Eigene Funkzelle für iPhone & Co.

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Die meisten Menschen verreisen gerne ins Ausland, scheuen aber die hohen Gebühren, die bei der Handynutzung außerhalb der Landesgrenzen anfallen. Auch VoIP (Voice-over-IP) ist als Alternative oft zu umständlich. Für diesen Benutzerkreis könnte die Attocell, eine Femtozelle für den Privatgebrauch, die die Firma Ubiquisys kürzlich als Weltneuheit vorstellte, die Lösung sein.

Der Handynutzer kann mit der Attocell eine UMTS-Funkzelle im Kleinformat im Hotelzimmer errichten. Das Gerät leitet dann sowohl Telefonate als auch Datenpakete über das Internet weiter. Auf diese Weise kann der Anwender das Telefon genau wie Zuhause benutzen, ohne dass Roaming-Gebühren anfallen.

Dies mag sich nach einem herkömmlichen WLAN-Hotspot anhören, wie es ihn in vielen Haushalten gibt, aber es gibt wichtige Unterschiede. Ein Vorteil der Nutzung einer UMTS-Funkzelle ist, dass das Handy wie gewohnt ins Mobilfunknetz eingebucht ist, daher können beispielsweise Anrufe über das im Handy integrierte Telefonbuch getätigt werden. In einer ersten Phase konzentriert sich die Vermarktung der Attocell auf das iPhone. Bei Ubiquisys glaubt man, dass iPhone-Besitzer die Benutzerfreundlichkeit des Produktes zu schätzen wissen.

Ein Nachteil der Funkzelle ist, dass UMTS, anders als bei WLAN, auf Funkfrequenzen zurückgreift, für die eine Lizenz fällig ist. In jedem Land gibt es nur einige wenige Mobilfunkbetreiber, die diese Lizenzen vom Staat erworben haben. Ubiquisys entledigt sich dieses Problems dadurch, indem davon ausgegangen wird, dass aufgrund der schwachen Sendeleistung des Gerätes keine Lizenz nötig ist.

Als wir Wind von diesem Gerät bekamen, sprachen wir mit Keith Day, Marketing-Chef bei der Firma Ubiquisys. »Die Attocell funktioniert genau wie eine Femtozelle«, teilte er uns mit. »Der einzige Unterschied ist, dass die Reichweite wesentlich geringer ist.« In den meisten Fällen bedeutet dies, dass das Handy direkt auf dem Gerät platziert werden muss und über ein Bluetooth-Headset telefoniert wird.

Ohne Internet geht nichts

Falls Sie es nicht wussten: Femtozellen sind im Prinzp kleine UMTS-Basisstationen mit geringer Sendestärke, nicht größer als ein handelsüblicher WLAN-Router, manchmal sogar noch kleiner. Femtozellen unterstützen sowohl Sprach- als auch Datenverbindungen von UMTS-Mobiltelefonen und sind für den Einsatz in Innenräumen konzipiert. Die Verbindung zum Mobilfunknetzwerk erfolgt dabei über einen kabelgebundenen DSL-Anschluss.

Dies verringert die Last auf die großen »Makrozellen«, aber noch wichtiger ist wohl, dass Femtozellen ein wesentlich stärkeres Handysignal innerhalb von Gebäuden zur Verfügung stellen. Vodafone hat beispielsweise 2009 in Großbritannien ein Angebot namens Sure Signal vorgestellt, dies ist aber nur ein Beispiel für den praktischen Einsatz von Femtozellen.

Die Attocell von Ubiquisys kann beschrieben werden als eine mobile Femtozelle für Auslandsreisende. Sie wurde speziell für das iPhone entwickelt, aber Ubiquisys hat der Redaktion versichert, dass die Attocell problemlos auch mit jedem anderen UMTS-fähigen Handy zusammenarbeitet. Die Firma hat die Zelle erfolgreich mit Smartphones von Blackberry und Nokia sowie mit Mobiltelefonen auf Android-Basis getestet.

»Wir haben uns beim Design für die Attocell auf eine Analyse einer Reihe von Mobilfunkbetreibern gestützt«, erläutert Day. »Laut der Analyse ist das iPhone ein logischer Testmarkt, da dieses Handymodell weit verbreitet ist, besonders bei Geschäftsleuten, die häufig ins Ausland reisen. Dennoch funktioniert unser Produkt mit jedem UMTS-fähigen Handy, aber wir mussten ja mit irgendeinem Modell anfangen.«

Wie funktioniert es?

»Das Funktionsprinzip ist dasselbe wie bei einer Femtozelle«, sagt Day. »Der einzige Unterschied ist, dass die Attocell eine wesentlich geringere Reichweite hat. Deshalb muss das Handy direkt auf dem Gehäuse aufliegen. Nehmen Sie als Beispiel eine deutsche Managerin, die sich in New York befindet. Sie verkabelt die Attocell per USB mit dem Laptop, der wiederum mit dem Internet verbunden ist. Die USB-Schnittstelle versorgt die Attocell auch mit Strom.«

Als Nächstes analysiert die Attocell die IP-Adresse und die Funkfrequenzen in der Umgebung, um den eigenen Standort festzustellen. Danach stellt sie ihr UMTS-Signal auf die landespezifische Höchstgrenze ein, so dass die Funkleistung noch unterhalb der Schwelle liegt, für die eine Lizenz fällig wird. In einigen Ländern beträgt die Reichweite nur 5 Millimeter, in anderen Ländern kann die Zelle einen ganzen Raum umfassen.

»Wir wollen keine konkreten Aussagen treffen, was die Praxis der Regulierungsbehörden in den einzelnen Ländern betrifft, aber ich bin mir sicher, dass die Regierungsbehörden das unter sich ausmachen«, erklärt Day zum Thema aufsichtsrechtliche Bedenken.

Die Attocell greift auf das Internet zurück, um den Anruf zum Mobilfunknetz des Handybenutzers durchzuleiten, in diesem Fall nach Deutschland. Dabei muss der Anwender zur Bedienung des Handys ein Bluetooth-Headset verwenden oder den Freisprechmodus des Telefons.

Intelligente Femtozelle

Laut Ubiquisys analysiert die Attocell ständig die Funkfrequenzen der Umgebung, um sicherzustellen, dass die vorhandenen Mobilfunknetzwerke nicht gestört werden. »Die Attocell unterliegt aufgrund des Zusammenspiels von intelligenter Technik und äußerst geringer Sendeleistung nicht den Auflagen der Regulierungsbehörden und benötigt daher auch keine Zulassung«, teilt das Unternehmen mit.

Allerdings ist zu bedenken, dass auch die Kosten für eine Internetverbindung im Ausland hoch sein können. Außerdem wird bereits Druck auf die Betreiber von Mobilfunknetzen ausgeübt, die Roaming-Gebühren zu senken, unter anderem will die EU die entsprechenden Verordnungen verschärfen. Das Problem der hohen Roaming-Kosten, für das Ubiquisys eine Lösung bereitstellt, könnte daher bald der Vergangenheit angehören.

Viele Handynutzer greifen im Ausland auch gerne auf die installierte Skype-App zurück, um Anrufe zu tätigen. Day glaubt allerdings, dass manche Auslandsreisende trotzdem der UMTS-Basisstation den Vorzug geben werden, da die Attocell es ihnen erlaube, die gewohnten Handyfunktionen zu nutzen, darunter SMS, Rufnummernerkennung, Telefonbuch sowie den Anrufbeantworter.
»Es ist einfach weniger umständlich«, fasst Day zusammen.

»Das Produkt bietet Handynutzern eine interessante, zusätzliche Option«, sagt Day. »Die Attocell stellt eine Erweiterung der intelligenten Funkzellentechnik dar, wie wir bei Ubiquisys es nennen. Das heißt, es kann Mobilfunk an Orten genutzt werden, wo dies in der Vergangenheit nicht möglich war.«

Im Juni 2009 zum Beispiel hat Ubiquisys eine Femtozelle für 16 Teilnehmer vorgestellt, die auf den Geschäftskundenmarkt ausgerichtet war.

Auf die Größe kommt es an

»Als die Handys erstmals auf den Markt kamen, war viel die Rede vom Prinzip der universalen Mobilität. Damit war gemeint, dass Handynutzer ihr Mobiltelefon immer und überall einsetzen können und sie nie ohne Netz dastehen. Unser Produkt steht in dieser Tradition«, erläutert Day.

Obwohl der Chiphersteller Picochip auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas vor kurzem eine UMTS-Basisstation in Form eines USB-Sticks vorstellte, die stark an die Attocell von Ubiquisys erinnert, sagt Day, dass in dem Gerät keine Komponenten von Picochip verbaut wurden.

»Sie (Picochip) haben einfach nur gezeigt, wie weit der Formfaktor von Femtozellen verkleinert werden kann. Mit unserer Attocell haben wir jedoch eine kleinformatige Femtozelle vorgestellt, die darüber hinaus auch über eine geringe Sendeleistung verfügt. Der Hauptunterschied liegt darin, dass unser Produkt auf intelligente Technik setzt, und die Intelligenz ist eine Funktion der Software«, verkündet Day.

Laut dem Marketing-Chef ist die Attocell von Ubiquisys größer als ein iPhone, aber vom Gewicht her gibt es kaum Unterschiede zu handelsüblichen Handys. »Das im Handel erhältliche Produkt wird voraussichtlich wesentlich kleiner sein«, meint Day.

»Die Herstellungskosten sind dieselben wie für eine handelsübliche Femtozelle für den Privatgebrauch, die unter 100 US-Dollar (zirka 72 EUR) liegen«, ließ Day wissen, obwohl er nicht mitteilen konnte, für wie viel die Attocell bei den Mobilfunkbetreibern über die Ladentheke gehen würde.

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