Interview: »Dramatische Veränderung der Arbeitswelt«

Wie sieht die Zukunft der Arbeit aus? Dazu haben Dell und Intel beim Marktforschungsunternehmen TNS Global eine große Studie in Auftrag gegeben. Über die ersten Ergebnisse von »Evolving Workforce« hat ITespresso bereits berichtet.
Unternehmen sollten frühzeitig anfangen, sich auf die Veränderungen einzustellen. Im Interview mit ITespresso gibt Dell-Manager Michael Müller (Head of Latitude Product Line Management EMEA) Auskunft darüber, was auf die Unternehmensführung und IT-Manager zukommt. Das Interview wurde per E-Mail geführt.
ITespresso: Wenn immer mehr Mitarbeiter in Zukunft mit Smartphones, Tablets oder Notebooks arbeiten, wird dann die IT für das Unternehmen teuer?
Müller: Der dramatischen Veränderung heutiger Arbeitsprozesse würde man nicht gerecht, wenn man sich dabei auf Kosten pro Bit oder Byte beschränken würde. Zukünftig wird es vielmehr darum gehen, technischen Fortschritt und das sich ändernde Verhältnis im Umgang mit IT so in bestehende Unternehmensstrukturen zu integrieren, dass sich das volle Potenzial der Mitarbeiter entfalten kann.

Tablets: Wissensarbeiter arbeiten mit Tablets besser
ITespresso: Was verstehen Sie genau unter vollem Potenzial?
Müller: Die Verbreitung mobiler Endgeräte, die Netzverfügbarkeit und die stark gesunkenen Preise für den Datenaustausch erlauben es »Wissensarbeitern« bereits heute, ihre Arbeitszeit effektiver und flexibler einzusetzen. Das ist ein Nutzen für Unternehmen, der sich nur schwer beziffern lässt.
ITespresso: Welche Auswirkungen hat die zunehmende Consumerisierung auf die Produktpolitik der Hersteller? Wird es beispielsweise bei Tablets »Dual-Use Produkte« geben?
Müller: Bei den Produktentscheidungen der Unternehmen hat die Orientierung an den Konsumenten bereits begonnen. Häufig sind es Mitarbeiter der Führungsetagen, die die IT-Abteilungen vor neue Herausforderungen stellen und den Einsatz privater Endgeräte oder den Einsatz neuer Produkte wie die Tablets fordern. Themen wie Eigentum, Sicherheit oder Verwaltbarkeit werden dabei häufig außer Acht gelassen oder zumindest vernachlässigt. Das sind die Herausforderungen, denen man sich stellen muss.
ITespresso: Ist bei der Konzeption von IT-Produkten die herkömmliche Unterteilung in Consumer und Business noch zu halten?
Müller: Die Hersteller haben bereits auf diese Situation reagiert und Tablets auf den Markt gebracht, die sich sehr gut in bestehende IT-Landschaften einfügen und die sowohl die Anforderungen von Konsumenten als auch von Unternehmen erfüllen. So berücksichtigt beispielsweise das Dell Latitude ST die unterschiedlichen Eingabegewohnheiten von Privat- und von Businessanwendern, indem sowohl die Eingabe per »touch« als auch mit einem Stift möglich ist.

ITespresso: Gab es in der Studie »Evolving Workforce« besonders interessante oder auffallende Ergebnisse aus Deutschland?
Müller: Obwohl die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung noch ausstehen, zeichnet sich ab, dass in Deutschland das »Crowdsourcing« eine große Rolle spielen wird, also die projektbezogenen Anwerbung von Beratern, Freelancern und Zeitarbeitern oder Kurzzeitbeschäftigten, die auf Grund der Entwicklung des Cloud-Computing nicht notwendigerweise räumlich zusammenarbeiten müssen.
Höherer Verwaltungsaufwand
ITespresso: Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass IT-Management in Zukunft deutlich komplexer wird? Behindert die zunehmende Komplexität die Produktivität der Unternehmen?
Müller: Die Studie untersucht auch die Wechselwirkung des Einsatzes flexibler Endgeräte, der Produktivität und des IT-Managements. Während vermutet wird, dass die Produktivität steigt, wenn Mitarbeiter mit den ihnen vertrauten Tools arbeiten können, wird gleichermaßen angenommen, dass diese Entwicklung höheren Verwaltungsaufwand für die IT mit sich bringen kann.

Ich sage bewusst »kann«, da es an den Unternehmen selbst liegt, Regeln zu definieren, innerhalb denen Mitarbeiter ihre Arbeitsmittel frei wählen können. Das kann zum Beispiel die Definition von Endgerätetypen, Betriebssystemen oder Anwendungen betreffen. Dadurch wird Komplexität zu einer kalkulierbaren Größe bei gleichzeitiger Steigerung von Flexibilität und Produktivität.
ITespresso: Wird es in zehn Jahren noch den klassischen Desktop-Rechner geben?
Müller: Seit Jahren beobachten wir bei den PCs eine Verschiebung der Gewichtung zu Gunsten mobiler Systeme. Dennoch sind Desktops immer noch sehr wichtig und ich denke, dass sich daran auch mittelfristig nichts ändern wird.
Die meisten der neuen Gerätetypen, die in den vergangenen Jahren Einzug in den PC-Markt gehalten haben, sind ja komplementär zu den bestehenden Systemen. Sie haben unsere Arbeitswelt bereichert und werden das auch weiterhin tun, aber der klassische Desktop wird aufgrund seiner Leistungsstärke und seiner geringen Verwaltungskosten weiterhin für den stationären Einsatz von Bedeutung bleiben.

ITespresso: Wer zahlt eigentlich für Tablets und Smartphones, wenn diese auch privat genutzt werden?
Müller: Schon heute vermischen sich private und geschäftliche Nutzung. Ein allseits bekanntes Beispiel ist der Firmenwagen. Hier hat der Gesetzgeber eine Regelung festgelegt, wie private Nutzung finanziell zu regeln ist. Bei Mobilfunk-Geräten gibt es technische Lösungen, um private und geschäftliche Gespräche zu identifizieren und zu berechnen.
Einige Unternehmen gestatten Ihren Mitarbeitern die Nutzung des Inventars bis zu einem gewissen Maße und positionieren das als sogenannten Benefit beziehungsweise Teil der Vergütung. Solche oder ähnliche Regelungen wären auch auf die Nutzung anderer Endgeräte wie die der Tablets oder Smartphones übertragbar. Diese Beispiele zeigen, wie weit das Feld der Gestaltungsmöglichkeiten ist und clevere Unternehmen werden sich diese zu Nutze machen.
Einfluss auf die klassische Netzwerk-Technik
ITespresso: Welche Auswirkungen haben die in der Studie beschriebenen Trends auf die klassische Netzwerk-Technik?
Müller: Hohe Bandbreiten sind in allen hier genannten Szenarien eine zentrale Anforderungen. Dabei werden mobile Systeme bevorzugt via WLAN in die Netzte eingebunden, wofür in den Unternehmen die Voraussetzungen geschaffen werden müssen.
Ich sehe darin vorerst aber weniger eine technische Aufgabe, als eine des Managements. Mittelfristig werden wir aber auch neuen Technologien brauchen, weil die Inanspruchnahme der Netze mit den Veränderungen in der Arbeitswelt deutlich steigen wird.
ITespresso: Welche Konsequenzen zieht Dell selbst aus den Ergebnissen der Studie? Oder welche Konsequenzen hat Dell schon gezogen?
Müller: Dell beschäftigt sich bereits seit einiger Zeit mit den Veränderungen der Arbeitswelt. Wir sind einerseits selbst ein großer Arbeitgeber und insofern ganz unmittelbar betroffen. Zum anderen sind unsere Kunden Unternehmen, die von uns Lösungen erwarten, die sie beim Umgang mit derartigen Herausforderungen unterstützen.
Mit der neuen Studie stehen auch wissenschaftlich fundierte Ergebnisse zu den beobachteten Entwicklungen zur Verfügung, aus denen sich praktische Konsequenzen ableiten lassen; welche das im Einzelnen sein werden, lässt sich allerdings erst bestimmen, wenn die vollständige Studie vorliegt.

Grundsätzlich aber ist Dell in Richtung neuer Arbeitswelt bereits selbst aktiv geworden, so fördert Dell flexible Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodelle, hat selbst Anwendungen in die Cloud ausgelagert, arbeitet mit dezentralen Projektteams oder unterstützt natürlich auch die Nutzung privater Endgeräte.
Auf der anderen Seite bieten wir Unternehmen Lösungen an, mit denen sie ihre Systemlandschaft unter Einbeziehung der neuen mobilen Systeme besser steuern und kontrollieren können.
ITespresso: Danke für das Gespräch
Weitere Ergebnisse im Dezember
Der zweite Teil der Studie »Evolving Workforce« wird im Dezember veröffentlicht. Darin sollen sich auch konkrete Ergebnisse aus einer Umfrage unter IT-Verantwortlichen in Unternehmen Deutschland finden. ITespresso wird über die interessantesten Ergebnisse berichten.