Windows 7: Jobmotor und Frustmotor, rosarote Brillen und Massaker

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Ich glaube nur Marktforschern, die ich selbst bezahlt habe. Denn Windows7-Studien gibt es zuhauf, bevor das endgültige Produkt das Licht der Welt erblickt hat. Auch wenn 7 schon fertig sein soll. Diesmal hat Microsoft die anerkannten Wahrsager von IDC darum gebeten, eine Studie zu veröffentlichen.  Die Pressemitteilung dazu landete gestern in den Mailboxen zahlreicher Journalisten. Man schaffe 300.000 Arbeitsplätze mit Windows 7. Hurra!

»IDC prognostiziert rasante Nachfrage: 177 Millionen Lizenzen bis Ende 2010 erwartet«, heißt es in dem Text. MS hat IDC da wohl eine rosarote Brille geschenkt. Und das liest sich dann so: »Windows 7 wird damit zu einem globalen Jobmotor: Mehr als 350.000 Unternehmen mit über drei Millionen Mitarbeitern sind in die Produktion und den Vertrieb von Windows 7 involviert. Weltweit werden zudem durch die zu erwartende Nachfrage über 300.000 neue Arbeitsplätze entstehen«.

Weiteres Material zu erhalten, etwa echte Zahlen mit Quellenangabe des IT-Orakels IDC sowie ein paar Charts als Grafik, das war irgendwie nicht möglich. Beim Angebot »Hier können Sie eine Grafik dazu herunterladen« fanden wir keine Charts, sondern – täterätää! – ein Werbebildchen! Mit einem lächelnden Anke-Engelke-Klon und der Schrift, wie viele Jobs man schaffe. Super. Also bringen wir nur einen Windows7-Screenshot…

PCPro: Windows7_Screen1.jpg

Also wirklich Hurra? Nach einer anderen Studie, die einen Tag vorher die Runde machte, verzichten zwei Drittel der Unternehmen darauf, überhaupt nur an einen Win7-Umstieg zu denken. Die Studie von ScriptLogic, die angeblich 20.000 IT-Administratoren befragte und mit reichlich Zahlenmaterial ausgestattet ist, sei allerdings ein Werk für den Orkus, meint Erik Sherman, der in seinem Text zum Thema zahlreiche »Studien« auseinandernimmt und auch mehrere widersprüchliche zu Windows 7 nennt. »Alles nur Hokuspokus, um das Zielobjekt Microsoft hart zu treffen«, meint der IT-Journalist, der seit einem Vierteljahrhundert die Branche und das darin ablaufende Scharmützel beobachtet.

Das kann Inquirer-Gründer Mike Magee aber so nicht stehenlassen, denn er glaubt eher der Studie von ScriptLogic. Schließlich wurden hier Administratoren befragt, also die Leute, die Firmenpläne zum Systemwechsel dann auch wirklich umsetzen müssen. Und die Aussage vieler Unternehmen schon im April, man lasse sich Zeit, wird sicher so schnell nicht revidiert werden.

Wir warten es lieber wieder einmal ab, denn Windows7 war schon nach den Tests der ersten Betaversion gar nicht so schlecht, systemhungrige Funktionen lassen sich außerdem abschalten, wenn man sie nicht braucht und die endgültige Version ist sowieso erst ab 22. Oktober zu haben. Aber ehrlich: Das Konsumentenschäfchen wird schon brav hinterher rennen, doch welcher Geldgeber in der Industrie will in wirtschaftlich schwierigen Zeiten trotz zunehmender Anerkennung der IT in einen Systemwechsel investieren? µ

L’Inqs:
Microsofts Pressemeldung: Microsoft als Jobmotor
Unternehmen haben für Win7-Umstieg keine Ressourcen
Mike über die ScriptLogic-Studie zu Windows 7
Erik Sherman: Studien-Massaker rund um Windows 7
THG: Windows 7 angeblich schon fertig
Nur 37 Prozent der Unternehmens-IT fiel dem Rotstift zum Opfer

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