Interview: Das ganzheitliche Rechenzentrum

IBM wandelt sich langsam von »Big Blue« zu »Big Green«. Diesen Eindruck könnte man gewinnen, wenn man die vielfältigen Aktivitäten des Unternehmens im Bereich Klimaschutz betrachtet. Oder wenn man mit Thomas Tauer spricht.
Thomas Tauer ist bei IBM als Consultant für die Realisierung von Rechenzentren zuständig. Sein genauer Titel lautet Direktor Site and Facilities Services, IBM Deutschland. Im Mittelpunkt der Planung neuer Rechenzentren steht seit einiger Zeit das Thema Green IT. Tauer berät Unternehmen, die bei steigenden Energiepreisen darauf angewiesen, ihre IT möglichst effizient einzusetzen. Zu seinen Kunden gehören nicht nur sehr große, sondern auch kleinere Unternehmen.
Bei Green IT geht es um viel mehr als nur um stromsparende Server und PCs. Im Interview mit ITespresso erklärt Thomas Tauer, wie man bei der Planung eines Rechenzentrums vorgeht, wie sich das Bewusstsein der IT-Manager in Unternehmen verändert hat – und was ein Experte eigentlich unter Green IT versteht. Das Interview wurde per Telefon geführt.
eWEEK: Green IT ist in aller Munde. Was versteht ein Experte darunter?
Tauer: Im Grunde genommen gibt es drei Aspekte. Da ist erstens die Hardware wie PCs, Server, Mainframes, die natürlich besonders energieeffizient sein soll.
Zweitens geht es um Themen wie Infrastruktur, Gebäudetechnik und Klimaanlagen. Und drittens gibt es auch einen ganzheitlichen Ansatz. Das gilt für Unternehmen, die sich generell zum Umweltschutz bekennen. Das fängt zum Beispiel damit, dass man die Fahrzeugflotte optimal verwaltet, um Benzin zu sparen. Oder Collaboration-Tools wie Telepresence einsetzt, um unnötige Flugreisen zu vermeiden.
Was hat sich in der IT-Technik in den letzten Jahren geändert?
Eine ganze Menge. Wir haben heute sehr viel effizienteres Equipment und eine viel bessere Infrastruktur als beispielsweise noch vor etwa fünf Jahren. So haben die USVs und die Kühleinheiten heutzutage einen viel höheren Wirkungsgrad.
Hat sich auch die Einstellung der verantwortlichen Manager gewandelt?
Ja, natürlich. Vor einigen Jahren ging es den Unternehmen bei Rechenzentren immer nur um Sicherheit und Verfügbarkeit. Heute sind die IT-Verantwortlichen viel sensibler für das Thema Umwelt. Schon allein wegen der Energiekosten. 75 Prozent der Infrastruktur-Betriebskosten eines Rechenzentrums sind heute Stromkosten. Viele Unternehmen denken deshalb bei Green IT im wesentlichen an Wirtschaftlichkeit und ans Geld sparen.
Einige setzen auch aus Image-Gründen auf Green IT. Aber für alle Unternehmen ist der Return of Investment (ROI) entscheidend, wenn sie in energieeffiziente IT-Anlagen investieren. Wenn der ROI mehr als drei Jahre auf sich warten lässt, dann überlegen die schon sehr genau, ob sich das noch lohnt. Green IT muss sich am Ende auch rechnen.
Wie geht ein IT-Verantwortlicher vor, der beispielsweise ein neues Rechenzentrum plant und dabei energietechnisch auf dem neuesten Stand sein will?
Bei der Planung sollte man sich zuerst überlegen, welches Wachstum das Unternehmen für die nächsten Jahre erwartet und daraus Rechenleistung und Speicherbedarf abschätzen. Daraus ergeben sich Parameter wie Leistungsdichte pro Quadratmeter oder anders ausgedrückt: Watt pro Rack.
Als nächstes muss man das ganze System skalierbar konstruieren. Geht man von einer Leistungsdichte von 500 Watt pro Rack aus, dann kann man in den folgenden Jahren als Beispiel auf bis zu 1600 Watt pro Rack skalieren. Skalierbarkeit ist heutzutage das A und O – sowohl für die Server als auch für das ganze Drumherum, also die Infrastruktur und die Kühlanlagen.
Bei der Planung sehen wir uns auch an, ob man zum Beispiel einfach die kalte Luft, die in unseren Breitengraden ja zur Genüge vorhanden ist, zur Kühlung nutzen kann. Die kalte Luft wird über Wärmetauscher eingebracht. Das ermöglicht dann eine Kühlung ohne Kälteaggregate.
Und die Konstruktion des Gebäudes?
Die Gebäudeform spielt zunächst mal keine so große Rolle. Außerdem sind die Rechenzentren großer Unternehmen oft unterirdisch gelegt. Aus Sicherheitsgründen.
Welche Rolle spielt Software?
Eine immer größere. Bei IBM haben wir einen Active Energy Manager entwickelt. Der überwacht den Stromverbrauch des ganzen Equipments. Der Administrator weiß dann nicht nur, wie viel Strom insgesamt verbraucht wird, sondern auch, welche Komponenten wie viel verbrauchen. Dann kann der der Active Energy Manager den Energieverbrauch an den Stellen drosseln, an denen Anwendungen mit niedrigerer Priorität laufen. Dabei wird die Taktfrequenz auf den Servern gedrosselt.
Arbeitet die Software auch mit Nicht-IBM-Hardware?
Nur zum Teil. Wir haben den Active Energy Manager natürlich für die eigene Hardware geschrieben. Es ist aber durchaus möglich, mit entsprechenden Sensoren den Stromverbrauch von Geräten anderer Hersteller zu messen. Aber mehr als messen geht wegen proprietärer Unterschiede vieler Anbieter oft noch nicht.
Wie schätzen Sie das Bewusstsein für Green IT in Deutschland ein?
Man kann schon sagen, dass das Thema bei Unternehmen angekommen ist. Doch der Begriff spaltet die Gemüter und ist nicht überall positiv besetzt. Viele wissen gar nicht, welche Einsparpotenziale ihnen da entgehen.
Und einige Marktstudien sagen, dass 93 Prozent der IT-Admins gar nicht wissen wie viel und wo Energie verbraucht wird. Viele kennen auch den grundlegenden PUE-Wert gar nicht. Wenn ich einen Vortrag vor 50 Leuten halte und die Leute frage, wer PUE kennt, dann heben vielleicht drei oder vier Leute die Hand.
Was genau versteht man denn unter PUE?
Das ist eine Abkürzung für Power Usage Effectiveness. Dieser stellt den Gesamtverbrauch eines Rechenzentrums in Bezug zum Verbrauch der IT-Geräte dar. Dann hat man den PUE-Wert. Je niedriger der Wert (max.=1), desto effizienter ist die IT.
Was sind die Trends der Zukunft?
Wir werden immer mehr auf Effizienz setzen. Dabei wird es in Zukunft noch stärker auf die Software ankommen. Schlampig programmierte Software braucht mehr Rechenleistung. Software muss so schlank programmiert sein, dass sie wenig Bandbreite, wenig Speicherplatz und wenig Rechenleistung benötigt. Effizient programmierte Software spart am Ende auch Strom. Da gibt es noch einen gewissen Nachholbedarf.
Auch Virtualisierung ist wichtig, weil sie die Auslastung der Hardware optimiert. Ein weiterer Trend geht zum Cloud Computing. Manche Unternehmen werden in Zukunft vielleicht gar keine eigene IT mehr haben, sondern diese hochprofessionellen Dienstleistern überlassen. Die wissen natürlich am besten, wie sie Hard-und Software am effizientesten, also am umweltfreundlichsten, einsetzen.
Danke für das Gespräch