung oder ein Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen beantragt werden. Das Finanzgericht München hat mit Urteil vom 12.Dezember 2007 entschieden, die Regelung der Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen verstoße gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Gegen dieses Urteil ist Revision zum BFH eingelegt (VIII R 2/08).
Ablehnende Reaktion in der Fachpresse
Demgegenüber hat das Finanzgericht Köln (Urteil vom 24.4.2008 – 6 K 2488/06) die von den dortigen Klägern vertretene Ansicht unterstützt, wonach die Aufgabe oder Auflösung einer GbR für die Sanierungsgeeignetheit des Schuldenerlasses unschädlich ist. Das Urteil des Finanzgerichts München hat in der Fachpresse überwiegend ablehnende Reaktionen erfahren (vgl. nur BB 2008, 2656; Thouet ZinsO 2008, 664, 665).
Die Finanzverwaltung kann sich nicht auf dieses Urteil stützen, da erhebliche Gründe gegen dieses sprechen. Nach § 3 Nr. 66 EStG a.F. war die Steuerfreiheit von Sanierungsgewinnen im Gesetz verankert. Diese Regelung hat der Gesetzgeber durch Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes vom 29. Oktober 1997 (BGBl I 1997, 2590) und durch § 52 Abs. 2iEStG letztlich mit Wirkung zum 1.Januar 1998 aufgehoben.

»Unternehmen in der Sanierung sollten das Finanzamt frühzeitig einbinden und auf einen rechtssicheren Erlass hinwirken.« Peter Rössler, Fachanwalt für Steuerrecht.
Bundesfinanzministerium nimmt Stellung
Mit BMF-Schreiben vom 27. Mai 2003 nahm das Bundesministerium für Finanzen zu der ertragssteuerlichen Behandlung von Sanierungsgewinnen Stellung. Danach konnte die Steuer, die auf Sanierungsgewinne entfiel, auf Antrag unter dem Aspekt der sachlichen Billigkeitsregelung (§§ 163, 222, 227 AO) zunächst gestundet und dann erlassen werden. Diese Regelung sollte den Unternehmen zugute kommen, die Maßnahmen einleiten, um das Unternehmen vor einem Zusammenbruch zu bewahren.
Lesen Sie auf Seite 2: Die Intention des Gesetzgebers
Billigkeitsentscheidung kommt nicht in Betracht
Allerdings hat der Gesetzgeber die in Sanierungsfällen bedeutende Regelung des betraglich unbegrenzten Verlustabzuges innerhalb eines Veranlagungszeitraumes ab 2004 weiter eingeschränkt (§ 8 Abs. 4 KStG bzw. § 8c KStG).
Das Finanzgericht München kommt in seiner Entscheidung vom 12.12.2007 zu dem Ergebnis, mit der Abschaffung von § 3 Nr. 66 EStG a.F. habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, Sanierungsgewinne seien unterschiedslos zu besteuern und eine Billigkeitsentscheidung nach §§ 222, 227 AO komme nicht in Betracht, da keine Rechtsgrundlage ersichtlich sei. Hier sei nur auf Basis des Insolvenzrechts eine Lösung zu finden.
Finanzgericht missachtet Intention des Gesetzgebers
Dabei ist zu beachten, dass sich das Urteil des Finanzgerichts München sogar über die Intention des Gesetzgebers hinwegsetzt, der in der Gesetzesbegründung z.B. zum UStRefG noch explizit auf das BMF-Schreiben und damit dessen Geltung hingewiesen hat (Mantelkauf BT-Drs. 16/4841, S. 75f.).
Die Aufhebung des Sanierungsprivilegs erschwert Sanierungen und führt nur zu oft uneinbringlichen Steueransprüchen und damit zu Insolvenz der Gesellschaft. Aus insolvenzrechtlicher Sicht, findet die Privilegierung des Fiskus auch keine Rechtfertigung.
Gesetzgeber wollte Spielraum für Sanierung erweitern
Mit der Reform des Insolvenzrechts hat der Gesetzgeber ausdrücklich auch den Spielraum für die außergerichtliche Sanierung erweitern und nicht die freie Sanierung von Unternehmen zurückdrängen wollen (BT-Drs. 12/2443 Rn 45). Deshalb ist die Darlegung des Finanzgerichts München unrichtig, der Gesetzgeber wolle die Sanierungsfälle nur im Rahmen eines Insolvenzverfahrens gelöst wissen.
Das Insolvenzrecht sieht in den §§ 233 InsO gerade die Möglichkeit einer Sanierung mit dem Ziel der Fortführung des sanierungsfähigen und sanierungswürdigen Unternehmens vor. Dieses Ziel würde nicht zu erreichen sein, wenn die vorgesehene Planverwirklichung daran scheitern könnte, dass nur der Fiskus vor allen Gläubigern vollständig bedient würde.
Insolvenzplan will Fortführung des Unternehmens unterstützen
Auch der Insolvenzplan ist gerade auf die Fortführung des Unternehmens gerichtet, denn nicht die Versilberung der einzelnen Vermögensgegenstände und die Zerschlagung betrieblicher Einheiten stehen im Vordergrund des Insolvenzrechts, sondern es soll werterhaltend genutzt werden, was im Interesse der Gläubiger, aber auch im Interesse des Schuldners wirtschaftlich gehandhabt werden kann (vgl. Uhlenbruck Inso vor §§ 217-269 Rn 5).
Sanierung von vornherein sinnlos
Dies würde zunichte gemacht, wenn von vornherein feststünde, dass dem Fiskus weitergehende Befriedigungsrechte zukämen als den übrigen – verzichtenden – Gläubigern. Damit wäre eine Sanierung vorn vornherein nicht durchführbar, weil mit jedem Erlass eines Gläubigers auf der anderen Seite eine Forderung des Finanzamtes entstünde.
Zu berücksichtigen ist, dass das Finanzamt im Insolvenzverfahren die vor Verfahrenseröffnung gegründete Steuerschuld zur Tabelle anzumelden hat (§ 174 InsO). Es handelt sich damit um eine Insolvenzforderung, die mit Forderungen der übrigen Gläubiger gleich zu behandeln ist. Die Stellung des Finanzamtes im Insolvenzverfahren ist damit gleichrangig mit den übrigen Gläubigern anzusehen.
Nichts anderes muss in der außergerichtlichen Sanierung eines Unternehmens gelten, nachdem der Gesetzgeber diese ausdrücklich zugelassen hat. Im Rahmen der außergerichtlichen oder freien Sanierung sind die Voraussetzungen der Sanierungsabsicht, Sanierungsbedürftigkeit, und Sanierungseignung die gleichen Parameter, die eine Sanierung
sdurchführung ermöglichen sollen.
Steuerprivileg ist notwendig für die Sanierung
Dabei wird dem Sanierungsplan auch im freien Sanierungsverfahren nach dem BMF-Schreiben die elementare Grundlage zukommen. Würde man das Steuerprivileg nicht anerkennen, ist zu berücksichtigen, dass die Unternehmung bei Durchführung einer freien Sanierung die Überschuldung von vornherein nicht beseitigen kann. Im Überschuldungsstatus müsste die aus den Sanierungsgewinnen entstehende Steuer passiviert werden.

Der Bundesfinanzhof muss entscheiden, ob Sanierungsgewinne der Steuerpflicht unterliegen.
Damaklesschwert des Scheiterns
Damit wird aber der Zweck eines außergerichtlichen Sanierungsverfahrens verfehlt, da der Gläubiger aus den liquiden Mitteln des Unternehmens nicht wird zu befriedigen sein. Das Damoklesschwert des Scheiterns der Sanierung mit der Folge der versäumten Drei-Wochen-Frist hängt dann über der Geschäftsführung. Die gesetzliche Drei-Wochen-Frist der § 130 a HGB, 92 Abs. 2, 268 Abs. 2 AktG, §§ 64, 71 Abs. 4 GmbHG und §§ 99 GenG läuft »gnadenlos« weiter, so dass bei einem schuldhaften Überschreiten zivil- und strafrechtliche Sanktionen drohen.
Der Gesetzgeber der am 1.1.1999 in Kraft getretenen Insolvenzordnung ist trotz Einführung eines Insolvenzplanverfahrens in den §§ 217 ff. InsO nicht müde geworden zu betonen, dass der außergerichtliche Vergleich keineswegs beseitigt werden soll (vgl Uhlenbruck in BB 2001, 1641). Vielmehr ist die Durchführung außergerichtlicher Sanierungen erleichtert worden, was vor allem durch die Aufhebung des § 419 BGB und die Möglichkeit der vereinfachten Kapitalherabsetzung bei der GmbH in den §§ 58 a-f GmbHG zum Ausdruck gekommen ist.
In § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist für das Verbraucherinsolvenzverfahren sogar zwingend der Versuch einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern vorgeschaltet. Allerdings hat der Gesetzgeber es unterlassen, die entsprechende Vorschrift des § 75 AO ebenfalls zu streichen bzw. zu ändern. Die Rechtssicherheit für sanierungswürdige Unternehmen im Rahmen der aussergerichtlichen Sanierung kann daher derzeit nur durch das BMF-Schreiben vom 27.5.2003 herangezogen werden.
Enger Kontakt zum Finanzamt
Unternehmen in der Sanierung ist anzuraten, das Finanzamt über die einzelnen Schritte der Sanierung frühzeitig einzubinden und auf einen rechtssicheren Erlass hinzuwirken. Das Urteil des Finanzgerichts München geht, wie die anderslautende Entscheidung des Finanzgerichts Köln vom 24.4.2008 ausweist, an der Intention des Gesetzgebers, Sanierungsgewinne nach einer Billigkeitsprüfung zu privilegieren, an der bestehenden Gesetzeslage vorbei und berücksichtigt nicht die Möglichkeiten nach der Insolvenzordnung, außergerichtliche Sanierungen durchführen zu können.
Deshalb ist die Ansicht des Finanzgerichts München nicht überzeugend, der Gesetzgeber habe nur die Sanierungsfälle in einem Insolvenzverfahren gesehen; die Entscheidung wird beim Bundesfinanzhof (BFH) keinen Bestand haben.
(Peter Rössler/mt)
Weblink
Anwalt Peter Rössler
Bundesfinanzhof
Finanzgericht München

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