Der Mythos von der Kreditklemme
Für Unternehmer, die einen Kredit brauchen, fing das neue Jahr trotz aller Unkenrufe gut an: »Die aktuellen Zahlen lassen keinerlei Indizien für eine Kreditklemme erkennen«, verkündete Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), die frohe Botschaft zum Auftakt des Jahres 2009 in Berlin.
Kreditzusagen und -auszahlungen sind im vergangenen Jahr demnach sogar um fast 10 Prozent gestiegen: Im Jahresverlauf 2008 haben die Sparkassen 52,7 Milliarden Euro an neuen Krediten an mittelständische Kunden zugesagt. Dies entspricht einem Plus von 9,9 Prozent.
Auch bei den Darlehensauszahlungen haben die Sparkassen in den ersten elf Monaten des vergangenen Jahres mit einem Plus von knapp zehn Prozent deutlich zugelegt. Insgesamt konnten die Unternehmen über 46,7 Milliarden Euro an neuen Kreditmitteln verfügen.

»Sparkassen verhindern die Kreditklemme im Mittelstand.« Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes
Sparkassen von der Finanzkrise kaum betroffen
Heinrich Haasis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, bezeichnet die Sparkassen als »Finanzierungspartner Nummer Eins der mittelständischen Wirtschaft in Deutschland«. Denn sie sind nur in sehr geringem Ausmaß auf eine Refinanzierung über den Kapitalmarkt angewiesen.
Deshalb sind sie von der Krise an den Finanzmärkten unmittelbar nur wenig betroffen. Die positive Folge laut Haasis: »Sie verfügen über hinreichend Eigenkapitalpolster und Liquiditätsreserven, um die Finanzierung des deutschen Mittelstandes auch weiterhin sicher zu stellen.«
Volle Töpfe stehen für IT-Unternehmen bereit …
Michaela Roth, Pressesprecherin des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, beziffert den Kreditbestand zum Stichtag 31. 12. 2008 auf 100 Milliarden Euro. »Das Einlagenvolumen übersteigt das Kreditvolumen um rund 100 Milliarden Euro«, heißt das in der Fachsprache. Das bedeutet, dass die Sparkassen insgesamt gesehen über ausreichende Liquidität verfügen, zum Beispiel für die Vergabe von Krediten.
… doch sie werden nicht ausgeschöpft
Überraschenderweise werden die Kredite nicht in dem Maß abgefragt, wie es möglich wäre. Für das vierte Quartal verzeichnet Haasis einen deutlichen Rückgang: »Nicht das Kreditangebot, sondern die Kreditnachfrage hat sich zuletzt abgeschwächt, obwohl das Zinsniveau in Deutschland – anders als im übrigen Europa – bislang ausgesprochen stabil geblieben ist«, so der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes.
Lesen Sie auf Seite 2: Die Banken und IT-Unternehmen
Konjunkturrückgang dämpft Investitionsbereitschaft
»Sogar bereits zugesagte Kredite werden von den Unternehmern – bedingt durch die sich abschwächende Konjunktur – zögerlicher in Anspruch genommen«, erklärt Haasis. Wenn Unternehmen weniger Absatzmöglichkeiten sehen, halten sie vormals geplante Investitionen zurück. Kredite werden dann oftmals nicht mehr benötigt, obwohl sie bewilligt worden wären.

Der Sitz des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes in Berlin (Bild: Sparkasse Finanzgruppe)
Zeitpunkt für ein Gespräch ist günstig
Wie kriegt man ihn auf, den Segen-spendenden Geldhahn? Noch nie war der Zeitpunkt für ein Gespräch mit der Bank so günstig wie jetzt. »Zügig festklopfen!«, rät Professor Hans-Peter Burghof, Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim. Die aktuell positive Situation, dass Sparkassen ihr Kredit-Neugeschäft ausweiten und gleichzeitig die Kreditnachfrage bei Unternehmen rückläufig ist, kann sich schnell umkehren.
Vor allem IT-Unternehmen stehen auf dem Prüfstand
Seit dem Zusammenbruch der New Economy stehen Banken der IT-Branche noch misstrauischer gegenüber als vorher. Die banküblichen Sicherheiten oder ein langer Track Record fehlen bei IT-Unternehmen, insbesondere jungen, nur allzu oft. Und Banker verstehen das Geschäftsmodell von Hightech-Projekten nicht immer.
Deshalb rät Ulrich Dietz, Vorstandsvorsitzender der GFT Technologies AG aus Stuttgart: »Unternehmer sollten ihr Geschäftsmodell ausführlich und klar verständlich darstellen, so dass es auch ein technischer Laie versteht.« Es geht schließlich darum, ein langfristiges Vertrauensverhältnis mit der Bank aufzubauen. Kommunikation ist hier das A und O.
Kontakt zu mehreren Banken aufbauen
»Und vor allem: Bauen Sie eine solche Beziehung immer zu mehr als einer Bank auf und zwar zu solchen, die ein unterschiedliches Geschäftsmodell haben, zum Beispiel zu einer Privatbank und einer öffentlichen oder genossenschaftlichen Bank«, rät Wolfgang Reichenbach, Vorstand des Softwareherstellers Step Ahead.

»Geben Sie Ihrer Bank Informationen zeitnah! Eine verzögerte Informationsvergabe suggeriert, dass das Unternehmen bereits kämpft.« Bankenexperte Professor Hans-Peter Burghof
Erreichbar für die Bank bleiben
Der Bankenexperte Professor Hans-Peter Burghof plädiert für eine offene und konsequente Informationspolitik: »Seien Sie für Ihre Bank erreichbar, und geben Sie Informationen zeitnah! Eine verzögerte Informationsvergabe suggeriert, dass das Unternehmen bereits kämpft oder der Unternehmer beginnt, sich zu absentieren.« Unerreichbarkeit ist ein negatives Signal für die Bank. Umgekehrt ist es auch ein schlechtes Zeichen, wenn die Bank den Kontakt nicht mehr sucht. Dann wickelt sie das Geschäft nur noch ab.
Lesen Sie auf Seite 3: Unterstützung für junge Unternehmen
Kreditfinanzierung bei Jungunternehmern im Aufwind
Die Beschaffung von Eigen- und Fremdkapital für junge Technologie-Unternehmen hat sich der Münchner Business Plan Wettbewerb (MBPW) auf die Fahnen geschrieben. Ziel der Initiative von Wirtschaft, Forschung und Politik ist es, die Gründungsbereitschaft zu stärken und eine gesunde Finanzierungsbasis zu schaffen, was ihr in den ersten zehn Jahren seit Bestehen mit 530 neugegründeten Unternehmen auch gelungen ist.
Venture Capital hilft bei Eigenkapital-Finanzierung
Bei einer Eigenkapital-Finanzierung beteiligen sich Venture-Capital-Investoren mit Anteilen am jungen Unternehmen, bei einer Finanzierung mit Fremdkapital gewährt eine Bank einen Kredit.
»Obwohl die Kreditfinanzierung aufgrund der Zinsen ja eine der teuersten Kapitalbeschaffungen ist und damit für Unternehmensgründer nicht die ideale Finanzierungsart darstellt, ist der Anteil der Kreditfinanzierungen in den letzten Jahren stark gestiegen«, stellt Werner Arndt, Geschäftsführer des MBPW, fest. Das läge schlicht und einfach daran, »dass andere Finanzierungsarten manchen Unternehmern nicht zur Verfügung stehen.«
Bankengespräche kann man lernen
Umso wichtiger ist eine gute Vorbereitung auf das erste Bank-Gespräch und auf die Folgegespräche. Da J
ungunternehmer im Umgang mit Bankexperten meist unerfahren sind, bietet der MBPW konkrete Unterstützung mit Seminaren. »Die Seminare sollen in erster Linie Einblicke vermitteln, wie Banken arbeiten, und wo die Aufgaben und Begrenzungen der Verhandlungspartner liegen«, erklärt Werner Arndt.
»Ein absolutes No-go ist es zum Beispiel, nicht zu akzeptieren, dass eine Bank ein Wirtschaftsbetrieb ist und Geld verdienen muss, was manchen Gründern anfangs noch nicht gelingt.« Und damit wäre schon eine der grundlegenden Lektionen gelernt: Ohne gegenseitiges Einfühlungsvermögen geht gar nichts – auch nicht im Umgang mit der Bank.
(Gudrun Kosche/mt)
Weblinks
Deutscher Sparkassen- und Giroverband (DSGV)
DSGV-Aktion »Gut für Deutschland«
IT-Dienstleistungsunternehmens GFT
Step Ahead AG
Münchner Business Plan Wettbewerb