August 2011: Ein denkwürdiger Monat in der IT-Welt

Der August gilt normalerweise als einer der ereignisarmen Monate, zumindest was die IT-Welt betrifft. Aber dieser August? Ganz im Gegenteil!
Google kauft Motorola
Es ging damit los, dass Google ankündigte, Motorola Mobility für 12,5 Milliarden US-Dollar übernehmen zu wollen, ein Schritt, der die Smartphone-Branche gründlich aufmischen wird, sollte er genehmigt werden.
»Wir haben vor kurzem erläutert, wie Unternehmen, darunter Microsoft und Apple, sich zusammenschließen, um mittels wettbewerbsschädlicher Patentklagen Angriffe auf das Android-Betriebssystem zu fahren«, schrieb Firmenchef Larry Page am 15. August auf dem firmeneigenen Blog, kurz nachdem die angestrebte Übernahme publik gemacht wurde. »Unsere Übernahme von Motorola wird für mehr Wettbewerb sorgen, indem Googles Patentportfolio gestärkt wird, was wiederum bedeutet, dass wir Android besser vor wettbewerbsfeindlichen Bedrohungen durch Microsoft, Apple und andere Firmen schützen können.«
Die Frage ist, ob die Übernahme die anderen Gerätehersteller so weit vergrätzen wird, dass sie sich von Android abwenden werden. Microsoft hofft sicherlich darauf und entwirft ein Schreckensbild, in dem Motorola Mobility die Rolle des von Google begünstigten Schoßkindes einnimmt, gleichzeitig wirbt das Unternehmen aus Redmond für Windows Phone als eine Plattform, auf der Chancengleichheit herrscht. »Sowohl für die Branche als auch für Endverbraucher ist es wichtig, dass in ein breitgefächertes und wirklich offenes, mobiles Ökosystem investiert wird«, schrieb Andy Lees, Chef von Microsofts Windows-Phone-Sparte, in einer Mitteilung, kurz nachdem Google die Neuigkeiten verkündet hatte, »und Windows Phone ist nun die einzige Plattform, bei der Chancengleichheit für alle Partner herrscht.«
Googles Schritt könnte Mitbewerber auch in einen Kaufrausch treiben. »RIM erscheint plötzlich aufgrund seines Patent-Schatzes als äußerst attraktiv«, schrieb Ray Wang, Chefanalyst und Geschäftsführer von Constellation Research, am 15. August in einer E-Mail an die Redaktion. »HP, Apple oder Microsoft sollten sich beeilen, RIM wegen seiner Patente zu übernehmen und auch wegen des [BlackBerry Enterprise Server], seines Kronjuwels.«
HPs dramatischer Richtungswechsel
Als ob das nicht genug Aufregung für die IT-Gemeinde gewesen wäre, entschloss sich Hewlett-Packard, anzukündigen, dass man den Kurs ändern werde und plane, die PC-Sparte abzustoßen und stattdessen auf Software und Dienstleistungen für den Enterprise-Markt umsatteln wolle – wie IBM es vorgemacht hat.
Als Teil dieser Kursänderung wurden zwei von HPs prominentesten und neuesten Projekten, nämlich das TouchPad Tablet und das noch in den Kinderschuhen steckende Smartphone-Geschäft, beerdigt.
»HP teilt mit, dass geplant ist, die Geschäftsaktivitäten rund um webOS-Geräte, namentlich das TouchPad und die webOS-Smartphones, einzustellen«, hieß es in einer Pressemitteilung vom 18. August, die noch vor der Bekanntgabe der neuesten Geschäftszahlen veröffentlicht wurde. »HP wird weiterhin nach Möglichkeiten suchen, den Wert der webOS-Software zu optimieren.«
Einige Analysten sahen HPs Abwendung vom PC-Geschäft als Hinweis auf einen breiteren Trend in der Branche.
»Bei HP hat man soeben darauf verzichtet, eine Rolle in der Mobilitäts-Revolution zu spielen, lediglich in der gemütlichen Form von klimatisierten Cloud-Rechenzentren ist das Unternehmen noch präsent in diesem Bereich. Durch diesen Schritt erscheint Googles Übernahme von Motorola geradezu prophetisch«, schrieb Carl Howe, Analyst bei der Yankee Group, in einem Bericht vom 19. August. »Wir sind Zeugen, wie das PC-Zeitalter des Silicon Valley zu Ende geht.«
Hohe Hürden
Wie damals bei IBM, als das Unternehmen eine ähnliche Umstrukturierung durchführte, sind die Hürden, die HP nehmen muss, immens hoch. »HP steht ein Umbau zu einer viel breiter aufgestellten Softwarefirma bevor und wird Firmen wie Microsoft oder Oracle am Schluss viel ähnlicher sehen als IBM«, schrieb Rob Enderle, Chefanalyst bei der Enderle Group, am 18. August in einer E-Mail an die Redaktion. »Im Grunde genommen wiederholt sich bei HP das Gleiche, was bei IBM unter Palmisano und bei Apple unter Jobs passiert ist – nämlich, dass das neu strukturierte Unternehmen HP auf seinen neuen Chef hin optimiert wird.«
Allerdings wird HP in Sachen Software und Dienstleistungen noch etwas zulegen müssen angesichts der Tatsache, dass Firmen wie Oracle und IBM sicherlich bald aggressiv zum Gegenschlag ausholen werden.
Steve Jobs tritt zurück
Anscheinend dachte das Schicksal, dass mit Google und Hewlett-Packard allein die Achterbahnfahrt im August noch nicht aufregend genug ist, und sorgte daher für noch ein drittes Mega-Ereignis: Apple-Chef Steve Jobs trat von seinem Posten zurück.
In einem Brief an Apples Verwaltungsrat und die Angestellten teilte Jobs mit, dass er seinen »Pflichten und Erwartungen als Chef von Apple nicht mehr nachkommen kann«. Er bat den Verwaltungsrat, ein bereits vorher festgelegtes Übergabeverfahren in Kraft treten zu lassen und Tim Cook als Firmenchef einzusetzen – eine vertraute Rolle für den letztgenannten, hatte dieser doch immer dann, wenn Jobs langjährige Gesundheitsprobleme ihn zu einer krankheitsbedingten Auszeit zwangen, stellvertretend das Ruder übernommen. In diesem frühen Stadium scheinen die Analysten generell der Ansicht zu sein, dass Apple es überstehen wird, wenn sein Mitbegründer die Zügel an Cook übergibt.
»Apple wird von einem Spitzenteam hervorragender Führungskräfte mit Weitblick geleitet, darunter Tim Cook, Phil Schiller, Jonathan Ive, Scott Forestal, Ron Johnson und einer Reihe anderer«, schrieb Carl Howe, Analyst bei der Yankee Group, am 25. August in einem Blog-Eintrag. »Steve war [das] Gesicht der Firma, aber wir sollten uns nicht dem Glauben hingeben, dass er der einzige war, der alle Entscheidungen getroffen hat.«
In der Tat wird erwartet, dass Apple die nächste Generation des iPhones (landläufig von der Presse auch als »iPhone 5« bezeichnet) entweder im September oder im Oktober vorstellt, gefolgt von der nächsten iPad-Generation im Frühjahr 2012.
Bei einem so spannenden August brauchen IT-Begeisterte wahrscheinlich den ganzen September, um sich zu erholen.