Green IT: Cloud Computing in der Kritik

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Cloud Computing ist gut für die Umwelt. Die großen Rechenzentren arbeiten dank modernster Technologien besonders effizient. Deshalb sparen sie Strom und produzieren weniger CO2. Cloud Computing ist gut für den Klimaschutz. So etwa lesen sich die Statements von Industrie und vielen Marktforschern. IT-Riesen wie Facebook, Microsoft, Google oder IBM – alle werben mit diesen Argumenten für die neue Technik.

Doch in den letzten Monaten ziehen immer mehr Branchenexperten und Umweltschützer solche grünen Lobeshymnen in Zweifel. Eine gute Zusammenfassung der Diskussion gibt der auf Umwelt-Themen spezialisierte Journalist Corbin Hiar auf der Seite Mediashift. Auch Greenpeace verweist auf diesen Artikel.

Serverwartung bei Strato. (Bild: Strato)

Privatanwender speichern im Netz

Die Diskussion über die Umweltaspekte von Cloud Computing und Rechenzentren gewinnt immer mehr an Bedeutung. Schließlich erwarten alle Experten, dass diese Technik sich in den nächsten Jahren an allen Fronten durchsetzen wird. Natürlich zuerst bei Unternehmen, aber auch bei Privatanwendern.

Schon heute nutzen viele Privatanwender Cloud-Dienste wie Google Text & Tabellen oder Microsofts Office WebApps. Stratos HiDrive und Microsofts Skydrive bieten sich als Festplatte im Internet an. Zudem werden täglich viele Millionen von Fotos und Videos auf Internet-Server hochgeladen, beispielsweise beim Fotodienst Flickr oder beim Videoportal YouTube.

So trivial es klingt: Das alles braucht Strom und belastet damit die Umwelt.

Mit Microsofts Skydrive speichert der Anwender seine Daten im Internet.

Die Art, wie Rechenzentren in Zukunft die Last von Daten und Anwendungen bewältigen, wird also ganz wesentlich über den Fluch und Segen der Computertechnik in Sachen Umwelt entscheiden. Skeptiker befürchten, dass trotz aller Beteuerungen, die modernen Cloud Computing-Zentren seien hoch effizient und umweltfreundlich, die CO2 Emissionen in den nächsten Jahren kontinuierlich und immer schneller ansteigen werden. Ein Report von McKinsey schätzt, dass sich die weltweiten Kohlendioxidemissionen der Datenzentren bis 2020 vervierfachen werden.

Das Zauberwort Effizienz

Die großen Anbieter wie Facebook oder Microsoft arbeiten hier gerne mit dem Zauberwort »Effizienz«. Im Prinzip bedeutet dies aber nur, dass bei gleicher Stromaufnahme mehr Rechenleistung oder mehr Speicherplatz erzielt wird.

So verweist Facebook beispielsweise darauf, dass jeden Tag über 100 Million Fotos hochgeladen werden und seine spezielle Virtual Storage Technik namens »Haystack« dafür sorge, dass diese Fotos besonders effizient gespeichert werden. Somit würden täglich Hunderte von Tonnen von CO2 Emissionen eingespart – im Vergleich zum Versenden gedruckter Fotos.

Microsoft hat kürzlich eine Studie veröffentlicht, die gemeinsam mit Accenture durchgeführt wurde. Demnach können Unternehmen durch Cloud Computing ihren Stromverbrauch und infolgedessen auch ihre Treibhausgase um Werte zwischen 30 und 90 Prozent (!) senken. Je kleiner das Unternehmen, desto höher sei der Effizienzgewinn.

Ein Unternehmen mit nur 100 Mitarbeitern, das seine Daten und Anwendungen per Cloud Computing organisiert, könnte seine Treibhausgasemissionen um bis zu 90 Prozent senken, behauptet die Studie. Große Unternehmen, in denen beispielsweise 50 000 Mitarbeiter ihre E-Mails via Cloud Computing abwickeln, könnten so bis zu 32 Prozent einsparen.

Vorbereitung der Wartungsarbeiten im Strato Rechenzentrum: Eine Mitarbeiterin entnimmt einen Server aus einem Rack. (Bild: Strato)

Keine konkreten Daten

Doch gerade bei solchen Musterrechnungen setzen die Kritiker an. So bemängelt beispielsweise Simon Mingay, Analyst beim Marktforschungsunternehmen Gartner (Vice President Research), dass Microsoft zu wenig konkrete Daten als Beleg anführe. Zwar sei in der Studie von irgendwelchen Emissions-Faktoren die Rede. Das könne aber gut dazu benutzt werden, vom eigentlichen Problem abzulenken.

Besser wäre es gewesen, die Studie hätte konkret die eingesparten Kilowattstunden aufgeführt. Solche Zahlen will Microsoft aber nicht herausrücken. Die Begründung: Es handele sich um vertrauliche Daten, die man aus Wettbewerbsgründen nicht veröffentlichen könne.

So lässt sich letztlich nicht nachprüfen, wie viel Strom bzw. CO2-Emissionen tatsächlich durch Cloud Computing eingespart werden können.

Generell warnen die Kritiker vor zu viel Vertrauen in das Schlagwort Effizienz. Effizienz ist natürlich gut, aber nicht das einzige Indiz für Umweltfreundlichkeit. In einem Blog von Gartner schreibt Mingay, Unternehmen müssten begreifen, dass Energieeffizienz für sich genommen noch nicht »grün« sei. Und Jodie van Horn schreibt in einem Blog auf Greenpeace: »Ein hoch effizientes Rechenzentrum, das seine Energie aus einem Kohlekraftwerk bezieht«, trage ebenfalls zur Zerstörung des Planeten bei, es tue dies nur langsamer als eine weniger effiziente Anlage.

Kohlekraftwerke für Facebook

Dabei hat sich Greenpeace derzeit besonders auf Facebook eingeschossen. So wird das soziale Netzwerk einerseits gelobt, weil es versucht, die Effizienz in seiner Rechenzentren zu erhöhen. Allerdings hat Facebook zwei Datenzentren in US-Bundestaaten geöffnet, deren Strom hauptsächlich aus Kohlekraftwerken stammt, ein Umstand, der die Umweltschützer zu herber Kritik veranlasst.

Dass sich Greenpeace besonders auf Facebook eingeschossen hat, erklärt sich wohl auch dadurch, dass Facebook international sehr bekannt ist, schnell expandiert und jede Kritik deshalb sehr medienwirksam platziert werden kann.

Saubere Energie: Internet-Riese Google investiert 5 Milliarden US-Dollar in das Windenergieprojekt Atlantic Wind Connection. (Bild: Google)

Außerdem hofft Greenpeace, dass die Facebook-Manager ihre eigenen »Freunde« in Washington dazu animieren werde, auf saubere Energien zu setzen.

Strato setzt auf saubere Energie

Über Lob darf sich hingegen Google freuen. Das Unternehmen etwa 5 Milliarden Dollar in die Atlantic Wind Connection. Das Projekt will Windenergie, die in Anlagen auf dem Meer gewonnen wurde, per Unterwasserkabel weiterleiten. Auch der Webhoster Strato setzt auf saubere Energie und bezieht den Strom nach eigenen Angaben ausschließlich aus Wasserkraftwerken.

Trotz aller Kritik ist die IT-Branche also immer noch vorne dabei, wenn es um die Realisierung von umweltfreundlichen Technologien geht. Doch die aktuelle Diskussion zeigt auch, dass das Zauberwort von der »Energieeffizienz« sich verbraucht hat. Erst in Kombination mit sauberer Energie wird die IT-Branche ihrem Anspruch von »Green IT« wirklich gerecht.

(kleines Bild: Strato)

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