Klimaschutz: ITK-Branche nur halbherzig

Einen illustren Ort hat das Marktforschungsunternehmen Gartner ausgesucht, um sich mit Herstellern der ITK-Branche zu einem Symposium zu treffen. Das südfranzösische Cannes an der Côte d’Azur, sonst eher berühmt für seine Filmfestspiele, ist der Schauplatz dieser Veranstaltung.
Der Ort mag glamourös sein, das Thema des Symposiums (8.-11. November) ist es nicht. Die Gartner-Analysten wollen mit IT-Herstellern über das Thema Nachhaltigkeit und Umwelt diskutieren. Viel Gesprächsstoff wird dabei eine Studie geben, die das Marktforschungsunternehmen gemeinsam mit der schwedischen Niederlassung der Umweltschutzorganisation World Wildlife Fund (WWF) angefertigt hat. Darin sollten 28 Anbieter der ITK-Industrie nach ihrer Umweltstrategie befragt werden. Mitgemacht haben dann aber nur 19 Unternehmen, darunter Dell, Deutsche Telekom, Lenovo, Microsoft, Xerox, BT, IBM, Cisco, Ericsson, HP, Fujitsu und SAP.
Ziel der Studie: Was tun die Unternehmen, um ihre eigene Umweltbilanz zu verbessern? Zugleich wurde gefragt, ob und wie sie klimafreundliche Technologien auf den Markt bringen und damit auch Unternehmen aus anderen Branchen klimapolitisch unter die Arme greifen.
Fortschritte seit 2008
Die Ergebnisse geben nicht wirklich Anlass zur Freude. So stellen Gartner und der WWF einerseits fest, dass viele Hersteller 2009 und 2010 Fortschritte in Hinblick auf Umweltbewusstsein und die Reduzierung der CO2-Emissionen gemacht haben. Außerdem sehen immer mehr ITK-Unternehmen Klimawandel und Nachhaltigkeit auch als eine Chance für neue Verdienstmöglichkeiten und Geschäftsfelder. Am Rande vermerken die Autoren der Studie, dass keines der 28 Unternehmen einen Rückschritt gemacht habe.

Kritik gibt es aber dafür, dass viele Hersteller des Thema Klimaschutz noch nicht in das Zentrum ihrer Geschäftstätigkeit gerückt haben. Die meisten haben die Bedeutung des Themas erkannt, und versuchen Energieeffizienz zu erhöhen und Abfall zu vermeiden, gehen dabei aber nur sehr schrittweise und vorsichtig vor. Wirklich konsequentes Handeln vermissen die Kritiker.
Keine innovativen Ansätze
Gartner und WWF fordern dagegen, dass die Hersteller wirklich neue innovative Ansätze beim Thema Nachhaltigkeit realisieren. So sagt zum Beispiel Dennis Pamlin, einer der Koautoren und unabhängiger Berater für den schwedischen WWF: »Wir waren überrascht, dass es so wenig wirklich innovative Ansätze gab.« Die typischen Antworten, die Firmen in der Studie gegeben hatten, zeigten vielmehr, dass diese sich im wesentlich mit inkrementellen, d.h. schrittweisen Verbesserungen beim Umweltschutz begnügten und ihre Dienste und Produkten nur auf die Anforderung der Kunden ausgerichtet hatten.
Kritisch fügt Pamlin hinzu: »Wenn die ITK-Industrie ihre Versprechungen wirklich wahr machen und einen spürbaren Beitrag dazu leisten will, dass die Gesamtwirtschaft ihre CO2-Emissionen deutlich senkt, dann muss sie wesentlich mehr tun als nur marginale, schrittweise Verbesserungen einzuführen.«
Berg von Elektroschrott
Ein weiterer Punkt, den Gartners Research Vice President Simon Mingay kritisiert, ist, dass zu wenige Unternehmen ernsthafte Bemühungen unternehmen, die Lebensdauer von IT-Hardware zu verlängern. Dies wäre aber bitter nötig, denn der Berg von Elektroschrott und der gleichzeitige Mangel an seltenen Metallen entwickelt sich zunehmend einer globalen Herausforderung.
Die Tatsache, dass auch die besonders engagierten ITK-Hersteller bisher noch keine Bestnoten bei WWF bekommen, liegt aber auch an der Zurückhaltung der Kundschaft. Organisationen aus dem öffentlichen und dem privaten Sektor investieren nach Einschätzung von Gartner und WWF bisher noch zu wenig in Lösungen, die entweder Treibhausgase reduzieren oder generell Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit fördern.
Einige Hersteller heben sich positiv hervor
Ganz ohne aufmunterndes Lob wollen Gartner und WWF die Anbieter aber nicht entlassen. So hebt Gartner-Manager Mingay eine Gruppe von Herstellern besonders heraus: BT, IBM, Cisco, Ericsson, HP, Fujitsu und das deutsche Softwarehaus SAP seien unter denjenigen, die sich besonders positiv hervorgetan hätten.

Positiv erwähnt werden auch Hersteller wie HP, Ericsson und Fujitsu. Diese seien immer stärker darum bemüht, die Energieeffizienz der Produkte zu verbessern und zu einem Kernbestandteil der Produktpolitik zu machen. Fujitsu hat sich laut Gartner als einziges Unternehmen einen langfristigen Plan für die Erreichung von Umweltzielen gesetzt, sowohl in seinem eigenen Geschäftsbetrieb als auch bei den Lösungen, die es an die Kunden verkauft. Eine Aussage, der allerdings Konkurrenten wie IBM, Cisco oder Sony widersprechen würden, da auch diese von sich behaupten, mit konkreten Zielvorgaben aufwarten zu können.
Positiv vermerkt wird auch, dass sich in der Industrie immer mehr Partnerschaften bilden, um die Umwelt-Bilanz zu verbessern. Die Studie zählt Beispiel Hersteller wie Cisco, Alcatel-Lucent und IBM als Beispiel auf.
SAP auf einem Spitzenplatz
Auf einer Rangliste der umweltfreundlichsten ITK-Anbieter hat sich das deutsche Softwarehaus SAP einen Platz unter den ersten Zehn erobert. Laut Studie hat SAP den Aspekt Nachhaltigkeit in den letzten 18 Monaten immer mehr ins Zentrum seines Geschäftsbetriebs gerückt. Das Unternehmen kündigt auf seiner deutschen Homepage an, es wolle seinen Ausstoß von Treibhausgasen bis zum Jahr 2020 um 51 Prozent verringern. Bezugswert ist dabei das Jahr 2007 mit 513 000 Tonnen.
Die anderen Software-Hersteller, darunter auch Microsoft, sind dagegen noch »relativ unreif«, sowohl bei den firmeninternen Maßnahmen als auch bei den Lösungen für den Markt. Wenig freundliche Worte finden die Autoren der Studie insgesamt für die Software- und Service-Branche. Abgesehen von oben erwähnten SAP hätten nur sehr wenige Software- oder Service-Unternehmen Aspekte wie Energieeffizienz oder Umweltbilanz zu einem Kernpunkt ihrer Firmenpolitik gemacht.
IT-Industrie produziert zwei Prozent der Treibhausgase
Gartner und WWF setzen aber trotzdem große Hoffnungen in das Klimaschutz-Potenzial und die Vorbildfunktion der Computerbranche. Während die ITK-Industrie zwar selbst nur zwei Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verursacht, hat sie doch die Chance, alle anderen Branchen, die sie mit Lösungen und IT-Hardware oder Software versorgt, dahin zu bringen, nachzuziehen und so ebenfalls ihre Umweltbilanz aufzubessern. Die Computer- und Telekommunikationsbranche liefert die passenden Werkzeuge, um Energieverbrauch und Abfallbelastung in Griff zu bekommen. Beispielsweise in Form von stromsparenden Rechenzentren, Analyse-Tools, mit denen sich die Energieaufnahme reduzieren lässt, und anderen Dienstleistungen.
Für das Symposium im illustren Cannes gibt es also eine ganze Menge kontroversen Gesprächsstoff.
(Kleines Bild: Wikimedia Commons Copyright: Mario Lassnig)