Netzsperren: (Durch)Winkewinke auch im Bundesrat
Am Freitagnachmittag hatte der Bundesrat das Internet-Sperrengesetz durchgewinkt. Vermutlich, weil die Politiker schnell ins Wochenende wollten, haben sie nicht lange diskutiert. PC-Professionell-Kollege Daniel wollte noch das Wochenende abwarten, aber Wahlkampfthema war es dann offenbar keines mehr – und so hat er am heutigen Morgen veröffentlicht: »Bundesrat segnet Sperren für Kinderporno-Websites ab«.
Der Kollege brachte die Nachricht, und wie man das im herkömmlichen hehren Journalismus tut, kam es vollkommen ohne Bewertung – nur als Nachricht. Doch in Blogs und anderen Netzen kochte das Thema erwartungsgemäß hoch. Das Weblog Darktiger etwa, sonst mehr mit Kochrezepten beschäftigt, titelte: ” Wegen den bissel Grundrechtseingriffen riskieren wir doch keine Koalition…“, das Weblog Tutsi (Untertitel: »diese Welt ist nur mit Grippe oder mit Humor zu ertragen«) nennt es beim Namen: »Zensur durch Internetsperren hat begonnen«.
Die Töne im Netz sind teilweise noch schärfer, und die Parteien, die medienwirksam auf die Risiken und Nebenwirkungen des Gesetzes aufmerksam machten, haben nun positiv mit abgestimmt. Ohne Widerrede. Manche Politiker werden nun gescholten, sie hätten sich nur angebiedert. Das Vertrauen in die Politik sinkt merklich, wie man an den vielen Bürgertexten sieht. Ein Inquirer-Leser: »Schließlich wollen die StaSi-Mitarbeiter alle beschäftigt sein« (von denen wir übrigens noch 17.000 im öffentlichen Dienst arbeiten lassen).
Trotzdem muss man zur Verteidigung mancher Politiker erklären: Der freigegebene Zweitentwurf sieht zumindest nicht mehr vor, dass die Zugriffe auf Seiten der Sperrliste protokolliert und zur Strafverfolgung verwendet werden dürfen. Die Listen müssen zudem dem Datenschutz-Beauftragten vorgelegt werden, damit er Missbrauch rechtzeitig entdeckt – auch wenn dieser sich derzeit (noch?) nicht zuständig fühlt.
Wir warten nun gespannt, ob Bundespräsident Köhler wirklich unterschreibt oder eine weitere Nachbesserung fordert. Dich wir alle wissen inzwischen, dass Petitionen und Verfassungsbeschwerden den Bigbrother-Staat nicht verhindern können.
Ganz gut zeigte diesen Mechanismus einmal der britische Film »Eat the Rich«: In einer der Schlüsselszenen am Anfang hieß es »Wir machen eine Revolution! Machst du mit?« – im ganzen Restfilm gab es nie eine solche Revolution, es kam lediglich zur Gründung eines In-Restaurants. Aber immerhin gab es gebratenen Innenminister! µ
L’Inqs:
PC Professionell: Bundesrat segnet Sperren für Kinderporno-Websites ab
Das hat der Bundesrat unterschrieben: Gesetz zur Bekämpfung der Kinderpornographie in Kommunikationsnetzen (PDF)
Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz
Von der Blindheit der Bevölkerung
Darktiger-Blog: Wegen dem bissel Grundrechtseingriffen…
Blog: Internetzensur hat begonnen