Stoppt die Facebook-Schnüffler

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Anlässlich des 4. europäischen Datenschutztages hat Microsoft eine beklemmende Mitteilung herausgegeben. Beklemmend weniger wegen des Inhalts, sondern wegen des selbstverständlichen Tons in dem dieser wiedergegeben wird. Microsoft hat nämlich eine Studie zum Thema Online Profil und Bewerbungen in Auftrag gegeben.

Bewerbung scheitert am Online-Profil
Die Ergebnisse dieser Studie sind nicht besonders überraschend. Da heißt es beispielsweise, dass 59 Prozent der Personalchefs Informationen zu einem Bewerber im Internet suchen. Sie suchen also in sozialen Netzwerken wie Facebook nach Spuren, die der Bewerber dort hinterlassen hat. Das können Fotos sein oder eine Liste seiner Hobbys oder eine Selbstbeschreibung, die er dort hinterlegt hat.

16 Prozent der Personaler haben einen Bewerber schon mal wegen eines ungünstigen Online-Profils abgelehnt (siehe eWeek-Bericht).

Das Beklemmende daran ist die Schlussfolgerung in der Mitteilung von Microsoft. Bewerber sollten darauf achten, dass die Spuren, die sie im Web hinterlassen, ihrem Ruf nicht schaden. Gegebenenfalls sollten Sie auch den Betreiber der Webseite bitten, bestimmte Informationen zu löschen oder Fotos auszunehmen. Was so logisch klingt, ist aber nichts anderes als eine Art vorauseilender Anpassung an den möglichen zukünftigen Arbeitgeber.

Eine gute Adresse für alle, die beruflich am Thema Datenschutz dran bleiben müssen: das virtuelle Datenschutzbüro (siehe auch Weblinks).

Diese Denkweise ist gefährlich. Wenn es sich tatsächlich einbürgern sollte, dass Personalchefs regelmäßig und ungeniert in den sozialen Netzwerken nach dem privaten Vorlieben und Aktivitäten ihrer Mitarbeiter oder Bewerber zu schnüffeln, dann werden diese natürlich früher oder später darauf reagieren.

Jasager und Pseudo-Loyale
Sie werden beispielsweise ihr Online-Profil schon frühzeitig auf zukünftige mögliche Arbeitgeber ausrichten. Hier mal eine Bemerkung fallen lassen, wie interessant man die Produkte findet, die der Hersteller auf den Markt bringt, dort mal erwähnen, dass man mit Gewerkschaften nichts am Hut hat und nie vergessen deutlich zu machen, dass man jeden Abend um 22 Uhr zu Bett geht.

Irgendwann wird es für Bewerber zur Standardvorgehensweise gehören, das private Profil in Facebook und Co. auf Beruf und Karriere abzustimmen. Damit wird eine Generation von Jasagern und schleimenden Pseudo-Loyalen gefördert, die alles darauf anlegen, bei der Bewerbung einen guten Eindruck zu machen. Die eigentliche Privatsphäre weicht dann immer mehr zurück, und wird strikt offline gehalten. Eine fatale Entwicklung.

Loyale Mitarbeiter haben ihren eigenen Kopf
Unternehmen müssen sich fragen, ob das die Mitarbeiter sind, die sie wirklich wollen. Klar, nur Mitarbeiter, die loyal und leistungsbereit zugleich sind, können ein Unternehmen nach vorne bringen. Das sind in der Regel aber auch Mitarbeiter, die ihren eigenen Kopf haben und den Mut, eigene Ideen und Gedanken auch auszusprechen.

Wer dagegen schon im vorauseilenden Gehorsam sein MySpace-Profil zum angepeilten neuen Job kompatibel macht, ist in den wenigsten Fällen ein echter Gewinn für die Firma.

Ganz abgesehen davon: Auch leistungsfähige und loyale Mitarbeiter haben das Recht, nicht perfekt zu sein. Jeder darf mal im Privatleben oder am Wochenende über die Stränge schlagen, jeder darf mal einen Fehler machen, über einen schlechten Witz lachen oder meinetwegen auch ein Glas Bier zu viel trinken.

Wenn die peinlichen Fotos der Geburtstagsfeier dann anderntags zum Gaudium der anderen auf Facebook auftauchen, sollte man als Personalverantwortlicher nicht sofort den Schluss daraus ziehen, dass dieser Bewerber nicht als Mitarbeiter taugt. Oder anders ausgedrückt: Wer am Wochenende mal seinen Frust über den Arbeitsstress oder Konflikte im Büro bei einer wilden Party wegtanzt, muss noch lange kein schlechter Mitarbeiter sein. Eher im Gegenteil.

Personalchefs sollten Privatspäre respektieren
Die sozialen Netzwerke im Internet stehen dafür, dass ein gewisser Teil unseres Privatlebens inzwischen über digitale Medien organisiert wird. Umso wichtiger ist es, dass das Recht auf Privatsphäre, das in unserer Gesellschaft seit vielen Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit ist, im digitalen Zeitalter, sprich: im Internet nicht kaputt gemacht wird. Was einer auf Facebook, MySpace oder sonstwo treibt, gehört – mit gewissen Einschränkungen – in seine Privatsphäre, auch wenn er so naiv ist, jeden draufkucken zu lassen. Diese Privatsphäre sollten Personalchefs und Manager auch respektieren.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass die große Mehrheit der Personalverantwortlichen in deutschen Unternehmen genauso denkt. Sie wissen recht gut, dass irgendwelche dummen Fotos auf Facebook und Co. In den meisten Fällen sehr wenig darüber aussagen, wie wertvoll ein Mitarbeiter für ein Unternehmen sein kann oder auch nicht.
(Mehmet Toprak)

Weblinks
Datenschutzbüro
eWEEK-Bericht über Online-Profile

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