Windows-Tablets: Das Ende für Microsofts »Fast Follower«-Strategie?

Kann Microsoft seine eigene kleine Nische im Markt für Tablet-PCs erobern?
Zurzeit dominiert Apples iPad den Markt, wobei eine immer größer werdende Zahl von Tablets auf Basis von Google Android bereits erhältlich ist beziehungsweise in den nächsten Monaten auf den Markt kommen wird. Sowohl Research in Motion, das bereits das 7-Zoll-Gerät PlayBook angekündigt hat, als auch Hewlett-Packard, dessen Betriebssystem WebOS auf zahlreiche Geräte portiert wird, wollen eigene Tablet-Produkte noch in diesem Sommer vorstellen.
In diesem Zusammenhang glänzt Microsoft vor allem durch Abwesenheit. Während seines Vortrags auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas im Januar dieses Jahres fiel auf, dass Microsoft-Chef Steve Ballmer zu praktisch allen Marktsegmenten etwas zu sagen hatte – außer zu Tablets. Auf dem Microsoft-Stand der Messe konnte beinahe jede nur denkbare Variante von Laptops, Smartphones und Spielkonsolen auf Windows-Basis bestaunt werden – allerdings stand nur eine kleine Zahl von Touchscreen-Geräten zur Verfügung, die hauptsächlich für den asiatischen Markt gedacht waren und überdies großteils in Schaukästen weggesperrt waren.
Markt-Trends zu Kapital machen
Microsoft gilt in der Branche als das Paradebeispiel für einen »Fast Follower«, das heißt: eine Firma, deren Innovationsstrategie darauf beruht, neue Trends im Markt zu erkennen und Kapital daraus zu schlagen. Mithilfe dieser Strategie gelang es Microsoft, in den 90er Jahren mehrere Marktsegmente zu dominieren, zum Beispiel mit Produkten wie dem Internet Explorer.
Aber im Laufe der letzten fünf Jahre hat sich das Bild gewandelt. Am Anfang steht eine Firma, die ein Produkt auf den Markt bringt, welches sich als Kassenschlager herausstellt, ob dies nun Google mit seiner Suchmaschine oder Apple mit dem iPhone ist. Microsoft wartet dann lange ab und bringt schließlich sein Konkurrenzprodukt auf den Markt, Bing im Suchmaschinenbereich und Windows Phone 7 bei Smartphones, wobei die Firma Hunderte Millionen Dollar in Marketing und Entwicklung steckt.
Zumindest teilweise sind diese massiven Geldspritzen der Grund dafür, dass Microsoft das Produkt solange im Markt halten kann, bis eine Gruppe von Benutzern die Möglichkeiten dieses Produktes für sich entdeckt und es mehr Anklang findet. Aber diese Produkte haben in ihren jeweiligen Marktsegmenten keine dominierende Stellung inne, wie dies beispielsweise bei Windows, Office oder Internet Explorer der Fall ist.
Noch steht bei weitem nicht fest, ob Windows Phone 7 von Microsoft wirklich im Markt Fuß fassen kann, selbst wenn man das kürzlich abgeschlossene Abkommen zwischen Nokia und Microsoft berücksichtigt, oder ob es zwischen den Fronten, die von den Wettbewerbern Apple iPhone, Google Android und den BlackBerry-Produkten von RIM gebildet werden, aufgerieben wird.
Der Windows-Tablet-PC könnte zu spät kommen
Trotz alledem scheint es, als ob Microsoft darauf beharrt, bei Tablet-PCs eine ähnliche Strategie zu verfolgen. Obwohl Ballmer 2010 wiederholt beteuerte, dass Tablet-PCs mit Windows-Betriebssystem dieses Jahr verstärkt im Endverbrauchermarkt eingeführt werden würden, bleibt die Gerüchteküche kühl in Sachen Windows-Tablets.
Im Geschäftskunden-Bereich hat Hewlett-Packard bereits ein Windows Tablet auf den Markt gebracht; da HP sich jedoch zunehmend auf WebOS konzentriert, ist es fraglich, ob man sich die Mühe machen wird, ein ähnliches Produkt auf breiterer Basis für Endverbraucher herauszubringen. Und obwohl Dell angeblich ebenfalls Pläne für ein Windows-Tablet für Geschäftskunden in der Schublade hat, scheint man dort eher darauf erpicht zu sein, Touchscreen-Tablets auf Android-Basis zu verkaufen.
Microsoft hat bereits im Vorfeld angekündigt, dass die nächste Windows-Version die System-on-a-Chip-Architektur unterstützen wird, insbesondere Systeme auf ARM-Basis von Geschäftspartnern wie Qualcomm, Nvidia und Texas Instruments. Bedenkt man die Bedeutung von ARM im Bereich der Mobilgeräte, so lässt dies den Schluss zu, dass Microsoft im Zusammenhang mit Windows 8 bei den Tablet-PCs einsteigen wird.
Wie in der Branche gemunkelt wird, soll Windows 8 jedoch erst 2012 auf den Markt kommen, wodurch sich eine enorme zeitliche Lücke auftut. In der Zwischenzeit werden immer mehr Android-Tablets erscheinen und Apple, dessen Marke iPad in diesem Marktsegment in näherer Zukunft führend bleiben wird, wird sicherlich die eigenen Tablet-Produkte weiterentwickeln und mit Funktionen anreichern.
Wer steht hinter Microsoft?
Anders gesagt: Wenn Microsoft wirklich diesen Zeitplan einhält und seine Tablet-Offensive im Endverbrauchermarkt erst im Zusammenhang mit Windows 8 startet, könnte dies die Fast-Follower-Strategie des Unternehmens auf Herz und Nieren testen. Laut Analysten soll der Markt für Tablets 2012 abheben, wobei Absatzzahlen in zweistelliger Millionenhöhe vorausgesagt werden. Microsoft hat die Aufgabe vor sich, nicht nur den bereits gut eingeführten Wettbewerbern Marktanteile abzujagen, sondern auch seine eigenen Fertigungspartner davon zu überzeugen, Windows-Tablets statt Tablets auf Android-Basis oder auf Basis anderer, proprietärer Betriebssysteme zu produzieren.
Zu diesem Zeitpunkt werden natürlich Unternehmen wie Dell, Samsung und HP mit ihrer Tablet-Produktion und den Betriebssystemen viele Millionen an Umsatz gemacht beziehungsweise Gewinn eingefahren haben. Sie davon zu überzeugen, Ressourcen für ein Konkurrenz-Produkt auf Windows-Basis abzuzweigen, wird nicht leicht sein.
Die Alternative für Microsoft wäre ein speziell auf Tablet-PCs abgestimmtes Betriebssystem, vielleicht als Variante des Windows Phone 7. Dies könnte eine mittelfristige Lösung darstellen und dem Unternehmen ermöglichen, sich noch vor 2012 im Tablet-Markt zu positionieren. Dies würde auch den Zeitdruck, der durch die Fast-Follower-Strategie aufgebaut wird, verringern.
Aber es gibt kaum Hinweise darauf, dass Microsoft tatsächlich einen solchen Ansatz verfolgt. Stattdessen scheint das Unternehmen sich damit zufrieden zu geben, abzuwarten und die eigene Tablet-Offensive hinter verschlossenen Türen zu planen. Eine ähnliche Strategie war in der Vergangenheit bei anderen Produkten erfolgreich – aber es stellt sich die Frage, ob sie auch dieses Mal von Erfolg gekrönt sein wird.